Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 160(†) Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1565, 1569

Beschreibung

Tumba für die Gräfin Elisabeth von Erbach, geborene Herzogin von Pfalz-Simmern, und ihren Mann Graf Georg II. Für die architektonische Gliederung der Tumba wurde Alabaster verwendet, für die Flächen Schiefer. Sie stand ursprünglich in der Mitte des Chors und wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt bereits stark beschädigt1) in die Sakristei versetzt.2) Nachdem bereits 1859 die Restaurierung des Denkmals unter der Aufsicht des Stadtbaumeisters Louis von Darmstadt in Auftrag gegeben worden war,3) wurde es im Jahre 1968 angeblich von einem „Hilfskirchendiener“ vollends zertrümmert,4) anschließend restauriert und wieder am alten Standort aufgestellt. Im Unterbau werden die oberhalb des profilierten Sockels stark zurückgesetzten Wände durch Eckpilaster mit davorstehenden Balustersäulen beziehungsweise durch jeweils eine entsprechende Mittelstütze an den Längsseiten gegliedert. Die dazwischenliegenden Flächen waren ursprünglich bis auf eine mit Arabesken gefüllt. Allein an der nördlichen Schmalseite befindet sich noch immer eine Schrifttafel mit einem Bibelspruch (C). Die Deckplatte ist kreuzförmig in Felder geteilt, in die Schrift- und Wappentafeln eingelassen sind. Nur die stark beschädigte Tafel mit der Grabinschrift für Georg (A) ist noch erhalten. Die Grabinschrift für Elisabeth (B) und die beiden jeweils von vier Ahnenwappen mit Beischriften (W1/W2) gerahmten Vollwappen sind völlig zerstört. Sie sind nur durch den von Schneider 1736 publizierten Stich überliefert. In den beiden erhaltenen Inschriften (A) und (C) sind die Buchstaben sorgfältig in die Schiefertafeln eingegraben und mit Goldfarbe ausgefüllt worden. Als Worttrenner dienen auf die Grundlinie gesetzte Punkte.

(B) und (W) nach Schneider Taf. B.

Maße: H. 110, B. 212, Bu. 2–3 (A), 3 (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, W), Fraktur (C).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/5]

  1. A

    DER WO[L]GEBOREN / HER GEOR[G] GRAVE / ZV ERPACH [V]ND HER / ZV BREVBERG. IST / GESTORBEN IM IHAR / M. D. L〈XIX〉. DEN / 〈XXVII〉a) TAG DES MONATS / 〈AVGV[ST]I NACH / MITT[A]G VM[B] VI〉 / VHRE[N]b) S[EI]NES A[L]TERS / 〈LXIII〉 IHAR. 〈VII〉 / MONAT. VND 〈III〉 TAG. / SEINER REGIERVNG / 〈XXX〉 IHAR / 〈II〉 MONAT / VND 〈IIII〉 c) / TAG

  2. B†

    DIE DVRCHLEVCHTIGE / HOCHGEBORNE. FVRSTIN / FRAW ELISABET GEBOR/NE PFALTZ GREVIN BEY / RHEIN VND HERTZOGIN / IN BEYERN. HAT IN DER / EHE GELEBT MIT DEM / WOLGEBORNEN HERN / GEORGEN GRAVEN ZV / ERPACH VND HERN ZV / BREVBERG. XXVIII.d) IHAR / III. MONAT VND VIIIe) TAG / IST GESTORBEN IM IHAR / M. D. LXIIII. DEN XVIII / TAG FEBRVARII VOR MIT/TAG VMB V. VHREN IRES / ALTERS XXXXIIII. IHAR / IIII. TAGf)

  3. C

    Iohann. XI. / Ich bin die aufferstehung / Vnd das leben(n). / Wer an mich glaubt der wirt leben / Ob er schon stirbet.5)

  4. W1†
    ERPACH. WERTHEIM 
    FRAVENBERG. EBERSTEIN 
  5. W2†
    PFALTZ BAY(ERN) BADEN SPAN(HEIM) 
    NASSAV CATZENELENBO(GEN) 
Wappen:
[Erbach; Pfalz-Bayern; Erbach, Fraunberg zum Haag; Wertheim, Eberstein; Pfalz-Bayern, Nassau; Baden-Sponheim, Katzenelnbogen].

Kommentar

Die in vorlinierten Zeilen sorgfältig ausgeführte Kapitalis der Grabinschrift Georgs II. zeigt die typischen Schriftmerkmale der Werkstatt Johanns von Trarbach,6) der die Tumba im September 1565 vollendete. Alle Zeitangaben zum Tode Georgs mußten deshalb in der Inschrift ausgespart und nach seinem Tod 1569 nachgetragen werden. Besonders deutlich ist der Nachtrag in der siebten Zeile zu erkennen, wo sich die römischen Ziffern des Monatstages nicht in der vorhandenen Lücke unterbringen ließen und der bündige linke Rand deshalb durchbrochen wurde. In den Zeilen 11 bis 16 fallen die großen Abstände zwischen den Wörtern und den römischen Zahlzeichen auf, da aufgrund der möglichen Länge römischer Zahlenangaben der später notwendige Platz nur schwer zu planen war. Das Bibelzitat (C) ist in einer fein ausgearbeiteten Fraktur mit stark verzierten Versalien ausgeführt.

Nachdem Elisabeth am 18. Februar 1564 gestorben war, ließ Georg im Mai Johann von Trarbach nach Fürstenau holen, um ihn mit der Herstellung des Grabmals zu beauftragen.7) Das Werk sollte aus Alabaster gefertigt werden, den Johann in Antwerpen besorgen ließ. Nachdem Trarbach am 16. Juli eine Skizze des Denkmals nach Erbach geschickt hatte, kam es dort am 18. September zu einer erneuten Besprechung, deren Gegenstand nicht geklärt ist.8) Im Juli 1565 war die Tumba fertig und wurde in Einzelteilen zu Schiff über den Rhein und den Main bis nach Wörth transportiert und von dort nach Michelstadt gebracht. Dort wurde das 521 Gulden teure Werk von Johann von Trarbach aufgebaut, der am 19. September 1565 die Endquittung ausstellte. Um das kostbare Grabmal vor Beschädigungen zu schützen, ließ man sofort von einem Schreiner einen Schutzkasten aus Holz anfertigen, so daß das Denkmal an den meisten Tagen des Jahres nur teilweise oder gar nicht zu sehen war.

Die Tumba barg nicht die Gebeine der Verstorbenen, sondern diente wie das Epitaph der Erinnerung. Mit der Tumba ohne bildliche Darstellung griff Trarbach eine Grabmalform auf, die sich in Deutschland ab dem 13. Jahrhundert nachweisen läßt. Insgesamt blieben die figurlosen Tumben, die vermutlich einen Altar versinnbildlichen sollten, jedoch selten.9) Auf jeden Fall ist die Wiederaufnahme dieses Typs durch Trarbach 1565 ungewöhnlich.

Georg war der älteste Sohn aus der Ehe Eberhards XI. von Erbach mit Maria von Wertheim.10) Nachdem er als 19jähriger im kaiserlichen Heer in Italien gegen den französischen König Franz I. gekämpft hatte, unternahm er Reisen nach Jerusalem und Frankreich. Nach seiner Rückkehr wurde er vom pfälzischen Kurfürsten Ludwig V. zum Unterlandvogt zu Hagenau ernannt. Dieser vermittelte auch die 1536 geschlossene Ehe mit seiner Verwandten Elisabeth, der Tochter Johanns II. von Pfalz-Simmern und der Beatrix von Baden.11) Nach dem Tode Eberhards XI. 1539 teilte sich Georg die Herrschaft zunächst mit seinem Bruder Eberhard XII. und ab 1544 auch mit dem jüngsten Bruder Valentin II.12) Nachdem bereits Georgs Vater sich der Lehre Luthers zugewandt, aber keine entsprechenden allgemeinen Verfügungen für seine Herrschaft erlassen hatte, begann Georg, das kirchliche Leben durch Vorschriften zu ordnen und ließ 1557 mit seinen Brüdern eine Kirchenordnung erstellen.13) 1546 kämpfte Georg im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten des Bundes gegen Kaiser Karl V. und mußte nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes den Durchzug der niederländischen Truppen unter dem Grafen von Büren durch sein Gebiet erdulden sowie 12000 Gulden Kontribution zahlen.14) Da sich Georg und seine Brüder zudem weigerten, vor dem Kaiser zu erscheinen und das Interim von 1548 anzunehmen, wollte Karl V. die erbachischen Güter konfiszieren lassen. Erst der Überfall Moritz‘ von Sachsen auf den Kaiser 1552 und die dadurch geschwächte Position Karls brachten den Grafen von Erbach Ruhe.15)

Textkritischer Apparat

  1. XVII Luck 26.
  2. Die untere Hälfte der Buchstaben fehlt.
  3. III Luck 26
  4. 29 Schneider, Urk. Nr. CLXXIX, 361.
  5. VII Luck 27.
  6. XLV IAR V TAG Luck 27.

Anmerkungen

  1. Schneider 167.
  2. Morneweg, Haus Erbach Nr. 140; Strübing, Johann von Trarbach 15 f.
  3. Gräflich-Erbach-Fürstenauisches Archiv, Akten der Gräflich-Erbach-Fürstenauischen Rentkammer, Titel 1, Vol. 26, Fasc. 11.
  4. Grabdenkmäler 345 und 344 e mit einer Abbildung der zerstörten Tumba.
  5. Joh 11,25.
  6. Vgl. dazu ausführlich bei Nr. 136 und Einleitung Kap. 5. 2.
  7. Vgl. hierzu und zum Folgenden Strübing, Johann von Trarbach 12 – 15 und 136 – 144 mit dem Abdruck der entsprechenden Rechnungen.
  8. Strübing, Johann von Trarbach 13 vermutet eine Planänderung.
  9. Vgl. Weckwerth, Tumba 282 – 286.
  10. Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 3; zu seinen Eltern vgl. Nrr. 131, 146.
  11. Simon, Geschichte 381 f.; Schaab, Kurpfalz II Taf. VII; die Teilnehmer und die Speisefolge der prächtigen Hochzeit überliefert Schneider, Urk. Nr. CLXXIII. 2, 348 – 352.
  12. Simon, Geschichte 379 f.
  13. Simon, Geschichte 383 f.
  14. Simon, Geschichte 384; Schaab, Kurpfalz II 27.
  15. Simon, Geschichte 384 f.

Nachweise

  1. Schneider, Historie, Urk. Nr. CLXXIX, 361 und Abb. Taf. B.
  2. Schaefer, Kdm. 178 f. mit Abb. 93.
  3. Luck, Historische Genealogie 26 f., Nr. 123 (h) und (k).
  4. Buxbaum, Stadtkirche 53, Nr. 47.
  5. Grabdenkmäler 345 f.
  6. Nikitsch, Michelstadt 143, Abb. Taf. 16.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 160(†) (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0016006.