Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 25 Michelstadt, Evangelische Stadtkirche 1387

Beschreibung

Grabplatte Heinrichs I. Schenk von Erbach. Die Platte aus rotem Sandstein war für ein Grab vor dem Liebfrauenaltar bestimmt, der vor dem Chor stand.1) Später wurde das Denkmal am Triumphbogen neben der Kanzel aufgestellt,2) und heute steht es innen an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs. Im Feld befindet sich unter einer nischenförmig eingetieften Kielbogenarkade die reliefierte Figur des auf einem Löwen stehenden Verstorbenen in voller Rüstung. Die rechte Hand liegt an der Helmzier des neben der Figur angebrachten Vollwappens, die Linke liegt am Schwert. Seitlich des nur geritzten Bogenrückens, dessen Kreuzblume in die obere Schriftleiste hineinragt, zeigen zwei weitere kleine Nischenreliefs die Verkündigung an Maria. In den Ecken der Platte befinden sich die vier Evangelistensymbole: oben links der Engel des Matthäus, oben rechts der Adler des Johannes, unten rechts der Stier des Lukas und unten links der Löwe des Markus. Die auf dem Rand zwischen Linien angebrachte Grabinschrift beginnt links oben und endet in der Mitte der unteren Leiste. Die linke Leiste ist unbeschriftet. Als Worttrenner dienen Quadrangel.

Maße: H. 230, B. 90, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. + anno · d(omi)ni // · millesimo · / · cococo · lxxx · vii · obiit · nobilis · d(omi)n(u)s · heinricus · pi[n]cerna · de · erpach · ip(s)ea) · die · iuliane · v · k(a)l(endas) · / · marciib) ·

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1387 starb der edle Herr Heinrich Schenk von Erbach eben am Tag der Juliana (16. Februar), am 5. Tag vor den Kalenden des März (25. Februar).

Wappen:
Erbach.3)

Kommentar

Die Buchstaben der im Vierlinienschema ausgeführten Minuskel stehen unregelmäßig in der Zeile. Das s in millesimo ist als rundes statt wie üblich als langes s ausgeführt worden. Auffällig im Formular ist die doppelte Angabe des Todestages nach dem Heiligenkalender und dem römischen Kalender. Die beiden genannten Tage stimmen jedoch nicht überein, da das Fest der heiligen Juliana am 16. Februar begangen wird, während der fünfte Tag vor den Kalenden des März auf den 25. Februar fällt. Für dieses Datum nennt der Kalender kein Heiligenfest, doch ist die Annahme, man habe ursprünglich nono die post festum iuliane schreiben wollen, nicht schlüssig. Zum einen geht es bei der Datumsangabe in der Regel um die Angabe des Wochentages vor oder nach dem betreffenden Fest oder um die Angabe der Oktav. Zum anderen liegt auf dem 22. Februar das Fest Cathedra Petri, das einen näheren Bezugspunkt gebildet hätte. So bleibt nur die Möglichkeit, daß man sich entweder beim Datum des Julianentages irrte oder sich bei dem nach römischem Kalender angegebenen Datum verrechnete. Der genaue Todestag bleibt damit unsicher. Die Stammtafeln von Morneweg (1908) und Möller (1950) sowie die Europäischen Stammtafeln (1988) nennen den 16. Februar als Todestag,4) doch ist hier zu berücksichtigen, daß die Inschrift erst 1991 von Nikitsch richtig gelesen wurde. Fraglich bleibt zudem, warum die Inschrift bereits auf der unteren Leiste endet und die linke Leiste nicht beschrieben wurde. Dieses Phänomen läßt sich auch bei der Platte für Heinrichs 1375 verstorbene Frau Anna (Nr. 24) beobachten. In ihrer Gestaltung mit den Evangelistensymbolen und der Darstellung der Verkündigung entspricht die Platte für Heinrich der Platte für Konrad Schenk von Erbach genannt Rauch. Beide Platten dürften ebenso wie die Platten für die Ehefrauen Heinrichs und Konrads aus derselben Werkstatt stammen.5)

Heinrich war ein Sohn Eberhards VII. Schenk von Erbach und der Imagina von Sponheim.6) Er bestimmte in seinem Testament, ihn vor dem Liebfrauenaltar der Michelstädter Kirche zu bestatten. Für diesen Altar stiftete er 400 Gulden, damit der zuständige Priester für sein Seelenheil betete. Ebenso stiftete er für den Pfarrer der Michelstädter Kirche 20 Gulden, der sein Jahresgedächtnis mit Vigilien und fünf Messen feiern sollte. Weitere Anniversarstiftungen gingen an das Kloster Steinbach.7)

Textkritischer Apparat

  1. ipso Schneider 12 und 56; ipsa Gabelkover, Schaefer, Schaum-Benedum; ipc Grabdenkmäler 335; die Formel ipso die N.N. ist regelmäßig belegt, vgl. etwa DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nrr. 97, 179, 217; die Schreibung ipse, die sich grammatisch auf Heinrich bezieht, dürfte auf einem Fehler beruhen.
  2. v k(a)l(endas) marcii fehlt bei Gabelkover und Schneider Taf. II,37; festo Johannis Schneider 56; Luck; iuliane v Schaefer 170; johannis Buxbaum Nr. 32; iuliane v kl marcn Schaum-Benedum 193; lal maren Grabdenkmäler 335.

Anmerkungen

  1. Schneider 57 und Urk. Nr. LV, 108 f.
  2. Grabdenkmäler 335.
  3. Im Wappen fehlt die sonst in der Mitte vorhandene waagerechte Teilungslinie.
  4. Morneweg, Stammtafeln, Taf. 1, Nr. 35; Möller, Stammtafeln NF I, Taf. XV; Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 1.
  5. Vgl. zu Konrad Nr. 26; vgl. zu den Frauen Nrr. 23, 24.
  6. Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 1.
  7. Schneider, Urk. Nr. LV, 108; vgl. zu Heinrich auch Simon, Geschichte 322 f.

Nachweise

  1. Gabelkover, HStA Stuttgart J1 Nr. 154/27, Umschlag 556.
  2. Schneider, Historie 56, Nr. 37 und Abb. Taf. II,37.
  3. Luck, Historische Genealogie 12, Nr. 49 (e).
  4. Schaefer, Kdm. 170 mit Abb.
  5. Schaum-Benedum, Figürliche Grabsteine 193.
  6. Grabdenkmäler 335 und 337b mit Abb.
  7. Nikitsch, Michelstadt 112, Nr. 30 mit 138 Abb. Taf. 11.
  8. Steiger, Schenken 71, Nr. 20.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 25 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0002502.