Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 73 Mindener Museum 1530

Beschreibung

Zwei Beischlagwangen, vermutlich vom Haus Bäckerstr. 9.1) Sandstein. Im oberen Teil der einen Beischlagwange ist der auferstehende Christus dargestellt; die Figur des Christus steht mit erhobener rechter Hand und der Kreuzfahne in der linken Hand in einer Nische, unter seinen Füßen ein Skelett. Im unteren Drittel der Beischlagwange ein von einer Männerfigur gehaltener Schild; darauf die Buchstaben der Inschrift A über einem Wappenschild. Die in drei Fragmenten erhaltene zweite Beischlagwange zeigt im oberen Teil eine Darstellung des Sündenfalls, unter den Füßen von Adam und Eva ebenfalls ein Skelett; im Feld darunter in seitenverkehrter Entsprechung zu der anderen Beischlagwange ein von einer Männerfigur gehaltener Schild mit einer Jahreszahl (B) über einem Wappenschild. Die Buchstaben und Ziffern sind erhaben gehauen.

Maße: H.: 350 cm; B.: 71 cm; Bu.: 8–9 cm, 7 cm (Ziffern).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    V(ERBUM) D(OMINI) / M(ANET) I(N) E(TERNUM)2)

  2. B

    1530

Übersetzung:

Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. (A)

Wappen:
?3)?4)

Kommentar

Lange5) schreibt die Beischlagwangen demselben Bildhauer zu wie das Samsonrelief (Nr. 76). Dafür spricht das in der Inschrift des Samsonreliefs wie in der Inschrift A verwendete oben offene eingerollte D, das unten spitzoval geformt ist, ebenso wie die in beiden Fällen identisch ausgeführte spitze 3 mit verkürztem unteren Bogen. Soenke6) hält den Baumeister Jörg Unkair, von dem allerdings keine signierte Bildhauerarbeit überliefert ist, für den Meister; seine Zuschreibung muß daher äußerst zweifelhaft bleiben. Die beiden Stücke entsprechen in ihrem Bildprogramm den jetzt in der evangelischen Kirche in Bissendorf befindlichen Beischlagwangen aus Stadthagen.7) In den Inschriften der Stadthagener Beischlagwangen tritt dasselbe D auf wie im Samsonrelief und auf den Mindener Beischlagwangen. Auch hier finden sich auf beiden Wangen Skelette, die die Figuren mit Füßen treten. Dieses Motiv ist deshalb ungewöhnlich, weil es – wie in der Auferstehungsszene der einen Wange – die Überwindung des Todes symbolisiert. Daß das Motiv hier, möglicherweise nur um beide Wangen als Gegenstücke zu gestalten, ausgerechnet der Szene des Sündenfalls zugeordnet wird, kann wohl nur dadurch erklärt werden, daß der Bildhauer die Symbolik des mit Füßen getretenen Todes nicht verstanden hat. Die Druckgraphik liefert – soweit dies ermittelt werden konnte – für die Kombination von Sündenfall und Überwindung des Todes in dieser Form kein Vorbild. Die auffällig ähnliche Gestaltung der beiden Beischlagwangenpaare, vor allem auch die Übereinstimmung der Gesichter und die den Sarg andeutende schräggestellte Bogenkante im unteren Teil beider Christusreliefs spricht für deren Entstehung in derselben Werkstatt. Die auf der einen Beischlagwange als Inschrift ausgeführte protestantische Devise Verbum Domini manet in aeternum 2) tritt hier zu der Zeit auf, in der sich in der Stadt Minden die Reformation durchgesetzt hatte.

Anmerkungen

  1. Lap. Nr. 149.
  2. Is. 40,8. Der Bibelvers wurde seit 1522 von Friedrich dem Weisen als Devise verwendet. In der Folgezeit wurde er zur Devise der protestantischen Seite und fand vor allem durch die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes weite Verbreitung. Vgl. Frederic John Stopp, Verbum Domini Manet In Aeternum – The Dissemination of a Reformation Slogan. In: Essays in German Language, Culture and Society, hg. v. S. S. Prawer, R. H. Hinton u. L. Forster. London 1969, S. 123–135.
  3. Wappen ? (Vogelbein).
  4. Wappen ? (zwei ins Andreaskreuz gestellte Knochen, dazwischen oben, rechts und links eine Rose).
  5. Lange, Bildhauerkunst, S. 32.
  6. Soenke, Unkair, S. 27.
  7. Vgl. Abb. in: Kat. Renaissance, Bd. 2, S. 75.

Nachweise

  1. Ludorff, Kunstdenkmäler, Tafel 68 (Abb. A).
  2. Otto Kurt Laag, Die Mindener Beischlagwangen. In: MHB 38, 1966, S. 134–141, hier: S. 137.
  3. André, Beischlagwangen, S. 154 (Abb.).
  4. Soenke, Unkair, S. 27 (Abb. A).

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 73 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0007302.