Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 115 Scharn (Haus Hagemeyer) / Marienstr. 37 1592, um 1595

Beschreibung

Sieben Brüstungstafeln und ein Kaminsturz vom Haus und Nebenhaus auf dem Grundstück Hohnstr. 29. Sandstein. Die Relieftafeln, die entgegen der Ansicht Soenkes und Jahrs (vgl. Kommentar) Brüstungstafeln eines Erkers sind, befanden sich ursprünglich an dem Nebenhaus Hohnstr. 29.1) Heute sind sie innerhalb des Kaufhauses Hagemeyer im obersten Geschoß über der Rolltreppe angebracht. Dargestellt sind in Bogennischen stehend sieben Gute Helden, die jeweils mit erhaben gehauenen und mit schwarzer Farbe hervorgehobenen Beischriften im Bogen (A) und mit Wappenschilden versehen sind. Es handelt sich um Hektor, Alexander den Großen, Julius Caesar, Augustus, Arminius, Karl den Großen und Widukind. Die ursprüngliche Reihenfolge dürfte dieser chronologischen Anordnung entsprochen haben; darauf verweist auch der Umstand, daß die Reliefs von Hektor und Widukind breiter sind als die anderen Platten und demzufolge als seitliche Brüstungstafeln des Erkers verbaut waren. Jedem der Helden ist ein passendes, aber frei erfundenes Wappen zugeordnet: Alexander ein Greif, Arminius und Widukind das Sachsenroß, Julius Caesar und Augustus ein Doppeladler; Karl dem Großen der Reichsadler und die Bourbonenlilie; der Wappenschild Hektors ist mit Kleeblättern ober- und unterhalb eines mit drei Krallenfüßen belegten Balkens besät (vgl. dazu den Kommentar).

Der Kaminsturz, der heute im Haus Marienstr. 37 eingemauert ist, befand sich vor dem Zweiten Weltkrieg an einem Nebeneingang des Hauses Hohnstr. 29 (später Nr. 33), wo er als Türsturz vermauert war.2) Der querrechteckige Stein ist durch vorspringende Leisten mit Beschlagwerk eingerahmt und in zwei Felder unterteilt. In den Feldern links ein Wappenschild mit einer Hausmarke (M6) und Initialen (B), rechts ein Wappenschild mit einem Wappen. Links und rechts der Wappenschilde die Jahreszahl C.

Maße: Brüstungstafeln: H.: 103 cm; B.: 550 cm; Bu.: 3,5 cm. Kaminsturz: H.: 50 cm; B.: 276 cm; Bu.: 2,1 cm (B), 7 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    HECTOR DVX TROIANORVM // ALEXANDER MAGNVS // IVLIVS CAESAR // AVGVSTVS CAESAR // HARMINIVS DVX SAXONVM // CAROLVS MAGNVS // WIDVKINDVS REX SAXONVM

  2. B

    T(HOMAS) V(ON) K(AMPEN)

  3. C

    15 92

Übersetzung:

Hektor, Fürst der Trojaner. Alexander der Große. Julius Caesar. Kaiser Augustus. Arminius, Herzog der Sachsen. Karl der Große. Widukind, König der Sachsen.

Wappen:
Klaren3)

Kommentar

Die Wappeninhalte der Helden folgen – soweit es die griechischen und römischen Helden sowie Karl den Großen betrifft – den Kupferstichen des Virgil Solis aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts.4) Bei den Mindener Brüstungstafeln handelt es sich sozusagen um eine westfälische Version der Guten Helden, die zumeist als neun, in drei Gruppen unterteilte Helden auftreten: Judas Makkabäus, David und Josua; Alexander, Hektor und Julius Caesar; Artus, Karl der Große und Gottfried von Boullion. In dieser Zusammensetzung sind sie auch in den Kupferstichen des Virgil Solis zu finden. Wohl auch aus Platzgründen beschränkt sich die Mindener Version auf vier Helden aus diesem Kanon, zu denen mit Arminius und Widukind noch zwei Helden von besonderer regionaler Bedeutung hinzutreten.

Nach Jahr und Soenke5) war der Heldenfries ursprünglich als Türsturz über einem hofseitigen Eingang des Hauses Hohnstraße 29 eingebaut. Ein Vergleich mit anderen Mindener Häusern wie Ritterstr. 27 (Nr. 104) oder Königstr. 2 (Nr. 125) zeigt jedoch, daß ähnliche Reliefplatten mit Darstellungen von Tugenden oder Guten Helden, soweit sie durch ältere Aufnahmen dokumentiert sind, ausnahmslos als Brüstungsverkleidungen von Erkern dienten. Die Heldenreliefs stammen von dem im 19. Jahrhundert abgerissenen Haus links neben dem Haus Hohnstr. 29. Das Nebenhaus wurde in der Zeit um 1595 erbaut.6)

Das Grundstück Hohnstraße 29 war über längere Zeit im Besitz der Familie von Kampen, die es vom Martini-Stift gepachtet hatte. Im Jahr 1583 bekundete der in diesem Jahr als Bürgermeister der Stadt Minden amtierende Thomas von Kampen, daß das Stift St. Martini ihm die Pacht für das von seinem Vater Daniel ererbte Haus an der Hohnstraße erlassen habe.7) Ungewöhnlich ist, daß die Hausmarke des Thomas von Kampen zusammen mit seinen Initialen sechs Jahre nach seinem Tod im Jahr 1586 auf dem Kaminsturz erscheint (vgl. dazu auch dessen Epitaph Nr. 152). Im Schoßregister des Hohnstraßenviertels ist Thomas von Kampen noch zwei Jahre nach seinem Tod aufgeführt, ohne daß er durch einen Vermerk als verstorben gekennzeichnet ist.8) Offenbar ließ seine Witwe Wobbe Klaren im Jahr 1592 das Haus Hohnstraße 29 errichten, da der einzige, 1581 geborene Sohn des Ehepaars zu diesem Zeitpunkt noch nicht mündig war.9)

Anmerkungen

  1. Barthold/Kaspar, BKDW Minden, Hohnstr. 29.
  2. Jahr, Wohnbau, S. 35.
  3. Wappen Klaren (aus Wolke am linken Schildrand wachsender oberhalber Ochse).
  4. Robert L. Wyss, Die neun Helden, eine ikonographische Studie. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 17, 1957, S. 73–106, hier S. 101. Vgl. a. Ilse O’Dell-Franke, Kupferstiche und Radierungen aus der Werkstatt des Virgil Solis. Wiesbaden 1977, Tafel 21.
  5. Jahr, Wohnbau, S. 35; Soenke, Robyn, S. 134.
  6. Vgl. Barthold/Kaspar, BKDW Minden, Hohnstr. 29.
  7. StA Münster, Kollegiatsstift St. Martini, Urkunden, Nr. 642.
  8. KAM, Stadt Minden B, Nr. 168.
  9. Vgl. die Leichenpredigt des Daniel vom Kampen, SuUB Göttingen, Conc. fun. 42.

Nachweise

  1. Ludorff, Kunstdenkmäler, Tafel 69 (Abb. A).
  2. St. Martini, S. 38 (B, C).
  3. Soenke, Figurenzyklus, S. 109 (A).

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 115 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0011505.