Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 38† Dom 1398

Beschreibung

Grabplatte des Bischofs Otto von dem Berge. Die Grabplatte wurde Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts bei Renovierungsarbeiten im Dom zusammen mit anderen Grabdenkmälern in Stücke gehauen, abgemeißelt und als Steinmaterial verbaut. Die Zerstörung des Steins rechtfertigte der Kirchenvorstand mit der Bemerkung: „Ein Kunstwerk ist schwerlich dadurch vernichtet, zu den historischen Denkmälern von Bedeutung gehörte er nicht.“1) Ledebur2), der diesbezüglich offensichtlich anderer Auffassung war als der Kirchenvorstand des Domes, hatte kurz zuvor noch eine detaillierte Schilderung der Gestaltung der Grabplatte gegeben und ihre Qualität und den guten Erhaltungszustand betont. Danach befanden sich in den Ecken des außergewöhnlich großen hochrechteckigen Steins Wappenschilde; in einer Bogennische war der Bischof im Halbrelief zwischen den beiden Burgen Schalksburg und Weddigenstein dargestellt. Er trug einen Bischofsstab und ein Buch; über seinem Kopf hielten zwei Engel die Mitra. Rechts vom Kopf des Bischofs befand sich ein weiterer Wappenschild.3) Um den Stein verlief eine Inschrift, die in der bei Ledebur wiedergegebenen Form wesentlich kürzer ist als in einigen älteren Überlieferungen und nur die letzten fünf Hexameter umfaßt. Aus dem Text bei Ledebur geht nicht hervor, ob er nur einen Teil der Inschrift wiedergibt. Da es trotz der beträchtlichen Größe des Steins schwer vorstellbar ist, daß alle 19 Hexameter als Umschrift um die Platte ausgeführt waren, befand sich im Innenfeld möglicherweise noch eine Inschriftentafel, deren Text bei Ledebur und in anderen Überlieferungen fehlt. Daß der Hexameter mit dem Sterbedatum auf der Grabplatte stand – und damit wohl auch die übrigen in den älteren Überlieferungen wiedergegebenen Verse –, läßt sich anhand der Korrespondenz erweisen, die anläßlich der Zerstörung des Steins geführt wurde; dort ist die Datumszeile als Beleg für das Alter der Platte zitiert.4)

Inschrift nach der Jüngeren Bischofschronik.

Maße: H.: ca. 342 cm; B.: ca. 157 cm.5)

  1. Conditur hac tumba vir nobilis atque columbaSimplex et rectus heu nunc in sordea) reiectusPraesul Mindensis Otto de Monte vocatusLaudibus immensis cleri vulgique probatusDitans hanc sedem cum Monte suo quia Christumb)Fecerat heredem dotando locum magis istumc)Cuid) vos patroni rogitantese) surgite proniPetreque Gorgoni poscatis eumque reponiConsortem throni reddendo vicem dationiTam grandis doni quod cessit huic regioniM ter CCCf) iunctis L et X quater octoque punctisg)Ipsum defunctis dat praemia iamh) quoque cunctisInclita virgo pia dicto succurre MariaQuoi) sunt absque brya sanctorum gaudia dyaHic iacet electus Otto praesul modo tectusQui meritis magnus fuit et mansuetus ut agnusHic duo castra dedit sedi quoj) tempore seditEt sibi districtum Montis genitorek) relictumPro quo Christus ei tribuat sedem requiei

Übersetzung:

In diesem Grab ist der edle Herr und die einfältige und aufrichtige Taube beigesetzt, ach, jetzt in den Schmutz zurückgeworfen, der Bischof von Minden, genannt Otto von dem Berge, vom Klerus und vom Volk mit unendlichem Lob anerkannt. Er bereicherte diesen Bischofssitz um seinen Berg6), weil er Christus zu seinem Erben gemacht hat, indem er diesen Ort weiter ausstattete. Erhebt euch als geneigte Bittsteller für diesen, ihr Patrone Petrus und Gorgonius; bittet, daß er als euer Gefährte auf den Thron gesetzt werde als Gegengabe für ein so großes Geschenk, welches diesem Gebiet zuteil wurde. Das Jahr 1398 übergab ihn den Toten und brachte ihm jetzt auch den Lohn für alles. Ruhmreiche, gütige Jungfrau Maria, komm dem Genannten zu Hilfe, wo die göttlichen Freuden der Heiligen ohne Disteln sind. Hier liegt der erwählte Bischof Otto eben begraben, der groß an Verdiensten war und sanft wie ein Lamm. Er gab dem Bistum während seiner Amtszeit zwei Burgen und den ihm von dem Vater zugefallenen Landbesitz derer von dem Berge, wofür Christus ihm einen Ruhesitz gewähren möge.

Versmaß: Hexameter, teilweise zweisilbig leoninisch gereimt, teilweise mit Zäsur- und Endreim.

Kommentar

Otto von dem Berge war der Sohn Wedekinds IV. von dem Berge und seiner Ehefrau Lisa von Solms und somit ein Bruder des Mindener Bischofs Wedekind und des Dompropstes Simon (vgl. Nr. 28). Otto von dem Berge ist seit 1358 als Mindener Domherr nachzuweisen, seit 1367 als Archidiakon von Pattensen und seit 1382 als Propst von St. Mauritius in Hildesheim. Im Jahr 1384 erhielt er durch päpstliche Provision das Amt des Mindener Bischofs, das er bis zu seiner Abdankung aus Gesundheitsgründen am 22. September 1397 innehatte.7) Er starb nur wenige Wochen später am 1. Januar des folgenden Jahres.8) Otto von dem Berge und sein Bruder Gerhard, Bischof von Hildesheim, waren die letzten männlichen Nachkommen der Edelherren von dem Berge, die mit dem Tod der beiden Brüder im Jahr 1398 ausstarben. Bischof Otto vermachte daher im Jahr 1397 dem Bistum Minden die Stammburg seiner Familie, die Schalksburg in Hausberge.9) Zusammen mit der Schalksburg fiel auch die im Besitz der Familie von dem Berge befindliche Burg Wedigenstein nach dem Tod des Bischofs an das Bistum Minden.10) Diese für das Bistum bedeutende Besitzvermehrung wurde in der Inschrift wie auch im Bildprogramm der Grabplatte besonders hervorgehoben. Möglicherweise stiftete Otto von dem Berge auch das kleine Petrus-Reliquiar des Domschatzes, das das Wappen eines Mindener Bischofs aus der Familie von dem Berge trägt (vgl. Nr. 66).

Textkritischer Apparat

  1. sorde] corde Hs. B u. C der Jüngeren Bischofschronik, Ertmann, Lilie, Meibom, Culemann.
  2. Der Hexameter lautet in Hs. C der Jüngeren Bischofschronik: Ditans hanc sedem quia Christum fecit heredem.
  3. Der Hexameter lautete in Hs. C der Jüngere Bischofschronik: Dotando locum cum monte suo magis istum.
  4. Cui] cur Jüngere Bischofschronik, Meibom, Culemann.
  5. rogitantes] rogitando Ertmann, Meibom, Culemann.
  6. CCC] Sic! Lies C.
  7. punctis] iunctis Culemann.
  8. dat praemia iam] donate prior Meibom, dat posterior Culemann.
  9. Quo] Quae Hs. B u. C der Jüngeren Bischofschronik, Meibom, Culemann.
  10. quo] qua Hs. A u. B der Jüngeren Bischofschronik, Lilie, Ledebur, pro Culemann.
  11. genitore] stemtore Ledebur.

Anmerkungen

  1. StA Detmold, M 1 II A, Nr. 2095.
  2. Ledebur, Denkmäler, S. 6.
  3. Nach den Angaben von Ledebur (ebd.) handelte es sich um die Wappen von dem Berge, Solms, Homburg, Lippe in den Ecken der Platte und um das Bischofswappen Minden/von dem Berge im Innenfeld.
  4. StA Detmold, M 1 II A, Nr. 2095.
  5. Maßangaben bei Ledebur, Denkmäler, S. 6. Die Umrechnung erfolgt auf der Grundlage des Hannoverschen Fußes (1 Fuß = 28,5 cm). Wenn man den Preußischen Fuß zugrundelegt (31,38 cm), waren die Ausmaße der Grabplatte noch beträchtlicher. In jedem Fall dürfte die Grabplatte des Otto von dem Berge sich durch ihre außergewöhnliche Größe von den anderen Grabplatten der Mindener Bischöfe abgehoben haben. Vgl. die erhaltene Grabplatte des Bischofs Gerhard von Schaumburg (Nr. 29), die 195 cm hoch und 101 cm breit ist.
  6. Die Schalksburg in Hausberge, vgl. Kommentar. Wortspiel mit dem Namen von dem Berge (de Monte).
  7. Gisbert, Domherren, S. 79.
  8. Jüngere Bischofschronik, S. 219.
  9. Gisbert, Domherren, S. 79.
  10. Dammeyer, Grundbesitz, S. 127.

Nachweise

  1. Vollständige Fassung: Jüngere Bischofschronik, S. 219.
  2. Ertmann, Cronica, S. 120.
  3. Bischofschronik Osnabrück, S. 115.
  4. Meibom, Chronicon, S. 543.
  5. Culemann, Geschichte, Abt. 2, S. 52.
  6. Die letzten fünf Hexameter: Hermann von Lerbeck, S. 82.
  7. Meibom, Chronicon, S. 570.
  8. Ledebur, Denkmäler, S. 6f.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 38† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0003803.