Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 57a St. Martini 1484

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabplatte des Arnold Karemann. Stein. Die bei Bauarbeiten im Oktober 1998 – kurz nach der Veröffentlichung des Bandes DI 46 Stadt Minden – gefundene Grabplatte wurde in der Vorhalle von St. Martini aufgestellt. Es handelt sich um einen hochrechteckigen, oben giebelförmig abgeschlossenen Stein mit einer zwischen zwei Linien umlaufenden Inschrift, die auf der unteren Kante beginnt. Das Innenfeld der Platte ist glatt. Die Grabplatte befindet sich in einem guten Erhaltungszustand und weist keinerlei Abnutzungsspuren auf.

Maße: H.: 188 cm, B.: 100 cm; Bu.: 6,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Sabine Wehking [1/8]

  1. Anno · d(omi)ni · mo°cccc° · lxxxiiii / Jn · profesto · exalta(t)ionis · sancte · crucis1) · obiit ·/ dno arno/ld(us) · karema(n) ·/ vicarius · cui(us) · a(n)i(m)a · requiescat · i(n) · pace ame(n)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1484 am Tag vor dem Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes starb Herr(?) Arnold Karemann, Vikar. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Kommentar

Die gut erhaltene Grabplatte stellt ein eher bescheidenes Zeugnis der Steinmetzkunst dar. Zum einen wurde offensichtlich eine Platte ausgewählt, die schon vor der Ausführung der Inschrift gewisse Beschädigungen aufwies, zum anderen sind dem Steinmetzen bei der Ausführung der Inschrift Fehler unterlaufen. Zwischen den Worten crucis und obiit befindet sich eine tiefe Kerbe in der Rahmenleiste, die zur Folge hatte, daß der Steinmetz hier einen weiten Wortabstand setzte, den er durch drei eingehauene Punkte zu überbrücken versuchte. Die beiden letzten Buchstaben des Nachnamens karema(n) sind weit von den anderen Buchstaben abgesetzt, weil hier eine schräge Kerbe über den Stein verläuft. Auch zwischen den Worten cui(us) und a(n)i(m)a ist ein großer Abstand gesetzt, weil sich hier wohl bereits eine Vertiefung im Stein befand. Die weite Spationierung hatte allerdings zur Folge, daß der Platz am Ende der Inschrift knapp wurde und die Buchstaben hier eng gedrängt angeordnet werden mußten. Zu diesen im Material begründeten Mängeln kommen Fehler der Ausführung. So hat der Steinmetz den letzten Buchstaben des gekürzten Zahlwortes millesimo nicht nur in der üblichen Art als kleines o oben über die Zeile gesetzt sondern irrtümlicherweise auch noch einmal zwischen den Zahlbuchstaben m und cccc eingehauen. Besondere Probleme macht die Lesung und Deutung der drei Buchstaben dno vor dem Namen. Über dem n steht ein Kürzungsstrich, am Ende des Wortes ein us-Kürzel. Da der umlaufende Text dem typischen Formular der spätmittelalterlichen Grabschriften entspricht, kann man konstatieren, daß an dieser Stelle das Epitheton dominus, gekürzt dns oder dom zu erwarten wäre, was sich mit dem Befund auf der Platte jedoch nicht in Einklang bringen läßt. Einer anderen Lesung als dico für di(a)co(nus) steht sowohl der Buchstabenbefund entgegen als auch der nachfolgende Titel vicarius, da nicht anzunehmen ist, daß ein langjährig als Vikar tätiger Geistlicher nur die niederen Weihen eines Diakons hatte. Man kann also wohl nur von einem Steinmetzfehler an dieser Stelle ausgehen. Ob es sich um einen solchen auch bei der etwas eigenartigen Ausführung des vorletzten Buchstabens in vicarius gehandelt hat, oder ob der Untergrund bereits gestört war und der Steinmetz nur versucht hat, die Buchstaben u und s trotzdem einigermaßen leserlich darüberzusetzen, läßt sich nicht entscheiden.

Die schlichte Form der Grabplatte ohne Ritzzeichnung des Verstorbenen im Innenfeld und die knappe lateinische Prosagrabschrift deuten schon darauf hin, daß es sich bei dem Vikar Arnold Karemann nicht um einen Mann handelte, dem aufgrund seiner Abstammung oder gesellschaftlichen Position eine besondere Bedeutung zukam. Diese Einschätzung findet Bestätigung, wenn man die für das Stift St. Martini erhaltenen Urkunden durchsieht. Hier wird Karemann zweimal erwähnt. Im Jahr 1460 tritt er als Zeuge einer Schenkung auf und wird hier bereits als Vikar von St. Martini bezeichnet.2) 1466 erging im Namen der Vikare von St. Martini Arnold Karemann und Hermann von Holte eine Appellation an den Erzbischof bezüglich einer Entscheidung, die der Mindener Domherr Albert von Leteln über einen Garten getroffen hatte.3) Den urkundlichen Erwähnungen läßt sich entnehmen, daß Karemann mindestens vierundzwanzig Jahre lang an St. Martini als Vikar tätig war. Der Name Karemann ist in Minden sonst nicht gebräuchlich, so daß wohl anzunehmen ist, daß Arnold Karemann nicht aus einer in Minden ansässigen Familie stammte.

Anmerkungen

  1. 13. September.
  2. StA Münster, Urkunden St. Martini, Orig. 197.
  3. StA Münster, Urkunden St. Martini, Orig. 206.
Addenda & Corrigenda (Stand: 26. Juni 2013):

Diese Katalognummer ist ausschließlich online verfügbar und daher nach unten genannter URN zu zitieren.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 57a (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k00057a8.