Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 161 Dom 1622

Beschreibung

Epitaph des Anton von Nagel in Form eines Altaraufbaus. Sandstein. Der Seitenaltar befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg vor dem nördlichen Vierungspfeiler des Domes. Er wurde durch Bomben so stark beschädigt, daß ein Wiederaufbau in der Nachkriegszeit nicht in Frage kam, obwohl sich noch etliche Fragmente erhalten haben, die heute im Lapidarium des Domes aufbewahrt werden. Das oben rundbogig abgeschlossene Relief des Mittelteils stellte die Kreuzigung des Petrus dar. Seitlich davon in zwei Nischen zwei männliche Figuren, vermutlich Apostel, mit Buch. Den Nischen waren je zwei ein Gesims tragende Säulen vorgesetzt. Außen auf Ornamentwerk die Figuren des Jacobus minor mit der Walkerstange und des Jacobus maior mit Pilgerstab und -hut, auf dem Gesims darüber außen die Figuren des Johannes mit Kelch und eine weitere Apostelfigur mit nicht identifizierbarem Attribut. Vor dem seitlich vorspringenden Gesims befanden sich links und rechts je zwei Wappenschilde. In den Zwickeln des Rundbogens über dem Kreuzigungsrelief zwei Engelsfiguren, oben im Bogenscheitel ein Engelskopf. Vor dem Gesims darüber zwei weitere Wappenschilde. Auf diesem Gesims oberhalb des Mittelteils seitlich zwei männliche Figuren mit erhobener Rechter, über dem Gesims zwischen zwei Säulen ein Relief der Enthauptung des Paulus. Darüber wiederum ein Gesims, darauf ein Wappenschild und als oberer Abschluß eine Christusfigur mit Kreuz. Seitlich des Wappens lagen auf Voluten zwei männliche Figuren ohne Attribut. In den Sockel des Epitaphs war eine heute noch vollständig erhaltene Tafel eingelassen, die die Inschrift trägt.1) Die Buchstaben sind erhaben gehauen und farbig gefaßt. Die u sind durch Häkchen bezeichnet.

Maße: H.: 87 cm; B.: 29 cm (Schrifttafel); Bu.: 2 cm.

Schriftart(en): Humanistische Minuskel mit Versalien.

Sabine Wehking [1/1]

  1. In honorem Omnip(otentis) Dei Ap(osto)l(o)rumq(ue) princip[umq(ue)] S(anctorum) Petri et / Pauli . et ad memoriam adm(odum) R(everen)di et Praenobil[is ....]a) Antonij Nagel / huius et Osnaburg(ensis) Cathed(ralium) Eccl(esi)arum Canonic[i et p]raepositi Widen./brugensis Nec non R(everendissi)mi et ill(ustrissi)mi Mindensis Ep(iscop)i Consilia[ri]j altare hoc / in nitidiorem qua videtur formam restaurar[i] fecerunt / [su]premae ipsi(us) voluntatis executores. A[nn]o 1622

Übersetzung:

Zu Ehren des allmächtigen Gottes und der vornehmsten Apostel und Heiligen Petrus und Paulus und zur Erinnerung an den hochehrwürdigen und überaus edlen (Herrn) Anton von Nagel, Kanoniker dieser und der Osnabrücker Domkirche, Propst zu Wiedenbrück und nicht zuletzt Ratgeber des hochehrwürdigen und hochberühmten Mindener Bischofs, haben die Vollstrecker seines letzten Willens diesen Altar, wie zu sehen ist, in schönerer Form wiederherstellen lassen im Jahr 1622.

Wappen:
Nagel2)
Nagel2)?3)
Wendt4)?5)Malsburg6)?7)

Kommentar

Die Inschrift des Nagel-Epitaphs ist in derselben humanistischen Minuskel ausgeführt, wie sie auch auf dem Epitaph Langen aus dem Jahr 1628 im Dom (Nr. 168) zu finden ist. Dies und die gleichartige Einfassung der Kartuschen auf beiden Stücken durch ein charakteristisches Volutenelement deutet auf die Herkunft aus derselben Werkstatt (vgl. dazu ausführlicher die Einleitung, S. XXVI).

Anton von Nagel wurde am 21. Januar 1600 in das Osnabrücker Domkapitel aufgenommen.8) Den Kapitelsprotokollen zufolge war er zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied des Mindener Domkapitels. Im September desselben Jahres immatrikulierte er sich an der Universität Köln.9) Im Mindener Ratsprotokoll vom 8. April 1613 ist vermerkt, daß Anton Nagel etwas newes bey seiner Nagelsburgh fur den Nortturn vorgenohmen. Die Baupläne wurden von den Mitgliedern des Rates und des Domkapitels bei einem Lokaltermin geprüft, riefen bei diesen aber offenbar eher Skepsis als Zustimmung hervor. Besonders bedenklich schien die Tatsache, daß her Anthon Nagell sich hören lassen, Er wolte Eine lobumen [laubhütten] 10) machen laßen und pro (conven)to ein Cloack oder rahthauß 11). Der Versicherung Nagels, er werde nichts ohne die Einwilligung des Rates unternehmen, schenkte dieser offenbar keinen Glauben.12) So findet sich unter dem 17. Mai in den Ratsprotokollen der Vermerk, daß Her Anthon Nagels etwas newes von gebawten attentire, dawieder ein wachendes auge zu haben.13) Das genaue Todesdatum des Anton von Nagel ist nicht bekannt. Im September 1618 nahm er noch an einer Sitzung des Osnabrücker Domkapitels teil; am 23. Januar 1619 wird er in den Kapitelsprotokollen als verstorben bezeichnet.14)

Textkritischer Apparat

  1. Vermutlich viri oder d(omi)ni zu ergänzen.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach der Photographie in der Sammlung Gelderblom, Domarchiv, Nr. 165, Bd. 3.
  2. Wappen Nagel (Spange, nach außen mit fünf lilienartigen Verzierungen). Wappenbeschreibungen nach der Photographie (wie Anm. 1). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 93; Bd. 2, Tafel 226.
  3. Wappen ?. Der Wappeninhalt war vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorhanden. Vgl. die Aufnahme in der Sammlung Gelderblom (wie Anm. 1).
  4. Wappen Wendt (drei gespaltene Eisenhüte 2:1). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 129; Bd. 2, Tafel 333.
  5. Wappen ? (Stern zwischen zwei nicht zu identifizierenden Gegenständen).
  6. Wappen Malsburg (quergeteilt, oben schreitender bekrönter Löwe, unten drei Rosen 2:1). Vgl. Spießen, Bd. 1, S. 85; Bd. 2, Tafel 206.
  7. Wappen ? (schräggestreift, fünf Schrägbalken).
  8. StA Osnabrück, Rep. 560 III, Bd. 7, fol. 219r.
  9. Matrikel Köln, Bd. 4, S. 189, 718,33.
  10. Die Klammer so im Ratsprotokoll. ‚Laube’ oder ‘Laubhütte’ steht auch als Synonym zu ‚Abtritt’. Vgl. DWb, Bd. 12, Sp. 291.
  11. ‚Rathaus’ steht synonym für ‚geheimes Gemach’ und damit ebenfalls für ‚Abtritt’. Vgl. Schiller/Lübben, Bd. 3, S. 427, s. v. ‚rathus’, u. Bd. 2, S. 51, s. v. ‚gemack’.
  12. KAM, Stadt Minden B, Nr. 7, 1613, fol. 30r.
  13. Ebd., fol. 41v.
  14. StA Osnabrück, Rep. 560 III, Bd. 9, fol. 10r u. 29r.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 161 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0016107.