Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 35 Michelstadt, Burg (Kellerei), Lapidarium, aus Stadtkirche 1453, 1489, 1505

Beschreibung

Grabplatte für Clas Leinenweber, seine Frau Anna sowie die später verstorbenen Else und Hans Leinenweber. Die Platte aus rotem Sandstein wurde 1989 im Boden außen vor der Nordwand der Michelstädter Stadtkirche gefunden und wird heute im Lapidarium des Odenwaldmuseums Michelstadt verwahrt. Bei der Bergung zerbrach die Platte in zwei Hälften. In der oberen Hälfte des Feldes findet sich ein metallener Wappenschild. Inschrift (A) läuft auf dem Rand zwischen Linien um, Inschrift (B) befindet sich in erhabener Schrift auf einer Metalltafel im unteren Teil des Feldes, und Inschrift (C) ist darüber auf einer weiteren Metalltafel ebenfalls in erhabener Schrift angebracht. Als Worttrenner dienen in (A) Quadrangel mit paragraphzeichenförmig ausgezogenen Zierstrichen und in (B) einfache Quadrangel.

Maße: H. 192, B. 90, Bu. 8 (A), 5 (B, C) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    + Anno · d(omi)ni · Mo + / cccco · xlviiio · ob(iit) · Clas · lyne(n)wober · In · die · pe(n)thec(ostes) / et · anno · Mo · cccco · liiio · / Ob(iit) · anna · ei(us) · (con)thoral(is) · q(u)or(um)a) · a(n)i(m)e · req(uiescant) · i(n) · pace ·

  2. B

    Anno · do(min)i · m · cccc · lxxxixo · am · / xvii · dag · des · Meyes · O(biit) · Elsz / woberin · der · seel · got · gnad ·

  3. C

    Anno d(omi)ni Mo ccccco vto · die xvi / marcii O(biit) honest(us) vir hans / Lynenweber ciuis h(uius) oppidi / C(uius) a(n)i(m)a req(ui)escat In pace ame(n)

Übersetzung:

(A) Im Jahre des Herrn 1448, am Pfingsttag (12. Mai) starb Clas Leinenweber, und im Jahr 1453 starb Anna, seine Ehefrau. Ihre Seelen mögen in Frieden ruhen. – (C) Im Jahre des Herrn 1505, am 16. Tag des März starb der ehrenhafte Mann Hans Leinenweber, Bürger dieser Stadt, dessen Seele in Frieden ruhen möge, Amen.

Wappen:
Leinenweber1).

Kommentar

In Inschrift (A) entstammen das versale A und das versale I der gotischen Majuskel, während die übrigen Großbuchstaben zu den Versalien der gotischen Minuskel gehören. Bei den Minuskeln sind die kaum ausgeprägten Oberlängen von b, h, und l sowie die Unterlänge des p mit Schaftspaltung gebildet. Der einheitliche Schriftduktus spricht dafür, daß die ganze Inschrift in einem Zuge nach dem Tode Annas 1453 gefertigt wurde. Auffällig ist allerdings das Fehlen ihres Todestages, der für die Anniversarfeiern von grundlegender Bedeutung war.

In der Inschrift (B) fällt unter den zu den Versalien der gotischen Minuskel gehörenden Buchstaben E, M und O das M durch seine Verzierungen auf. In Inschrift (C) entstammen A und I der gotischen Majuskel, während die übrigen Versalien wiederum der gotischen Minuskel entnommen sind. Der linke Schaft des M ist einseitig gezackt, und das L ist mit einer Zackenleiste versehen. Bei den Minuskeln sind die Schäfte von b und h oben gespalten. Beide Tafeln dürften jeweils unmittelbar nach dem Tode der Else und des Hans Leinenweber auf der Grabplatte angebracht worden sein.

Während es sich bei dem 1505 verstorbenen Hans Leinenweber mit ziemlicher Sicherheit um einen Sohn von Clas und Anna Leinenweber handelt, könnte die 1489 verstorbene Else entweder eine Tochter des Ehepaars oder die Ehefrau des Hans Leinenweber sein.

Textkritischer Apparat

  1. o klein und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Ein waagerecht gelegtes Weberschiffchen, oben links begleitet von einem fünfstrahligen Stern; das Wappen wurde wohl erst 1505 zusammen mit der Inschrift (C) angebracht.

Nachweise

  1. Nikitsch, Michelstadt 123, Nr. 66 mit 157 Abb. Taf. 30.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 35 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0003500.