Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 63: Odenwaldkreis (2005)

Nr. 3 Steinbach (Michelstadt), Einhards-Basilika 1. H. 12. Jh.

Beschreibung

Grabinschrift für den Laien Osbirn auf einer trapezförmigen Sarkophagdeckplatte aus rotem Sandstein. Die Platte steht heute innen an der Nordwand. Das Mittelfeld ist erhaben und weist ein schmales eingetieftes Innenfeld auf, in dem in Ritzzeichnung ein Abtsstab dargestellt ist. Die linke Leiste des Mittelfeldes trägt die Inschrift. Der breite, das Feld umgebende Rahmen ist an den Schmalseiten mit einer gewellten Ranke mit eingerollten Blattzweigen und an den Längsseiten mit einem Rhombenfries verziert.1) Der untere Teil der Platte ist abgebrochen, wodurch Textverlust eingetreten ist. Das Fragment der unteren rechten Ecke ist noch erhalten. Als Worttrenner dienen Punkte.

Maße: H. 157, B. 83,5, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. + · VIIII · K(A)L(ENDAS) · SEPT(EMBRIS) · O(BIIT) · OSBIRN · LAI[CVS – – –]a)

Übersetzung:

Am 9. Tag vor den Kalenden des September (24. August) starb der Laie Osbirn ...

Kommentar

Die Inschrift zeigt eine reine Kapitalis ohne runde und unziale Formen. Linksschrägen- und Bogenverstärkungen sind nicht vorhanden, doch zeigt das V eine leichte Rechtsschrägenverstärkung. Die Sporen sind in Form von kleinen Strichen an die Schaft- und Balkenenden gesetzt worden. Das A ist trapezförmig und trägt einen kurzen, nach beiden Seiten überstehenden Deckstrich. Das K zeigt einen ausgeprägten waagerechten Mittelteil, an dem die beiden abgeknickten Schrägschäfte ansetzen. Auffällig ist das N, bei dem das untere Ende des linken Schafts in einer Rundung ausschwingt.

Über den Laien Osbirn, dessen Name im Lorscher Codex nicht verzeichnet ist, fehlt jede Nachricht. Den terminus post quem für die Entstehung der Platte bildet die 1073 unter Abt Udalrich von Lorsch erfolgte Wiederbesiedlung des von Einhard errichteten und schon lange verfallenen Klosters.2) Das verwendete Formular bietet für die Eingrenzung der Datierung keine Hilfe, da es sich von der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts nachweisen läßt.3) Paläographisch vergleichbare Buchstabenformen weist die ebenfalls aus Steinbach stammende Grabplatte des 1119 verstorbenen Lorscher Abtes Benno (Nr. 1) auf. Sie zeigt ein trapezförmiges A, dessen Deckbalken allerdings nicht übersteht, sowie ein K mit ausgeprägtem waagerechten Mittelteil. Zudem sind auch hier die Sporen als kleine angesetzte Striche gebildet. Entsprechende Sporenformen zeigt auch das nicht lange vor 1132 entstandene Juliana-Relief im Wormser Dom.4) Aufgrund der Ähnlichkeit zu der Inschrift für Abt Benno ist die Inschrift für Osbirn vielleicht noch im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts, mit Sicherheit aber in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden. Die Vermutung von Beeh-Lustenberger, die Platte habe ursprünglich nur den Abtstab getragen und die Inschrift sei nachträglich angebracht worden, ist damit hinfällig. Die cella in Steinbach war vor ihrer Wiederbesiedlung durch Lorscher Mönche und ihre Umwandlung zur Propstei 1073 nicht mehr genutzt worden.5) Es gab dort also keine Äbte, die sich entsprechend hätten bestatten lassen können. Der einzige bekannte Abt, der in Steinbach bestattet wurde, war der Lorscher Abt Benno, dessen Grabplatte (Nr. 1) erhalten ist. Zwischen 1173 und 1232 wurde die Propstei jedoch in ein benediktinisches Frauenkloster umgewandelt, an dessen Spitze eine Äbtissin stand.6) Für eine von diesen Äbtissinnen ist die Platte offensichtlich in Zweitverwendung genutzt worden.

Textkritischer Apparat

  1. Die Ergänzung LAI[CVS ABBAS] bei Beeh-Lustenberger ist unhaltbar, da es im 11. und 12. Jahrhundert keine Laienäbte mehr gab.

Anmerkungen

  1. Die Gestaltung der Ranke, die frei zu schweben scheint, ist ungewöhnlich und die Zeit ihrer Ausführung ungeklärt.
  2. Codex Laureshamensis I, cap. 123 b, 391.
  3. Vgl. Nr. 1 sowie Hessen und Thüringen 116 f., Nr. 111 mit Abb.; DI 29 (Worms) Nr. 38 mit Abb. 15; DI 27 (Würzburg) Nr. 6 mit Abb. 5, Nr. 8 und Nr. 13; DI 50 (Bonn) Nrr. 2, 4, 9, 10, 16; DI 58 (Hildesheim) Nr. 8 mit Abb. 21 und Nr. 23; vgl. auch die zahlreichen Belege bei Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nrr. 58 f., 61 – 66, 68, 70 – 72, 76 f., 79 – 86, 96, 101 – 109, 112, 117.
  4. DI 29 (Worms) Nr. 18 mit Abb. 7; ein vergleichbares trapezförmiges A sowie einen insgesamt ähnlichen Schriftduktus und entsprechende Sporen zeigt auch ein undatiertes Grabplattenfragment aus Göppingen, das allerdings in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert wird, vgl. DI 41 (Lkr. Göppingen) Nr. 3 mit Abb. 6.
  5. Codex Laureshamensis I, cap. 123 b, 391.
  6. Kleberger, Territorialgeschichte 50.

Nachweise

  1. Beeh-Lustenberger, Grabdenkmäler 272, Nr. I,1 mit Abb. Taf. 121.

Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 3 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0000308.