Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 199 Simeonsstr. 19 1. H. 17. Jh.

Beschreibung

Deckenmalerei im heutigen ‚Kleinen Saal’. Die Holzdecke, die bei der grundlegenden Erneuerung des Hauses zu Beginn der 90er Jahre entdeckt und freigelegt wurde, ist aus Brettern und die Decke tragenden Querbalken zusammengesetzt. Die Querbalken waren ebenso wie die Bretter bemalt; von ihrer Bemalung haben sich jedoch nur noch wenige Reste erhalten, die heute auf Putz aufgebracht sind. Auf den Brettern befinden sich in sechs durch die Querbalken unterteilten langen Feldern je zwei Darstellungen von Sternkreiszeichen, die jeweils mit einer Beischrift versehen sind. Die Darstellungen beginnen in dem letzten Feld auf der Fensterseite rechts, setzen sich über die nächsten fünf Felder bis zur Wandseite fort und verlaufen dann über die linke Seite zur Fensterfront hin: Wassermann (A), Fische (B), Widder (C), Stier (D), Zwillinge (E), Krebs (F), Löwe (G), Jungfrau (H), Waage (I), Skorpion (J), Schütze (K), Steinbock (L). Die Leserichtung der Inschriften orientiert sich zur Mitte des Zimmers hin. In dem letzten Feld auf der Wandseite links und rechts je eine von einem Medaillon umgebene Inschrift (M, N). Die Querbalken trugen ursprünglich sowohl zur Fensterfront als auch zur Wandseite hin je zwei Inschriften, bei denen es sich um gereimte Zweizeiler handelte. Von den Inschriften der ersten beiden Querbalken auf der Fensterseite sind jeweils noch die ersten Zeilen erhalten (Balken über dem Fenster O, P; zweiter Balken, Fensterseite Q, R, Wandseite S, T). Auf den übrigen Balken sind nur noch geringe Bruchstücke der Inschriften vorhanden (dritter Querbalken, Wandseite rechts U; vierter Querbalken Wandseite rechts V; fünfter Querbalken, Fensterseite links W).

Maße: Bu.: 7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Sabine Wehking [1/4]

  1. A

    IANUARIUS · HAT 31 TAGE 16 · M(INUTEN) ·

  2. B

    FEBRUARIUS · HAT · 28 TAGE 10 ST(UNDEN) · M(INUTEN) ·

  3. C

    MARTIUS · HAT 31 TAGE 12 STUNDEN ·

  4. D

    APRI[LI]S · HAT 30 TAGE 14 ST(UNDEN) · 8 M(INUTEN) ·

  5. E

    MAIUS · HAT 31 TAGE 15 ST(UNDEN) · 50 M(INUTEN) ·

  6. F

    IUNIUS · HAT 30 TAGE ST(UNDEN) · M(INUTEN) ·

  7. G

    IULIUS HAT 31 TAGE 15 ST(UNDEN) · 54 M(INUTEN) ·

  8. H

    AUGUSTUS HAT · 31 TAGE 14 ST(UNDEN) · / 12 · M(INUTEN) ·

  9. I

    SEPTEMBER · HAT 30 TAGE 12 ST(UNDEN) ·

  10. J

    OCTOBER · H[A]T 31 TAGE 1[.] ST(UNDEN) · M(INUTEN) ·

  11. K

    NOVEMBER · HAT 30 [ . . . ]

  12. L

    DECEMBER HAT 31 TA[ . . . ]

  13. M

    HER IESU / SEI AUCHS BIS / BEI MIER WEN ICH / SCHLIESEN WER=/[DE] ME[I]NE [T]Ü[:]R

  14. N

    HER IESU / KOMM MIER / FRÜH ENTGEGEN /WEN ICH GEHE / AUFF MEINEN / WEGEN.

  15. O

    MAN SOLL IN ALLEN SACHEN / [ . . . ]

  16. P

    IETWEDEM IST SEIN ZIEL BESTIMT / [ . . . ]

  17. Q

    HIN GEHT DIE ZEIT HER KOMT DER TODT / [ . . . ]1)

  18. R

    WER ZU GEWISSER ZEIT DAS GELT / [ . . . ]

  19. S

    EIN MENSCH IHN FÜRSETZET VIEHL / [ . . . ]

  20. T

    AUS GOTTES VATTER SCHOS DER SEGEN / [ . . . ]

  21. U

    [ . . . ]D[ . . . ]

  22. V

    [ . . . ] AUFRICHTIG [ . . . ]

  23. W

    [ . . . ] IHR N[ . . . ]

Kommentar

Das Haus Simeonsstraße 19 (vgl. a. Nr. 56) wurde um das Jahr 1615 umgebaut und erhielt dabei eine neue Fassade.2) Es ist durchaus möglich, daß man zu dieser Zeit auch im Inneren des Hauses Veränderungen vorgenommen hat und die Balkendecke ausgemalt wurde. Die Ausführung der Inschriften und der Sternkreiszeichen macht jedenfalls eine Entstehung des Bild- und Inschriftenprogramms in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich. Während das Bildprogramm der Decke mit den Darstellungen der Sternkreiszeichen und die darauf bezogenen Inschriften mit den Angaben zu den Monaten noch vollständig sind, hat sich von den gereimten Zweizeilern auf den Querbalken nur ein kleiner Teil – und auch dieser nur unvollständig – erhalten. Ursprünglich trugen die Deckenbalken wohl insgesamt 28 Verse, zu denen noch die Inschriften M und N auf den Deckenbrettern hinzukamen. Aus den erhaltenen Fragmenten läßt sich erkennen, daß es sich um allgemeine sprichwörtliche Lebensweisheiten ebenso handelte wie um religiöse Sprüche, die im Fall der Inschriften M und N Gebetscharakter haben. Zusammengenommen bildeten die kalendarischen Angaben, die Sternkreiszeichen und die Sentenzen, die unterschiedliche Lebensbereiche des Menschen betreffen, eine Art Kosmos der bürgerlichen Lebenswelt. Rätselhaft bleiben die zu den Monatstagen hinzugesetzten Angaben von Stunden und Minuten.

Anmerkungen

  1. Vgl. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 369. Dort ist der Spruch ebenfalls nur unvollständig, aber etwas vollständiger überliefert: Hin gehet die zeit her kömpt der toht / o mensch thut [ . . . ].
  2. Vgl. Hans-Jürgen Amtage, „Dieses Haus hat ein Millionär gebaut“. In: Mindener Tageblatt vom 27. Juni 1992.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 199 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0019905.