Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 63: Odenwaldkreis (2005)
Nr. 137(†) Erbach, Schloß, aus Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1543
Beschreibung
Namen als Stifterinschriften auf Wappenscheiben. Die Scheiben wurden im September 1804 aus einem Fenster der Stadtkirche zu Michelstadt ausgebaut und 1805 in das Erbacher Schloß gebracht, wo sie in ein zweibahniges Fenster auf der Westseite (Hofseite) des Rittersaals eingebaut wurden. Die Scheiben waren teilweise stark beschädigt und wurden 1903 restauriert. Bei dieser Gelegenheit wurden Kopien hergestellt, die sich jetzt in der Stadtkirche zu Michelstadt befinden.1) Die linke Bahn des Fensters enthält drei Scheiben mit den Wappen Graf Eberhards XI. von Erbach und seiner beiden Söhne Georg und Eberhard, in der rechten Bahn sind die Wappenscheiben der jeweiligen Ehefrauen untergebracht. Beide Bahnen besitzen eine gleichartige Rahmung von stilisierten Akanthusblättern. Die ursprüngliche Anordnung der Scheiben ist unbekannt, doch dürften sie sich aufgrund der einheitlichen Größe in einem Fenster der Kirche befunden haben. In der heutigen Anordnung befinden sich oben die Wappen Graf Eberhards XI. und seiner Frau Maria von Wertheim. Die beiden Scheiben weisen je ein Vollwappen in Architekturrahmung und darunter die Beischriften (A) und (B) auf. In der Mitte sind die Wappen Georgs II. und seiner Frau Herzogin Elisabeth von Pfalz-Simmern angebracht. Die beiden Vollwappen stehen unter einem Bogen, der auf der linken Scheibe auf schlanken Säulen und auf der rechten auf massiven Pfeilern ruht. Die Architektur wird von Ast- und Blattwerk gerahmt. Darunter befinden sich die Beischriften (C) und (D). Es folgen die Wappen für Eberhard XII. und Margareta Wild- und Rheingräfin zu Dhaun, die unter von Ast- und Blattwerk gerahmten Bögen stehen. Den Abschluß bilden die Beischriften (E) und (F), die wie auch die übrigen Beischriften in einer Zeile stehen und in schwarzen Buchstaben ausgeführt sind.
Maße: H. 75, B. 46, Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
[Eberha(r)t Graf zu erpach]
- B
[Maria Grevin zu Wertheim]
- C
[Iörg] Grof [zu Erpach]
- D
Elisabet Geborne Palczgrfina)
- E
Eberha(r)t [Graf zu erpach] d(er) [Iv(n)]gb)
- F
[Margaretha Rheingräfin] 1543
Erbach | Wertheim |
Erbach | Pfalz-Bayern |
Erbach | Wild- und Rheingrafen zu Dhaun. |
Textkritischer Apparat
- Sic!
- Das originale Glas der Scheibe ist an der fraglichen Stelle beschädigt; die Textergänzung erfolgte nach einem Photo des Landesamtes für Denkmalplege Hessen.
Anmerkungen
- Katalog Nr. 1, 383 (Nota), wo auf die Beschädigung des pfälzischen Wappens hingewiesen wird; Morneweg, Haus Erbach Nr. 140, Anm.★★★; Hassia sacra VIII 64 f.
- Herrn Dr. Uwe Gast vom Corpus Vitrearum Medii Aevi, Freiburg, danke ich herzlich für freundlich gewährte Unterstützung vor Ort und für seine fachmännische Untersuchung der Scheiben.
- Dieses W hat seine Entsprechung auf der aus dem Jahr 1500 stammenden Wappenscheibe für Elisabeth von Werdenberg, die in demselben Fenster als Kopfscheibe angebracht ist, vgl. Nr. 73.
- Das Aquarell von Johann Wilhelm Wendt im Anhang des Katalogs Nr. 1 von 1805 gibt die Inschriften nur in willkürlich gekürzter Form wieder.
- Schaefer, Kdm. 164 f.; Krebs, Baugeschichte 53 f.; vgl. Nr. 62.
- Zu den Personen vgl. Nrr. 146, 157, 160, 185.
Nachweise
- Katalog Nr. 1, Anhang, Abb.
Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 137(†) (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0013705.
Kommentar
Während die Wappen nur an einzelnen Stellen ergänzt wurden, sind die Schriftbänder (A) und (B) vollständig und (C), (E) und (F) zu großen Teilen erneuert worden. Lediglich (D) ist vollständig original.2) Die Restaurierungen machen sich bei den Inschriften in zum Teil unregelmäßigen Buchstabenabständen sowie in einzelnen Buchstabenformen bemerkbar. Besonders auffällig ist das Minuskel-f in Graf (A, E) und in Rheingräfin (F), dessen Schaftende weit über die Grundlinie hinaus verlängert ist und dessen schräggestellter Mittelbalken den Schaft durchschneidet. Eine solche Form ist für die gotische Minuskel auch in ihrer späten Ausprägung völlig untypisch. Die Versalien weisen ebenfalls Unregelmäßigkeiten auf. Neben den zumeist verwendeten Frakturversalien steht in Maria (B) und in Margaretha (F) ein symmetrisches unziales M der gotischen Majuskel, das zu dieser Zeit nicht mehr gebräuchlich war. Das gleiche gilt für das aus einem Minuskel-w konstruierte W in Wertheim.3) Der Wortlaut selbst zeigt keine Besonderheiten und dürfte im Wesentlichen unverändert geblieben sein.4) Im Jahr 1543 wurde das schadhafte Chormauerwerk der Michelstädter Kirche durch Moritz Lechler erneuert und der Chor neu eingewölbt.5) Dies dürfte der Anlaß für die Stiftung der Wappenscheiben durch Maria von Wertheim, ihren ältesten Sohn Georg II. und seine Frau Elisabeth sowie den zweitältesten Sohn Eberhard XII. und seine Frau Margareta gewesen sein.6) Marias Mann Eberhard XI. war bereits 1539 gestorben (Nr. 131).