Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 56 Simeonsstr. 19 1473

Beschreibung

Grabplatte der Familie von Leteln. Sandstein. Die hochrechteckige, oben beidseitig an den Ecken abgeschrägte Platte, die seit 1996 im Innenhof des Hauses Simeonsstr. 19 aufgestellt ist, stand zuvor – im unteren Drittel in den Erdboden versenkt – auf dem Grundstück Rodenbecker Str. 11/Schwichowall, wo sie bei Bauarbeiten gefunden wurde. Sie ist offenbar für Bauzwecke auf der linken Seite behauen worden, so daß die umlaufende Inschriftenleiste hier fehlt. Um den Stein verlaufen dreizeilig und durch Linien voneinander getrennt eingehauene Inschriften (A–C), die stark abgetreten sind. Die Inschriften beginnen in den beiden äußeren Zeilen an der oberen linken Ecke, in der inneren Zeile an der oberen Schräge. Im Innenfeld noch Reste von Linien, die darauf hindeuten könnten, daß sich hier früher ein in Ritzzeichnung dargestellter Wappenschild befunden hat.

Maße: H.: 175 cm; B.: 88 cm; Bu.: 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Sabine Wehking [1/5]

  1. A

    Anno d(omi)ni M / ccc xiv ip/(s)o die bea[..........] virg(in)is o(biit) iohan van / deme stene hic sepult[ . . . / . . . / . . . ]

  2. B

    Anno d(omi)ni m / cccc xxx / octava ep[..........] uxor alberti de letele(n) / p(ro)co(n)sul(i) s(ena)t(oris) mi(ndensis)a) val[ . . . / . . . ]s

  3. C

    [Anno domini m] cccc / lxxiii asce(n)sio(n)is1) / joha[.......] p(ro)(con)sul et s(ena)t(or) mi(ndensis)a) / vita(m) deruet [ . . . / . . . ]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1314(?) genau am Tag der seligen Jungfrau ... starb Johann van dem Stene, der hier begraben ist ... (A)

Im Jahr des Herrn 1430 in der Oktav ... die Ehefrau des Mindener Bürgermeisters (und) Ratsherrn Albert von Leteln ... (B)

Im Jahr der Herrn 1473 am Himmelfahrtstag hat Johann ... Mindener Bürgermeister und Ratsherr das Leben abgeworfen ... (C)

Kommentar

Die Lesung der Jahreszahl 1314 in der äußeren Zeile ist zweifelsfrei; es muß aber erwogen werden, ob hier bei der Ausführung der Inschrift nicht ein c vergessen wurde, da das Sterbedatum um mehr als hundert Jahre von dem nächstgenannten differiert. Auf der anderen Seite ist es auch nicht auszuschließen, daß diese Grabschrift von einem älteren Inschriftenträger übernommen worden ist, den die Grabplatte von 1473 ersetzte.

Albert von Leteln ist seit 1372 als Mindener Ratsherr und seit 1385 als Bürgermeister nachzu-weisen2) und war in dieser Funktion in die Vorgänge der ‚Mindener Schicht’ in den Jahren 1405 bis 1408 verwickelt.3) Im Jahr 1421 war er zusammen mit seinen drei Söhnen aus der Stadt verwiesen.4) Der Name der Ehefrau des Albert von Leteln, die laut ihrer Grabschrift im Jahr 1430 verstarb, geht aus der urkundlichen Überlieferung nicht hervor. Es ist anzunehmen, daß diese die Großmutter des Domherrn Albert von Leteln war, der dem Mindener Dom eine Chormantelschließe stiftete (vgl. Nr. 59). In welcher Beziehung sie zu dem in der äußeren Inschrift genannten Johann van dem Stene stand, läßt sich nicht ermitteln, da dieser in den Quellen nicht nachgewiesen werden kann. Der in der inneren Inschrift genannte, 1473 verstorbene Johann war aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Enkel Johann von Leteln, ein Bruder des Domherrn Albert von Leteln. Johann von Leteln ist in den Quellen seit 1430 mehrfach nachweisbar, zuletzt in einer Urkunde von 1472.5) In den Jahren 1469 bis 1471 amtierte er als Bürgermeister.6) Daß die Grabplatte ausgerechnet im Innenhof des Hauses Simeonsstr. 19 (vgl. a. Nr. 199), das im Spätmittelalter im Besitz der Familie von Leteln war und deren Wappenstein in der Fassade trägt,7) ihre heutige Aufstellung gefunden hat, beruht auf einem glücklichen Zufall, da die Verbringung des Steins dorthin beschlossen wurde, bevor der im unteren Teil der Grabplatte befindliche Familienname identifiziert werden konnte.

Textkritischer Apparat

  1. Die Lesung und Auflösung der Abkürzungen st und mi ist unsicher.

Anmerkungen

  1. 27. Mai.
  2. Vgl. Monika M. Schulte, Macht auf Zeit. (Beiträge und Quellen zur Stadtgeschichte Niederdeutschlands 4, in Vorbereitung).
  3. Vgl. die bei Schroeder, Stadtrecht, S. 218–256, gedruckten Quellen, in denen der Bürgermeister mehrfach als Protagonist genannt ist.
  4. Ebd., S. 263, Nr. 122.
  5. KAM, Stadt Minden A I, Nr. 293 (Erstbeleg), A I, Nr. 391 (letzter Beleg). In der Urkunde A II, Nr. 101 ist Johann als Bruder des Domherrn Albert genannt.
  6. Vgl. Schulte (wie Anm. 2). Im Jahr 1471 ist er in der Urkunde KAM, Stadt Minden A III, Nr. 130 als Bürgermeister bezeichnet.
  7. Vgl. dazu Nordsiek, Simeonsstraße, S. 22–24.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 56 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0005601.