Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 163 Höchst, Evangelische Kirche 1566

Beschreibung

Bauinschrift innen an der Nordwand des Langhauses über dem Seiteneingang. In einem roten Sandsteinrahmen mit Sockel und Dreieckgiebel befindet sich eine Schieferplatte mit gestaffelter elfzeiliger Inschrift. Die Buchstaben sind mit Goldfarbe ausgemalt. Als Worttrenner wurden auf die Grundlinie gesetzte Quadrangel verwendet.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. DIESE KIRCH IST VON GRVNDT / VND NEWEM ANGEFANGEN / VND AVSGEBAWT, BEI REGIE=/RVNG DER WOLGEBORNEN HERN / HERN LVDWIGS GRAVEN ZV / STOLBERG, KONIGSTEIN ET(CETERA) / VND HERN GEORGEN, GRAVEN / ZV ERPACH, ET(CETERA) ALLEN / HERN ZV BREVBERG / IM IHAR CHRISTI. / M. D. LXVI.

Kommentar

Die sorgfältig ausgeführte Kapitalis weist Linksschrägenverstärkung bei A, M, N und V sowie deutliche Verstärkungen der Bögen auf. Das A ist spitz, das B ist mit einem kleinen oberen und einen großen unteren Bogen gebildet, das E besitzt einen sehr langen unteren Balken, und das M ist mit leicht schräggestellten äußeren Schäften und einem kurzen Mittelteil gestaltet. Besonders auffällig ist das R, dessen außen am Bogen ansetzende, geschwungene Cauda weit ausgestellt ist. An den Wortanfängen sind häufig überhöhte Buchstaben verwendet worden. Die Inschrift zeigt somit genau dieselben Merkmale, die sich auf den von Johann von Trarbach gefertigten Epitaphien für die Grafen Georg II. und Eberhard XII. von Erbach sowie für Margarete Schenkin von Limpurg feststellen lassen, die in der Zeit von 1564 bis 1567 entstanden.1) Offenbar führte Trarbach in dieser Zeit noch andere Aufträge der Grafen von Erbach aus, für die keine Rechnungsbelege mehr erhalten sind.

Nach dem Tode des Grafen Michael III. von Wertheim 1556 (Nrr. 148, 152) fiel die Herrschaft Breuberg, zu der Höchst gehörte, je zur Hälfte an die Grafen von Erbach und die Grafen von Stolberg-Königstein.2) Nachdem 1563 eine Einigung über die Teilung erzielt worden war, befand sich Höchst im Besitz beider Familien.3) Seit 1506 hatte sich das Kloster Höchst in einer schwierigen personellen Lage befunden. Da von dem Konvent der Augustinerinnen nur eine Nonne übriggeblieben war, besetzte der zuständige Abt von Fulda Höchst 1508 mit Benediktinerinnen. Trotzdem bestanden weiterhin personelle Probleme, so daß nach dem Tode der Äbtissin Margarete Reußer 1557 Anna Gans von Otzberg als letzte Konventualin übrigblieb, die vom Abt von Fulda zur Äbtissin ernannt wurde. Nach ihrem Tode 1567 wurde das Kloster durch Georg II. von Erbach und Ludwig von Stolberg säkularisiert.4) Bereits 1566 wurde die alte Klosterkirche mit Ausnahme des Turms abgerissen und bis 1568 eine neue Kirche errichtet,5) die den Anforderungen des evangelischen Gottesdienstes entsprach. Es handelt sich dabei um den ältesten nachweisbaren protestantischen Kirchenbau im Odenwald.6)

Anmerkungen

  1. Vgl. Nrr. 160, 165, 166 und Einleitung Kap. 5. 2.
  2. Simon, Geschichte 195 f.; Kleberger, Territorialgeschichte 76 f. und 92 f.; vgl. auch Nr. 146.
  3. Simon, Geschichte 196 f.
  4. Simon, Geschichte 212 – 215 und dazu die Korrekturen bei Ehmer, Grafen von Wertheim 30 – 32; zu Georg vgl. Nr. 160; zu Ludwig vgl. Europ. Stammtafeln NF XVII, Taf. 100.
  5. Vgl. dazu auch die folgende Nr.
  6. Teubner/Bonin, Kulturdenkmäler 375.

Nachweise

  1. Luck, Reformationsgeschichte 172.
  2. Schaefer, Kdm. 135.
  3. Hotz, Geschichte 19.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 163 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0016303.