Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 134 Steinbach (Michelstadt), Schloß Fürstenau 1542

Beschreibung

Jahreszahl und Bildbeischriften im sogenannten Graf-Adalbert-Zimmer im ersten Obergeschoß des Roten Turms, der sich an der südöstlichen Ecke des alten Schlosses befindet. Die Jahreszahl (A) ist im Sturz einer Seitentür eingemeißelt. Zwischen der zweiten und der dritten Ziffer ist ein Wappenschild angebracht. Als Trennzeichen dienen Dreiecke. An der Wand links von der Zugangstür zu dem Raum sind noch Reste einer Ausmalung mit der Beischrift (B) in schwarzen Buchstaben auf einem Spruchband zu erkennen. An der Wand rechts von der Tür befindet sich die lebensgroße Darstellung eines Narren. Sein mit weiten Ärmeln versehener Rock ist oben mit Schellen besetzt. Im Gürtel, an dem eine lederne Tasche befestigt ist, steckt eine hölzerne, menschenköpfige Marotte. Über dem Kopf des Narren ist die Inschrift (C) in schwarzen Buchstaben auf ein Spruchband gemalt. Einige Buchstaben weisen Beschädigungen auf, und das Bild zeigt an verschiedenen Stellen Putzergänzungen und Retuschen. Vor dem Narren ist die Wand mit grünem Rankenwerk verziert. Auf der Wand, die der Zugangstür gegenüberliegt, sind zwei auf allen Vieren kauernde Männer dargestellt, die jeweils kleine Holzstöcke in ihren Mündern halten, auf die sie beißen. Um ihre Hälse liegt ein Seil, das sie miteinander verbindet. Zwischen den Männern steht ein Topf, aus dem Flammen zu dem gespannten Seil emporzüngeln. Darüber ist die Inschrift (D) angebracht, welche die Szene erklärt. Die ersten beiden Buchstaben sind in roter, die übrigen in schwarzer Farbe aufgemalt. Die Darstellung wird von grünem Rankenwerk gerahmt, das auch die übrigen Wände schmückt.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Sebastian Scholz) [1/5]

  1. A

    · 15//42 ·

  2. B

    [– – –]en stan ·

  3. C

    Will/kom li[b]e / fetter

  4. D

    Strreb kaz

Wappen:
Erbach.

Kommentar

Die Inschriften sind in einer entwickelten gotischen Minuskel ausgeführt worden, die zu dem in der Inschrift (A) genannten Jahr 1542 paßt. Allerdings scheinen die Buchstaben zu unbekannter Zeit zumindest zum Teil nachgezogen worden zu sein. Das wird vor allem in Inschrift (C) deutlich, in der bei den Wörtern kom libe der obere Teil der Schäfte überputzt worden ist. Das e wurde jedoch ergänzt. Bei fetter sind zumindest die unteren Teile der Schäfte von fet ergänzt worden. Dabei wurde der Schaft des f mit einem leichten Linksschwung unter die Grundlinie gezogen, statt ihn mit einer Brechung auf der Linie enden zu lassen.

Laut der Jahreszahl (A) wurde der Raum 1542 unter Graf Georg II. ausgestaltet.1) Sein Ausmalungsprogramm ist sicher nicht alltäglich. Der lebensgroße Narr scheint jeden, der das Zimmer betritt, als Seinesgleichen willkommen zu heißen. Da die Malerei auf der gegenüberliegenden Wand bis auf kleine Reste verloren gegangen ist, läßt sich nicht mehr erkennen, ob sie ebenfalls auf den Eintretenden oder möglicherweise auf den Narren Bezug nahm. Auch die drastische Darstellung des „Strebekatze“ oder auch „Katzenstrebel“ genannten Spieles, bei dem man wie beim Tauziehen den Gegner so nah wie möglich an sich und damit hier an das Feuer heranziehen mußte, gibt dem Raum die Note einer gewissen Ausgelassenheit. Leider ist nicht bekannt, welchem Zweck der Raum damals diente.

Anmerkungen

  1. Vgl. Krebs 56; zu Georg II. vgl. Nr. 160.

Nachweise

  1. Krebs, Schloß Fürstenau 56 mit Abb. II/29 – II/29 b (A/D).

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 134 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0013408.