Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 171 Dom 1629

Beschreibung

Epitaph des Hieronymus von Grapendorf. Sandstein, farbig gefaßt. Das mehrteilige Epitaph, das nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend in der Kirche St. Mauritii untergebracht war, hängt heute wieder an seinem ursprünglichen Platz im Dom an der Westwand des südlichen Seitenschiffs. Es ist um ein Relief im Mittelteil herum aufgebaut, das eine vielfigurige Grablegung Christi zeigt. Am Sarg zweizeilig die Künstlerinschrift A. Zu beiden Seiten des Reliefs je eine von zwei Säulen gerahmte Nische, der eine weitere freistehende Säule vorgesetzt ist. In der linken Nische Adam, in der rechten Nische Eva, ganz außen jeweils Rollwerk, auf dem je eine mit dem Arm nach oben weisende Frauenfigur sitzt. Die beiden Figuren weisen auf zwei den Säulenstellungen und dem von ihnen getragenen Gesims aufgesetzte Medaillons. In dem linken ein Relief, das entsprechend dem Johannesevangelium den auf dem leeren Grab sitzenden Engel zeigt, welcher der ein Salbgefäß tra-genden Maria Magdalena die Osterbotschaft verkündet; im rechten Medaillon ein Relief der Ausgießung des Heiligen Geistes. Das Relief im Mittelteil dieser Zone stellt die Himmelfahrt Christi dar. Es wird beidseitig von je zwei freistehenden Säulen gerahmt, die ein Gesims tragen. Darüber ein ovales Medaillon mit einem Relief der Verklärung Christi. Links und rechts auf dem Gesims je ein Wappenschild auf einem Sockel; vor dem Sockel steht die jeweilige Namensbeischrift. Oben auf dem Medaillon die Figur der Caritas mit zwei Kindern. Im unteren Teil des Epitaphs unterhalb des Grablegungsreliefs und von diesem durch ein Gesims getrennt ein Relief, das im linken Teil Christus am Ölberg zeigt, in der rechten Bildhälfte die Gefangennahme. Oben auf der Rahmenleiste des Reliefs in verblasster roter Farbe gemalt eine weitere Künstlersignatur (B). Links und rechts davon Maskenköpfe und zwei vollplastische Engelsfiguren, die das Gesims mit den daraufstehenden Säulen tragen. Mitten auf dem Gesims ein Engelskopf; ältere Aufnahmen des Epitaphs lassen hier einen Wappenschild erkennen. Nach unten hin wird diese Zone durch ein Gesims abgeschlossen, auf dem die Figur des Verstorbenen in Bethaltung vor einem freistehenden Kreuz kniet. Den unteren Abschluß des Epitaphs bildet eine von zwei aus Ornamentwerk herauswachsenden Frauenfiguren gerahmte Kartusche mit der Inschrift C, über der Inschrift ein Engelskopf. Die Inschriften A und C sind erhaben gehauen und farbig gefaßt. Alle Bestandteile des Epitaphs sind reich mit Engels- und Maskenköpfen, Rankenwerk und anderem Ornament verziert. An dem Epitaph waren ursprünglich 16 Wappenschilde angebracht, von denen sich heute nur noch die Elternwappen des Hieronymus von Grapendorf in situ befinden. Ältere Aufnahmen des Epitaphs lassen nur vermuten, daß die übrigen Wappenschilde unterhalb der vorspringenden Gesimse angebracht waren.1) Ein Teil der mit Beischriften versehenen Wappenschilde ist ganz oder in Fragmenten erhalten und befindet sich heute im Lapidarium des Domes. Die übrigen Schilde wurden vermutlich im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Maße: H.: 560 cm; B.: ca. 350 cm;2) Bu.: 5 cm (A), 3 cm (B), 3,5 cm (C), 4,5 cm (C, erste Zeile), 2,5 cm u. 1,2 cm (Wappenbeischriften).

Schriftart(en): Kapitalis.

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen [1/6]

  1. A

    ADAM STENELT / ME FECIT OSNA(BRVGENSIS)

  2. B

    HMP · 1629

  3. C

    REVERENDO AC PRAENOBILI VIRO, DOMINO / HIERONYMO A GROPENDORFF HVIVS LAVDABILIS / ECCLESIAE CANONICO ET SENIORI, QVI EX HAC / LACRIMARVM VALLE IN CAELESTEM PATRIAM / 28. APRILIS ANNO SALVTIS · 622 ·a) AETATIS VERO · 73 · / EMIGRAVIT ET HOC LOCO SONITVM TVBAE / EXSPECTAT : FRATRES SVPERSTITES / FRATRI CARISSIMO IN RESVR=/RECTIONIS MEMORIAM POSVERE

  4. Wappen mit Beischriften:

  5. GRAPENDORF3) WESTRVP · 4) 
    TRIBBEN5) RADEN6) 
    RHEBOC7) [ . . . ]8) 
    [ . . . ]9) [ . . . ]10) 
    HAKEN11) HADEWIG12) 
    HERBERE13) [ . . . ]14) 
    [ . . . ]15) [..]HVNGEL16) 
    [ . . . ]17) SCHADEN18) 

Übersetzung:

Adam Stenelt aus Osnabrück hat mich gemacht. (A)

Dem ehrwürdigen und überaus edlen Mann, Herrn Hieronymus von Grapendorf, Kanoniker und Senior dieser glücklich zu preisenden Kirche, der aus diesem Tal der Tränen in das himmlische Vaterland wanderte am 28. April im Jahr des Heils (1)622 im Alter von 73 Jahren und an diesem Ort den Schall der Trompeten erwartet. Die überlebenden Brüder haben dem teuersten Bruder zum Gedenken an die Auferstehung (dieses) gesetzt. (C)

Kommentar

Das Grapendorf-Epitaph ist das einzige signierte Werk des Osnabrücker Bildhauers Adam Stenelt in Minden, dem noch weitere hier befindliche Grabdenkmäler zugeschrieben werden (vgl. Nr. 157, 158, 166, 197). Die Signatur HMP, die entweder für den Namen des Künstlers oder für HM P(INXIT) oder P(ICTOR) steht, erscheint in derselben Form auf einem der Bilder (Nr. 185), die früher an der Empore von St. Simeonis hingen. Am Grapendorf-Epitaph wurde sie von dem Maler angebracht, der die farbige Fassung ausführte. Die Jahreszahl 1629 bezeichnet die Fertigstellung des Epitaphs.

Hieronymus von Grapendorf war der Sohn des Johann von Grapendorf und der Agnes von Westrup.19) Als Mindener Domkapitular ist er seit 1586 nachzuweisen, seit 1620 als Senior. Hieronymus von Grapendorf war auch Archidiakon von Lübbecke.20)

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Von der Horst, Denkmäler, S. 61, gibt zwar eine Abfolge der Wappen wieder, teilt aber nicht mit, wo sich die Wappenschilde am Epitaph befunden haben.
  2. Maßangaben nach Ludorff, Kunstdenkmäler, S. 73.
  3. Wappen Grapendorf (Grapen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 60 u. Tafel 142.
  4. Wappen Westrup (ausgerissener Eichbaum mit Blättern und Eicheln). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 131; Bd. 2, Tafel 331.
  5. Wappen Tribbe (von vier Ringen bewinkelter Schragen).
  6. Wappen Rade (zwei abgewendete gekrümmte Haken, Krümmung unten).
  7. Wappen Rehbock (um Baum herumlaufender Rehbock). Bei Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 103; Bd. 2, Tafel 253: Rehbock auf Rasen.
  8. Nicht mehr vorhanden: Wappen Quernheim (Querbalken). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 102; Bd. 2, Tafel 251.
  9. Nicht mehr vorhanden: Wappen Hevensen.
  10. Nicht mehr vorhanden: Wappen Pladise (drei Stechpalmblätter 2:1). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 99; Bd. 2, Tafel 244.
  11. Wappen Hake (zwei abgewendete gekrümmte Haken, Krümmung oben). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 63; Bd. 2, Tafel 149.
  12. Wappen Hadewig (Spange von einem Kranz umgeben). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 63; Bd. 2, Tafel 151.
  13. Wappen Herbere (rechtsschräger Balken).
  14. Nicht mehr vorhanden: Wappen Exterde (rechtsschräge Reihe von Rauten). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 50 u. Tafel 120.
  15. Nicht mehr vorhanden: Wappen Monnick (pfahlweise gestellte geschlossene Schafschere). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 90; Bd. 2, Tafel 221.
  16. Wappen Bockenvörde gen. Schüngel (Balken, aus dem ein Baum hervorwächst). Vgl. ebd., Bd. 1, S. 15 u. Tafel 37.
  17. Nicht mehr vorhanden: Wappen Schwarte.
  18. Wappen Schade (Mühleisen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 110; Bd. 2, Tafel 272.
  19. Vgl. von der Horst, Denkmäler, S. 61.
  20. Culemann, Dompröpste, S. 97.

Nachweise

  1. Ludorff, Kunstdenkmäler, Tafel 22 (Abb.).
  2. Lange, Bildhauerkunst, S. 18 (B) u. S. 41 (A).
  3. Von der Horst, Denkmäler, S. 61 (C).
  4. Stiff, Stenelt, S. 21 (A).

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 171 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0017103.