Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 80† Regierungsgebäude 1. H. 16. Jh.

Beschreibung

Drei Fragmente eines Steinreliefs, vermutlich einer ehemaligen Beischlagwange. Möglicherweise wurden die am Regierungsgebäude angebrachten Reliefs im Zweiten Weltkrieg zerstört; eventuell kamen sie jedoch erst nach dem Krieg abhanden. Erhalten waren zu Beginn dieses Jahrhunderts der obere linke Teil des ursprünglich hochrechteckigen Steins sowie ein großer Teil der linken unteren Hälfte und ein daran anschließender kleinerer Teil der rechten Mitte. Offenbar war der Stein zu Bauzwecken beschnitten und verwendet worden. Die Fragmente ließen noch die Darstellung von Adam und Eva im Paradies erkennen, zu ihren Füßen Tiere. Die Szene wurde von einer Bogennische umrahmt; im Bogen verlief eine Leiste mit einer Inschrift, von der durch die Beschneidung des Steins große Teile fehlten, die sich jedoch ergänzen lassen. Oben über dem Bogen das Mindener Wappen, links darüber ein Putto, der in der verlorenen oberen Hälfte eine Entsprechung gehabt haben dürfte. Eingefaßt wurde der Stein durch eine Rahmenleiste, die mit Maskenköpfen, Rankenornament und Grotesken verziert war.

Inschrift nach der Photographie bei Ludorff.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. [EX O]MNI · LIGNO · PARADISI · COMEDE · DE · LIGNO · A[VTEM ·] SCIEN[TIAE · BONI · ET · MALI ·] NE · COMEDAS · QVACV[MQVE · ENIM · DIE · COMEDERIS]1)

Übersetzung:

Iß von jedem Baum des Paradieses, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen, denn an dem (Tag, an dem du davon essen wirst ...)

Kommentar

Die Inschrift war in einer frühhumanistischen Kapitalis ausgeführt, die große Gemeinsamkeiten mit der Schrift des Samsonreliefs (Nr. 76) und der Beischlagwangen im Mindener Museum (Nr. 73) aufweist. Auch hier fand sich das besonders charakteristische oben offene eingerollte D, das unten spitzoval geformt war. Auch das O war spitzoval gestaltet. Alle A der Inschrift wiesen einen nach links ansetzenden Deckbalken auf; zwei N des erhaltenen Teils waren retrograd. Die Inschrift dieses Stücks unterschied sich von der des Samsonreliefs durch die sorgfältige Ausführung der Buchstaben, der auch die Qualität des Reliefs und der Ornamente entsprach. Die Buchstabengestaltung legt eine Datierung des Reliefs auf die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts nahe.

Anmerkungen

  1. Gn. 2,16 u. 17.

Nachweise

  1. Ludorff, Kunstdenkmäler, S. 99 (Abb.).
  2. Lange, Bildhauerkunst, S. 13.
  3. André, Beischlagwangen, S. 155.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 80† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0008007.