Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 73(†) Erbach, Schloß, aus Beerfelden, Evangelische Kirche 1500

Beschreibung

Namen als Stifterinschriften auf zwei Wappenscheiben. Die kreisrunden Scheiben wurden vermutlich 1804 aus einem Fenster der Beerfeldener Kirche ausgebaut und in das Erbacher Schloß verbracht,1) wo sie 1805 zusammen mit sechs Wappenscheiben aus der Michelstädter Stadtkirche als Kopfscheiben in ein zweibahniges Fenster auf der Westseite (Hofseite) des Rittersaals im Erbacher Schloß eingebaut wurden.2) Auf der linken Scheibe (Erbach) steht das Wappen auf blauem Rankengrund und ist von einer gelben Bordüre eingeschlossen. Auf der rechten Scheibe (Werdenberg) steht das Wappen auf gelbem Rankengrund und ist von einer blauen Bordüre eingeschlossen. Die Inschriften laufen jeweils in schwarzen Buchstaben auf farblosem Glas um. Die bei der Restaurierung vorgenommenen Ergänzungen sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Rittereiser) [1/3]

  1. A

    [Erasmus Schenk · Herr · zu Erpach und Bick]enbach ·

  2. B

    [Anno dominy Md · Elysabet grevin · von · werdenberg syn ehlig hauszfrauw ·]

Wappen:
Erbach-Bickenbach3)Werdenberg.

Kommentar

Nach Morneweg stammen die beiden Scheiben aus dem Chor der Stadtkirche Michelstadt,4) doch fehlen dafür eindeutige Belege. Viel wahrscheinlicher ist die Herkunft der beiden Scheiben aus der Beerfeldener Kirche, da laut dem Bericht der gräflich vormundschaftlichen Regierung vom 24. September 1804 Glasscheiben, die „zwey herrschaftliche Wappen und einen Christum am Kreuze“ zeigten, aus der Beerfeldener Kirche an den Grafen von Erbach-Erbach abgegeben wurden.5) Die Identifizierung der in dieser Quelle genannten Scheiben mit den heute im Erbacher Schloß befindlichen Scheiben wird dadurch gestützt, daß unter dem Patronat des Erasmus Schenk von Erbach die Beerfeldener Kirche im Jahr 1500 neu errichtet wurde,6) wozu die Verewigung des Patronatsherrn und seiner Frau durch entsprechende Wappenscheiben sehr gut paßt.

Laut Morneweg gelangten nur „letzte Reste“ der beiden Scheiben in die gräfliche Sammlung,7) und das Aquarell von Johann Wilhelm Wendt im Erbacher Katalog von 1805 gibt die beiden Scheiben ohne Inschriften wieder.8) Morneweg erwähnt zwar für die Rundscheiben keine Restaurierung wie für die sechs Wappenscheiben aus der Michelstädter Stadtkirche von 1543 (Nr. 137), doch ist nach der eingehenden Untersuchung der Rundscheiben sicher, daß die zerbrochenen Wappen wieder zusammengesetzt und an einigen Stellen ergänzt und die Inschriften fast vollständig erneuert wurden.9) Letztere könnten also das Ergebnis einer neu gestaltenden Restaurierung sein, doch spricht dagegen der Text von (B). Die Formulierung syn ehlig hauszfrauw paßt ohne weiteres in die Zeit um 1500.10) Eine wörtliche Vorlage, etwa in Form der Grabinschrift Elisabeths, stand in Erbach aber nicht zur Verfügung, und die Erfindung eines entsprechenden Textes ist eher unwahrscheinlich.

Die Erneuerung der Scheiben macht sich auch in den Schriftformen bemerkbar. Die Scheibe für Erasmus enthält fünf ausgeprägte Frakturversalien, deren Entstehung im Jahr 1500 ausgeschlossen ist.11) Die Inschrift für Elisabeth von Werdenberg besitzt hingegen nur drei Versalien, von denen lediglich das E in Elysabet aus der Fraktur stammt, während A und M aus der gotischen Majuskel abgeleitet sind. Die Verwendung des durch einen Abschlußstrich geschlossenen symmetrischen unzialen M ist nicht ungewöhnlich, da sich diese Form in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch in mehreren anderen Inschriften in Michelstadt und Erbach nachweisen läßt.12) Hier sind der Buchstabe sowie der Abschlußstrich jedoch ungewöhnlich breit geformt.

Bei der Minuskel sind die Stilbrüche innerhalb der Inschrift für Elisabeth besonders auffällig. So kommt in hauszfrauw neben dem üblichen zweistöckigen a ein einstöckiges a mit geschwungenem senkrechtem Teil des gebrochenen Bogens vor. Auch die breiten, mit ausschwingendem unterem Bogen gebildeten g in grevin und ehlig bilden Fremdkörper. Bei der Inschrift für Erasmus drängt sich der Eindruck auf, daß sie nach dem Vorbild der Michelstädter Wappenscheiben von 1543 erneuert wurde. Damit ließe sich die Verwendung von Frakturversalien erklären. Ob der Text original ist, läßt sich nicht mehr sicher feststellen.

Erasmus war ein Sohn Philipps II. Schenk von Erbach und der Margarete von Hohenlohe. Er konnte 1488 einen großen Teil der Herrschaft Bickenbach erwerben und führte seitdem den Titel „Herr zu Erbach und Bickenbach“ sowie einen quadrierten Schild mit den Wappenbildern Erbach und Bickenbach.13) Erasmus starb 1503 und wurde im Kloster Schönau bestattet. Mit ihm erlosch die Erbacher Linie der Schenken von Erbach.14) Seine Frau Elisabeth von Werdenberg, die er 1485 geheiratet hatte, war eine Tochter Graf Georgs II. von Werdenberg und der Katharina von Baden. Sie heiratete 1504 in zweiter Ehe Philipp I. Echter von Mespelbrunn. Elisabeth starb 1536 und wurde in Hessenthal (Lkr. Aschaffenburg) bestattet.15)

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu den Kommentar.
  2. Katalog Nr. 1, 383 (Nota); Morneweg, Haus Erbach Nr. 140, Anm.★★★; vgl. dazu ausführlich Nr. 137.
  3. Quadriert: 1/4. Bickenbach, 2/3. Erbach.
  4. Morneweg, Haus Erbach Nr. 140, vor Anm.★★.
  5. Steinbach, Gräflich Erbach-Fürstenauisches Archiv, Tit. II, Vol. 84, Fasz. I, Nr. 15; die Kenntnis der Quelle verdanke ich dem freundlichen Hinweis von Herrn Dr. Uwe Gast vom Corpus Vitrearum Medii Aevi, Freiburg; zu dem Fenster mit der Christusdarstellung und dem Streit über die Abgabe der Fenster vgl. Nr. 87.
  6. Vgl. die vorangehende Nr.
  7. Morneweg, Haus Erbach Nr. 140, bei Anm.; zur Einrichtung des Rittersaals und dem Vorhaben des Grafen Franz von Erbach (1754 – 1832), durch die Sammlung die von Zerstörung bedrohten mittelalterlichen Altertümer zu bewahren und den Sinn für die gotische Kunst wiederzubeleben, vgl. Hess, Modespiel 227 f., 230 f. und 234 – 236.
  8. Vgl. Katalog Nr. 1, Anhang und die Abb. bei Hess, Modespiel 235. Der Katalog selbst nennt zwar (383) bei allen Scheiben die Namen der Wappenführer, um die Scheiben zu dokumentieren, doch hält sich der Eintrag bei den sechs Scheiben von 1543 nicht an den genauen Wortlaut der Inschriften. Von hier kann also nicht auf das Vorhandensein von Inschriften auf den Rundscheiben geschlossen werden.
  9. Herrn Dr. Uwe Gast vom Corpus Vitrearum Medii Aevi, Freiburg, danke ich für seine fachmännische Untersuchung der Scheiben.
  10. Vgl. ähnliche Formulierungen in Nr. 61 und Nr. 84.
  11. Zur Entwicklung der Fraktur vgl. Einleitung Kap. 5. 4.
  12. Vgl. etwa Nrr. 53, 61, 65, 69.
  13. Simon, Geschichte 170 f.; zu der Titulatur und dem Wappen vgl. Nr. 68.
  14. Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 2; vgl. auch Simon, Geschichte 337 f.; zu seiner Grabinschrift vgl. DI 12 (Heidelberg) Nr. 184.
  15. Europ. Stammtafeln NF XII, Taf. 51.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 73(†) (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0007304.