Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 26 Dom 1. H. 14. Jh.

Beschreibung

Wandmalerei am südwestlichen Vierungspfeiler. Der obere Teil der Wandmalerei wurde 1938 aufgedeckt, der untere Teil, der durch den Schorlemer-Altar (Nr. 160) verdeckt war, wurde erst beim Wiederaufbau des Domes nach 1945 gefunden.1) Im Jahr 1957 ist die Wandmalerei einer grundlegenden Restaurierung unterzogen worden. Sie zeigt im unteren Teil zwei Reihen von je vier Heiligenfiguren. Die Figuren stehen unter Arkaden und sind durch Säulen voneinander getrennt. Die Säulen der unteren Reihe tragen krabbenbesetzte Giebel, die der oberen Reihe Kleeblattbögen. Alle Figuren waren durch Attribute sowie durch Namensbeischriften bezeichnet. Es lassen sich jedoch nur noch die Beischriften der unteren Heiligenfiguren erkennen (A); sie stehen auf einem Band, das die obere von der unteren Reihe trennt. In der unteren Reihe: Nikolaus im Bischofsornat mit Stab, Katharina mit Rad, Bartholomäus mit Messer und Franziskus mit Wundmalen; in der oberen Reihe: Johannes Baptista mit Spruchband (B), Petrus mit Schlüssel, Gorgonius in Rüstung mit Lanze und Schild, sowie eine weibliche Heilige in rotem Kleid und grünem Mantel, vermutlich Anna, deren Attribut sich nicht identifizieren läßt. Über den Heiligenfiguren eine große gemalte Inschriftentafel (C) mit einer in zwei Spalten angeordneten Inschrift, darüber eine bis zum Gewölbeansatz reichende Darstellung der Madonna mit Kind, das seine Hand zum Segensgestus erhoben hat. Die gemalte Inschriftentafel weist starke Beschädigungen auf. Hier sind zur Befestigung des Schorlemer-Altars Löcher in die Wand geschlagen worden, die heute zugeputzt sind. Die linke Seite der linken Spalte und die rechte Seite der rechten Spalte sind völlig zerstört, ebenso die oberen Zeilen der vermutlich elfzeiligen Inschrift. In den erhaltenen Teilen lassen sich zwar noch Zeilenverläufe sowie Hasten und Bögen der Buchstaben erkennen, aufgrund der stark abgeriebenen Farbe sind jedoch nur noch wenige Einzelbuchstaben sicher zu lesen.

Maße: B.: 155 cm; H.: 57 cm (Schrifttafel); Bu.: 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A, B), gotische Minuskel (C).

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen [1/1]

  1. A

    SANCTVS NICOLAVS SANCTA CATERINA SANCTVS BARTHOLOMEVS SANCTVS FRANCISCVS

  2. B

    ECCE AGNVS DEI2)

  3. C
    [ . . . ] [ . . . ] 
    [ . . . ] [ . . . ]sa[ . . . ] 
    [ . . . ] [...]ers[ . . . ] 
    [ . . . ]o b[...]e[ . . . ] 
    [ . . . ]ea[....] [ . . . ] 
    [ . . . ]cli [ . . . ] 
    [ . . . ]me [ . . . ] 
    [ . . . ]o  [ . . . ] 
    [ . . . ]q(ue) clare [.....]p[ . . . ] 
    [ . . . ] [..] gregs v[ . . . ] 
    [ . . . ]be[...] [...]pt[ . . . ] 

Übersetzung:

Siehe, das Lamm Gottes. (B)

Kommentar

Aus kunsthistorischer Sicht wird die Wandmalerei in die Zeit um 1290 datiert und damit in Zusammenhang mit der Weihe des Langhauses gebracht.3) Gegen eine solche Datierung spricht jedoch die in gotischer Minuskel ausgeführte Inschrift C, die aller Wahrscheinlichkeit nach zum ursprünglichen Konzept der Wandmalerei gehörte und nicht erst später nachgetragen worden ist. Auch wenn eine gemalte Inschrift anderen Bedingungen unterliegt als eine Ausführung in Stein oder Metall, kann man mit dem Auftreten einer gotischen Minuskel nicht vor der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit erst im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts rechnen. Über den Inhalt der Inschrift C lassen sich aufgrund des schlechten Erhaltungszustands keine Angaben machen; das sicher zu lesende q mit Kürzungszeichen deutet darauf hin, daß die Inschrift in lateinischer Sprache abgefaßt war. Die Wandmalereien standen möglicherweise in Verbindung mit dem im Jahr 1307 von einigen Mindener Bürgern gestifteten Heilig-Geist-Altar4), der sich am südwestlichen Vierungspfeiler befand und 1622 von Johannes Schorlemer wiedererrichtet wurde (vgl. Nr. 160). Gelderblom5) hat bereits darauf hingewiesen, daß die Anordnung der Heiligenfiguren in Architekturnischen dem Aufbau von Altarretabeln entspricht.

Anmerkungen

  1. Gelderblom, Grabungen, S. 43.
  2. Io. 1,36.
  3. Kluge, Wandmalerei, S. 234; Kessemeier/Luckhardt, Dom und Domschatz, S. 14. Eigenartigerweise findet die gemalte Schrifttafel weder bei Kluge noch bei Kessemeier/Luckhardt Erwähnung; Kluge spricht lediglich von einem Zwischenraum zwischen der oberen und der unteren Darstellung.
  4. WUB 10, Nr. 217.
  5. Gelderblom, Grabungen, S. 44.

Nachweise

  1. Kluge, Wandmalerei, S. 232 (nur A).
  2. Kat. Kunst und Kultur, Bd. 2, Nr. 554, S. 715f. (nur A); Abb. Bd. 1, Nr. 58.
  3. Kessemeier/Luckhardt, Dom und Domschatz, S. 14 (nur B), Abb. S. 34.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 26 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0002603.