Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 77 Ober-Mossau (Mossautal), Evangelische Kirche 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Bildbeischriften zu Wandmalereien im Chor der Kirche. Die Wandmalereien wurden 1854 übertüncht1) und zwischen 1910 und 1913 von dem Kirchenmaler Hermann Velte im Auftrag der Denkmalpflege wieder freigelegt.2) Dabei wurden die Evangelistensymbole aufgefrischt und die übrigen Wandmalereien gefestigt. Die Evangelistensymbole sind in den vier Gewölbekappen des Chores dargestellt. Im Norden befindet sich der Engel des Matthäus, im Süden der Löwe des Markus (A), im Westen der Stier des Lukas (B) und im Osten der Adler des Johannes (C). Die Symbole halten jeweils ein Spruchband mit der Namensinschrift, die bei Matthäus allerdings völlig und bei Lukas fast ganz verblaßt ist. Der Hintergrund ist mit kleinen roten sechsstrahligen Sternen bemalt. In der Laibung des Fensters im Chorabschluß sind die Kreuzigung und die Auferstehung Christi dargestellt. Links von der Auferstehungsdarstellung ist ein Schriftband zu sehen, auf dem nur noch minimale Spuren von Buchstaben zu erkennen sind, die nicht mehr gedeutet werden können. Die freien Flächen sind wie bei den Evangelistensymbolen mit roten, sechsstrahligen Sternen gefüllt. Auf der Südwand befinden sich drei Szenen nebeneinander. Die Szene im Osten zeigt einen bärtigen alten Mann, eine Frau sowie einen Priester, die an einem Altar stehen. Man könnte hier die Darbringung Jesu im Tempel vermuten, doch ist das Kind nirgends zu erkennen. In der Mitte ist die Heimsuchung Mariens zu sehen. Maria, um die sich ein Schriftband mit der Inschrift (D) zieht, steht links von Elisabeth, die ebenfalls von einem Schriftband (E) gerahmt wird. Von den Inschriften sind jeweils nur noch wenige Buchstaben lesbar. Ganz rechts ist schließlich die Anbetung der Könige zu sehen. Auch hier sind die Personen von Inschriftenbändern umgeben, doch sind die Buchstaben nicht mehr zu entziffern. Den Hintergrund für diese beiden Szenen bildet eine Architektur, über der sich Rankenmalerei befindet. Die leeren Flächen werden auch hier wieder von roten, sechsstrahligen Sternen gefüllt. Alle drei Dekorationselemente fehlen jedoch bei der ersten Szene, die möglicherweise einer anderen Malschicht angehört. Auch am Übergang zum Triumphbogen sind Reste von Schriftbändern zu erkennen, deren Buchstaben aber ebenfalls nicht mehr gedeutet werden können.3)

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Rittereiser) [1/15]

  1. A

    [ma]rcus

  2. B

    san[ctus lucas]

  3. C

    Iohan[ne]s

  4. D

    [– – – mi]hi mag[na – – – e]ius4)

  5. E

    ag[– – –]ria [– – –]spo(n)s[– – –]

Kommentar

Der sehr schlechte Zustand der Wandmalerei läßt weder eine stilistische Untersuchung der Figuren noch eine paläographische Beurteilung der Inschriften zu. Es ist aber klar erkennbar, daß bei den Szenen der „Heimsuchung“ und der „Anbetung der Könige“ die Schriftbänder, von denen die Personen umgeben werden, als wesentliche, bildstrukturierende Elemente eingesetzt wurden. Dies spricht in Verbindung mit der Architekturrahmung, den Sternen sowie der Rankenmalerei für eine Entstehung der Malereien zwischen 1450 und 1500. Dies gilt auch für die Evangelistensymbole5) und die Darstellungen in der Fensterlaibung.

Anmerkungen

  1. Schaefer, Kdm. 210; Spuren der Johanniter 140.
  2. Jahresbericht der Denkmalpflege III 113.
  3. Die Identifizierung der Szenen auf der Südwand sowie Hinweise zu ihrer Datierung verdanke ich der freundlichen Hilfe von Susanne Kern, Bodenheim/Rhein.
  4. Lk 1,49: „Quia fecit mihi magna qui potens est et sanctum nomen eius“.
  5. Teubner/Bonin, Kulturdenkmäler 562 erwähnen nur die Malereien in den Gewölbekappen, die sie ohne nähere Begründung in das 15. Jahrhundert datieren.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 77 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0007700.