Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 152 Sandbach (Breuberg), Evangelische Kirche 1559

Beschreibung

Epitaph für Graf Michael III. von Wertheim. Das in Form einer zweigeschossigen Ädikula ausgeführte Denkmal aus gelbgrauem Sandstein steht innen an der Chorabschlußwand. In der Hauptnische steht die Figur in Ritterrüstung ohne Helm auf einem Löwen. Der Oberkörper ist nach rechts gewendet, die ergänzte rechte Hand ist erhoben, während die linke am Schwertgriff liegt. Neben dem rechten Knie ist der Helm dargestellt. Die flankierenden Pilaster tragen je vier Wappenschilde mit Beischriften (W). Zudem sind über den beiden letzten Wappen links eine Jahreszahl und rechts zwei Initialen (C) angebracht. Das Gebälk trägt die Inschrift (A). Im Obergeschoß sitzt zwischen Säulen ein Vollwappen. Der obere Abschluß des Epitaphs ist heute durch die Empore verdeckt. Im Sockel befindet sich das Grabgedicht (B) auf zwei nebeneinander angeordneten Tafeln. Von der linken Tafel ist ein Stück der Oberfläche abgeplatzt, wodurch ein Teil des Textes verlorengegangen ist. Zudem sind die Tafeln mit Ölfarbe überstrichen worden, wodurch die Lesbarkeit des Textes ebenfalls gelitten hat. Als Worttrenner dienen hier ebenso wie in den anderen Inschriften kleine Dreiecke. Die flankierenden Pilaster werden von einer Männer- und einer Frauenbüste geschmückt. Die Farbfassung des Denkmals wurde 1907 vollständig erneuert.1)

(B) ergänzt nach Schneider.

Maße: H. 375, B. 140, Bu. 1,7 (B), 2,3 (C, W) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A–C), Fraktur (W).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Rittereiser) [1/9]

  1. A

    EPITAPHIV(M) · NOBILIS · ET · GENEROSI · / COMITIS · D(OMINI) · MICHAELIS · COMI=/TIS · WERTHEME(N)SIS · ET · D(OMI)NI · / IN · BREVBVRG ·

  2. B

    SISTE GRADV(M) · LVSTRAS HAEC Q(VI) [MO]NVM[E(N)]TA · VIATO[R]ET · LEGE · DISPARIB(VS) CARMINA SCRIPTA · MO[DIS]SCVLPTA · STAT · HIC · PARIO · MICHAELIS · IMAGO · NITORE ·SPES · WERTHEMIACAE · Q(VI) · FVIT · VNA · DOM(VS) ·CORDE · PI(VS) · GESTV · GRAVIS · (ET) · SERMONE · DISERTVSINGENIO · DOCT(VS) · STEM(M)ATE · CLAR(VS) · ERATINGEN[VA]S PRIMIS · ARTES · P(ER)CEPERAT · ANNIS[SVMPSIT VT IMPERII] SCEPTRA · REGENDA · SVI ·[INDE SACRAS DVCTA CELEB]RAVIT · (CON)IVGE · TAEDA(S)[QVAE STOLBERGA TVA NOMEN AB ARC]E · TVLIT[SVBIECTVM PLACIDO REXIT SVB IVRE P]OPELLV(M)DEFEND[ENS SVMMI DOGMATA SANCTA] DEICV(M) · REGERET · PA[TRIVM DOLVS INTERIMI]STIC(VS)a) ORBE(M) //ET · LATII · FVRERE(N)T · ARMA · MINAEQ(VE) · IOVISHAVD · POTVIT · FLECTI · MONITIS · GRAVIB(VS)Q(VE) · P(ER)ICLISQVI(N) · COLERET · VERAE · RELLIGIONIS · ITERINTER · TOT · COMITES · (ET) · MAXI(M)A · REGNA POTE(N)TV(M)CONFESS(VS) · D(OMI)N(V)M · PECTORE (ET) · ORE · DEV(M)INCLŸTA · CV(M) · P(RO)PRIIS · FREMERET GERMA(N)IA BELLISDEFE(N)DIT · PLACIDAE · PACIS · AMORE · SVOS ·LVSTRIS · Q(VI)NQ(VE) · DVOS · NO(N)DV(M) · (CON)IV(N)XERATb) · ANNOSCV(M) · VITAE · CLAVDIT · FATA · SVP(RE)MA · SVAE ·OCCIDIT · HEV VIDVAE · QVO(N)DA(M) · SPES VNICA · MATRISET · WERTHEMIACAE · SPES GENEROSA · DOM(VS)HVIC · ERGO · LVSTRAS · HAEC · QVI · MONVME(N)TA · VIATORc)COELICA · SVP(RE)MI · REGNA · P(RE)CARE · POLI · //DECESSIT [PRIDIE IDVS MA]RTII // ANNO D(OMI)NI · 1 · 5 · 56 ·

  3. C

    1559 // PDd)

  4. W
    Wertheim Limpburg 
    Eberstein Werde(n)berg ·  
    Isenburg3) Oettingen4) 
    Kunigstein Marck=Baden 

Übersetzung:

(A) Epitaph des edlen und wohlgeborenen Grafen, Herrn Michael, Grafen von Wertheim und Herrn zu Breuberg.

(B) Hemme deinen Schritt, Wanderer, der du dieses Denkmal betrachtest und lies die Verse, die auf verschiedene Weise2) geschrieben sind. Hier steht in der Schönheit des Marmors von Paros das gemeißelte Bild Michaels, der die einzige Hoffnung des Hauses Wertheim gewesen ist. Er war fromm im Herzen, ernst in der Haltung, beredt im Gespräch, gelehrt im Geist und berühmt durch die Herkunft. In jungen Jahren hatte er die freien Künste erlernt, um das Zepter der Regierung seiner Herrschaft zu empfangen. Darauf feierte er die heilige Hochzeit und führte die Gattin heim, die, Stolberg, den Namen deiner Burg trug. Das ihm untergebene Volk lenkte er unter einer milden Rechtssatzung. Er verteidigte die Lehre des höchsten Gottes, als der Betrug des Interims das Vaterland regierte und die Waffen und die Drohungen des römischen Jupiters wüteten. Nicht durch Mahnungen und nicht durch schwere Gefahren konnte er dazu gebracht werden, den Weg der wahren Religion nicht mehr zu ehren. Unter so vielen Grafen und den größten Reichen der Mächtigen bekannte er Gott, den Herrn, mit Herz und Mund. Als das berühmte Deutschland im Bürgerkrieg lärmte, verteidigte er in Liebe zum milden Frieden die Seinigen. Er hatte noch nicht den Zeitraum von fünf Lustren und zwei Jahren (27) verbunden, als er das letzte Schicksal seines Lebens beschloß. Ach, es starb die einst einzige Hoffnung der verwitweten Mutter und die edle Hoffnung des Hauses Wertheim. Der du also dieses Denkmal betrachtest, Wanderer, erbitte für ihn die himmlischen Reiche des höchsten Himmels. Er starb am Tag vor den Iden des März (14. März) im Jahre des Herrn 1556.

Versmaß: 13 Distichen.

Wappen:
WertheimSchenk von Limpurg
EbersteinWerdenberg
Isenburg3) Oettingen4)
KönigsteinBaden-Sponheim5).

Kommentar

Die Kapitalis weist klassische Elemente wie die Linksschrägenverstärkungen bei A, M und N sowie die Bogenverstärkungen auf. Zugleich sind beim M mit den schräggestellten Schäften und dem hochgezogenen Mittelteil, beim R mit der geschwungenen Cauda sowie beim V mit Rechtsschrägenverstärkung auch unklassische Elemente vorhanden.

Nach den Rechnungen des Amtes Homburg von 1558/59 und 1560/61 wurden einem namentlich nicht genannten Würzburger Meister 110 Gulden für das Grabmal gezahlt.6) Vermutlich handelt es sich bei dem Meister um den Würzburger Bildhauer Peter Dell, auf den die Initialen PD auf dem linken Pilaster hinweisen.7)

Michael wurde 1529 als Sohn des Grafen Georg II. von Wertheim und dessen Frau Barbara Schenkin von Limpurg geboren.8) Als sein Vater bereits 1530 starb und knapp ein Jahr später auch sein Großvater Michael II. verschied (Nr. 122), übernahmen seine Mutter Barbara, deren Bruder Schenk Wilhelm von Limpurg und Graf Wilhelm von Eberstein die Vormundschaft, doch scheint die Regierung vor allem in den Händen der Mutter gelegen zu haben.9) Sie war es auch, die 1537 die Reformation in der Herrschaft Breuberg einführte.10) Michael selbst wurde 1544 im Alter von 14 Jahren in Wittenberg immatrikuliert, wo Luther und Melanchthon lehrten. Mit letzterem stand die Mutter Michaels in Verbindung. Allerdings verließ der junge Graf Wittenberg noch in demselben Sommer und ging nach Leipzig, wo der Humanist Johannes Camerarius, ein Freund Melanchthons, Rektor der Universität war, in dessen Haus Michael wohnen durfte. Vermutlich im Sommer 1546 kehrte er nach Wertheim zurück.11) Im Jahr 1550 heiratete er dann Katharina, die Tochter Graf Ludwigs von Stolberg und der Walpurga von Wied.12) Mit der Volljährigkeit Michaels endete 1551 die Vormundschaft, und er übernahm offiziell die Regierung.13) Das in der Inschrift als Betrug kritisierte Augsburger Interim, das Kaiser Karl V. 1548 auf dem Reichstag in Augsburg erlassen hatte,14) fiel also noch nicht in die Zeit der eigenständigen Herrschaft Michaels. Erst den Überfall Moritz‘ von Sachsen auf den Kaiser 1552 und den dadurch ausgelösten Krieg hat er als Regent erlebt, doch scheint er den Ereignissen fern gestanden zu haben.15) Michael starb nach längerer Krankheit mit 27 Jahren ohne männlichen Erben, wodurch das Haus Wertheim erlosch.16) Für sein Epitaph scheint in erster Linie seine Mutter Barbara, die erst 1561 starb,17) gesorgt zu haben, da die Inschrift betont, daß Michael die einzige Hoffnung seiner verwitweten Mutter gewesen sei. Auch die Hervorhebung der reformatorischen Gesinnung Michaels und die scharfe Zurückweisung der kaiserlich-päpstlichen Position, die in der Bezeichnung des Papstes als Jupiter und damit als heidnischer Abgott gipfelt,18) paßt zu Barbara, die sich nachdrücklich für die Reformation eingesetzt hatte. Michaels Frau Katharina, die erst 1598 starb, verewigte ihn noch einmal zusammen mit ihrem zweiten Mann, Graf Philipp von Eberstein, nach dessen Tod 1591 in einem aufwendigen Epitaph in der Wertheimer Stadtkirche.19) Die von dem Wertheimer Juristen Johann Sander verfaßte Inschrift nahm für das Totenlob einzelne Aussagen des Sandbacher Epitaphs wieder auf, ohne allerdings die reformatorische Gesinnung Michaels zu erwähnen.20)

Textkritischer Apparat

  1. VS-Kürzung in das C eingestellt.
  2. convinxerat Aschbach; CONVIXERAT Ehmer.
  3. R in das O eingestellt.
  4. Der Bogen des P ist mit dem Balken des D verschränkt.

Anmerkungen

  1. Jahresbericht der Denkmalpflege II 100.
  2. Nämlich in Hexametern und Pentametern.
  3. Zwei Balken.
  4. Vier Reihen Eisenhutfeh, belegt mit einem Schildchen, alles überdeckt von einem Schragen.
  5. Quadriert: 1/4. Baden, 2/3. Sponheim; vgl. zu den Wappen auch Ehmer, Graf Michael 75 – 77.
  6. Ehmer, Graf Michael 88.
  7. Schaefer 233; Bruhns, Würzburger Bildhauer 63; zur Person des Künstlers dort 58 f.
  8. Europ. Stammtafeln NF XVI, Taf. 153; Ehmer, Graf Michael 74; zur Person Michaels vgl. insgesamt auch Aschbach, Grafen von Wertheim I 312 – 332.
  9. Ehmer, Graf Michael 78 f.
  10. Ehmer, Grafen von Wertheim 25 f.; Langguth, Bausteine zur Reformationsgeschichte 46 – 49.
  11. Ehmer, Graf Michael 79 – 81.
  12. Europ. Stammtafeln NF XVII, Taf. 100; Ehmer, Graf Michael 83.
  13. Ehmer, Graf Michael 83 f.
  14. Zur ablehnenden Reaktion der Protestanten auf das Interim und ihrer Polemik vgl. Krueger, Reformationszeitliche Bildpolemik 274 ff.
  15. Ehmer, Grafen von Wertheim 29; Ehmer, Graf Michael 84 f.
  16. Ehmer, Graf Michael 86 f.
  17. Europ. Stammtafeln NF XVI, Taf. 153.
  18. Die Gleichsetzung des Papstes mit Jupiter ist ungewöhnlich. Meistens wird er in der reformationszeitlichen Polemik mit dem Teufel und Antichristen verglichen, vgl. Krueger, Reformationszeitliche Bildpolemik 259 ff.
  19. DI 1 (Badischer Main- und Taubergrund) Nr. 276; vgl. zu dem von Gerhard Wolff geschaffenen Denkmal auch Bruhns, Würzburger Bildhauer 186 – 193 mit Abb. Taf. III und jetzt vor allem Wipfler, Chor der Wertheimer Stiftskirche 148 – 162 mit weiterer Literatur.
  20. DI 1 (Badischer Main- und Taubergrund) Nr. 276: VLTIMA WERTHEMICA SPES, COLVMENQ(VE), DOMVS / ... / SVMMA. QVOD INGENIVM? NOBILE. FORMA? DECENS. / QVALIS CORDE? HVMILIS. GESTV? GRAVIS. ORE? DISERTVS ...

Nachweise

  1. Schneider, Historie 579.
  2. Aschbach, Grafen von Wertheim II 375 f., Nr. CCXXXV.
  3. Schaefer, Kdm. 233 (A).
  4. Ehmer, Graf Michael 74 – 77 und 89 mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 152 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0015206.