Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 60† Michelstadt, Großherzogliche Realschule, aus Unterem Tor 1486

Beschreibung

Gußjahr und Heiligenanrufung auf einer Glocke. Die kleine Bronzeglocke befand sich auf dem Unteren Tor, dem Stadttor im Bereich Große Gasse, das 1838 abgerissen wurde.1) Danach war sie „im Gewahrsam“ der Großherzoglichen Realschule in Michelstadt. Ob sie dort nur verwahrt oder ob sie auch benutzt wurde, geht aus den Angaben des handschriftlichen Vermerks, der dem offiziellen Erfassungsbogen für die Glockenabgabe von 1917 anghängt ist, nicht hervor. In dem Vermerk wird die Erhaltung der Glocke gefordert, doch scheint dieser Forderung nicht entsprochen worden zu sein. Der Text der Glocke ist in zwei handschriftlichen Vermerken zu dem Erfassungsbogen festgehalten, von denen der eine (S. 206) den Wortlaut ausdrücklich nach Autopsie mitteilt sowie Angaben zu den Maßen und zu der Schrift macht.

Nach Glockenerfassungsbogen 206.

Maße: Dm. 34, H. 27 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. anno · d(omi)ni · m · cccc · lxxxvia) · s(ankt) · mertensb) · hilf ·

Kommentar

Für welche Kirche die Glocke 1486 gegossen und wann sie auf das Untere Tor verbracht wurde, ist unbekannt. Ein Martinspatrozinium weist in der Region um Michelstadt nur die Kirche von Beerfelden auf,2) doch gibt es keinen Hinweis auf die Abgabe einer Beerfeldener Glocke nach Michelstadt. Zudem ist ein Zusammenhang zwischen der Heiligenanrufung auf Glocken und den jeweiligen Kirchen- und Altarpatrozinien keineswegs zwingend erforderlich.3)

Textkritischer Apparat

  1. lxxxiii Glockenerfassungsbogen 207.
  2. So für Martinus.

Anmerkungen

  1. Zum „Unteren Tor“ vgl. Teubner/Bonin, Kulturdenkmäler 433 mit Abb.
  2. Demandt, Kirchenorganisation 94; zwar hat sich an der Westwand des südlichen Seitenschiffs der Michelstädter Stadtkirche ein Bild des heiligen Martin mit der Jahreszahl 1497 erhalten (Nr. 62, IV), ein zugehöriger Altar läßt sich aber nicht belegen.
  3. So nennt die Inschrift auf der ältesten Glocke der Maria geweihten Wallfahrtskapelle in Dieburg die vier Evangelistennamen, und die Inschrift der Seeheimer Glocke von 1483 nennt Maria, obwohl sich kein Marienpatrozinium für die Kirche nachweisen läßt, vgl. DI 49 (Darmstadt, Lkr. Darmstadt-Dieburg u. Groß-Gerau) Nr. 18 und Nr. 82.

Nachweise

  1. HStAD G 15 Erbach Nr. K 865, 206 f.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 60† (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0006009.