Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 139† Steinbach (Michelstadt), Einhards-Basilika 1545

Beschreibung

Epitaph des Herzogs Panuel von Klein-Ägypten. Es handelte sich um eine große Tafel mit dem Bild des Verstorbenen und einer Inschrift, die Ende des 16. Jahrhunderts bereits Beschädigungen aufwies, und deshalb von Gabelkover nicht vollständig gelesen werden konnte.1)

Nach Gabelkover.

  1. Als man zalt vona) Christi vnsers seligmachers geburt tausend [– – –]b) sankt sebastians tagc) starb der hochgeborn Fürst und herr herr Pannuel herzog inn klain Aegypten und herr zum hirschhorn desselben landes

Datum: 20. Januar 1545.

Wappen:
Herzog von Klein-Ägypten und Herr zum Hirschhorn.

Kommentar

Während Gabelkover von der Jahreszahl nur den ausgeschriebenen Anfang tausend wiedergibt und die Auslassung danach durch Punkte kennzeichnet, bietet die zeitgleiche Parallelüberlieferung von Martin Crusius die Jahreszahl 1445. Allerdings dürfte die Zahl tatsächlich ausgeschrieben gewesen sein, da Crusius die Gewohnheit hatte, die Jahreszahlen unabhängig von ihrer tatsächlichen Ausführung in arabischen Ziffern anzugeben.2) Eine Ausführung der Jahreszahl in arabischen Ziffern ist im Jahr 1445 für das Bearbeitungsgebiet zudem wenig wahrscheinlich, da sich arabische Ziffern hier erst ab 1467 belegen lassen.3) Aber der Text liefert auch einen eindeutigen Hinweis darauf, daß die Jahreszahl 1445 falsch gelesen wurde, denn die Bezeichnung Christi als Seligmacher läßt sich in Inschriften erst im 16. Jahrhundert nachweisen.4) Es ist also 1545 zu lesen.

Martin Crusius beschließt seine Ausführungen zu dem Epitaph mit der Bemerkung: „Er wird ein Zigeuner gewest seyn“. Tatsächlich wurden bereits in den 1420er Jahren in Westeuropa Zigeunerfürsten5) als Herzöge oder Grafen von Klein-Ägypten bezeichnet.6) Auch bei Panuel, dem in der Inschrift der Titel herzog inn klain Aegypten zugelegt wird, handelt es sich folglich um den Anführer einer Zigeunergruppe. Obwohl ab 1495 durch die Reichsgesetzgebung eine reichsweite Diskriminierung der Zigeuner einsetzte, die vor allem damit begründet wurde, sie seien Spione der Türken,7) lassen sich für die generell christlichen Zigeuner auch danach noch Begräbnisse in der Kirche nachweisen. Das zeigt ein Epitaph aus der Kirche St. Martin in Pforzheim-Brötzingen von 1552.8) In Steinbach liegen die Verhältnisse allerdings anders, denn 1542 hatten Propst und Konvent des Klosters Lorsch das schon seit 1535 aufgehobene Kloster Steinbach an die Grafen von Erbach verkauft.9) Ob danach weiterhin Gottesdienste in Steinbach stattfanden, ist unbekannt. Bestattungen lassen sich jedenfalls seit dieser Zeit nicht mehr nachweisen, und möglicherweise wurde Panuel in Steinbach bestattet, weil man ihm ein Begräbnis in der Pfarrkirche in Michelstadt verwehrt hatte.

Textkritischer Apparat

  1. nach Crusius.
  2. Gabelkover kennzeichnet die Lücke durch Punkte; 1445 Crusius.
  3. abend Crusius; abend hat auch die nur von Gabelkover überlieferte Grabplatte Panuels, vgl. die vorangehende Nr.

Anmerkungen

  1. Für den Hinweis auf die Inschrift danke ich Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  2. Vgl. DI 57 (Pforzheim) Nr. 41.
  3. Vgl. Einleitung, Kap. 5. 6.
  4. Einen frühen Beleg zu 1532 bietet DI 44 (Lkr. Günzburg) Nr. 58.
  5. Der in den Quellen belegbare Sammelbegriff Zigeuner, der im modernen Sprachgebrauch durch die Bezeichnung „Sinti und Roma“ ersetzt worden ist, wird in historischen Untersuchungen zumeist beibehalten.
  6. R. Jütte, Zigeuner, in: LMA 9 (1998) 610 – 612, hier 611; auch auf Grabdenkmälern lassen sich diese Titel nachweisen, vgl. DI 25 (Lkr. Ludwigsburg) Nr. 74 und dazu die Korrektur in DI 57 (Pforzheim) Nr. 81, Anm. 5; DI 57 (Pforzheim) Nr. 81 und Nr. 147.
  7. Jütte [wie Anm. 6] 612.
  8. DI 57 (Pforzheim) Nr. 147.
  9. Simon, Geschichte Urk. Nr. CCCXXX; Müller, Ortsnamenbuch 690.

Nachweise

  1. Gabelkover, Kollektaneen 449.
  2. Crusius, Annales Suevici III 384.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 139† (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0013900.