Inschriftenkatalog: Stadt Minden
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 46: Stadt Minden (1997)
Nr. 9† Mauritiuskloster auf dem Werder 2. H. 11. Jh.
Beschreibung
Grabplatte des Ricbert. Die Platte wurde im Jahr 1389 bei der Verlegung des Grabes Bischof Brunos innerhalb der Klosterkirche auf dem Werder im Grab Brunos entdeckt (vgl. Nr. 14). Sie befand sich zwischen der Deckplatte und dem Sarkophag des Bischofsgrabes. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Von der Auffindung der Grabplatte berichtet ein detaillierter Augenzeugenbericht, der in die Jüngere Bischofschronik eingefügt ist.1) Ihm zufolge fand man einen Stein magnum politum et ab aliis terris allatum, d. h. bei dem Material der Grabplatte handelte es sich wohl nicht um den einheimischen Sandstein, sondern ein anderes Material, möglicherweise um Marmor.
Inschrift nach der Jüngeren Bischofschronik.
III. Kal(endas) Junii2) Ricbertus Magdeburgensis ecclesiae presbyter obiit
Übersetzung:
Am dritten Tag vor den Kalenden des Juni starb Ricbert, Priester der Magdeburger Kirche.
Anmerkungen
- Jüngere Bischofschronik, S. 136f.
- 30. Mai.
- Jüngere Bischofschronik, S. 137.
- Hermann von Lerbeck, S. 45.
- StA Münster, Msc. VII 2718, fol. 13v.
Nachweise
- Jüngere Bischofschronik, S. 137.
Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 9† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0000909.
Kommentar
Nach der Jüngeren Bischofschronik vermuteten bereits die bei der Entdeckung der Grabplatte im Jahr 1389 Anwesenden, daß es sich bei dem verstorbenen Ricbert um einen zur Gründung des Klosters von Magdeburg nach Minden entsandten Mönch handelte. Man wollte in ihm einen späteren Magdeburger Bischof sehen.3) Einen Erzbischof von Magdeburg namens Ricbert hat es indessen nie gegeben. Die Benediktinermönche, mit denen das Kloster St. Mauritii gegründet wurde, kamen der Überlieferung zufolge aus dem Kloster St. Johannis in Magdeburg.4)
Das Formular der Inschrift, das mit der Beschränkung auf die Angabe des Todestages dem Formular von Nekrologeinträgen entspricht, deutet darauf hin, daß der Stein zunächst eine Funktion als Grabplatte für einen Angehörigen des Mauritiusklosters gehabt hat. Im Nekrolog von St. Mauritii findet sich ein Ricbert unter dem in der Inschrift angegebenen Todesdatum, dem 30. Mai, mit dem Eintrag obiit Ricbertus pater nostre congregationis.5) Das Datumsformular der Grabschrift spricht ebenso wie der Fundort der Platte für ein hohes Alter des Stücks. Es ist daher wahrscheinlich, daß es sich bei dem Verstorbenen um einen der ersten Mönche des von Bischof Bruno im Jahr 1042 gegründeten Klosters St. Mauritii handelte.
Da die Todesdaten des Mönchs Ricbert und des 1056 verstorbenen Bischofs zeitlich nahe beieinanderliegen müssen und es nicht ausgeschlossen ist, daß Ricbert erst nach 1056 gestorben ist, kann man nicht davon ausgehen, daß sich die Ricbert-Platte ursprünglich in dem Bruno-Grab befand. Vielmehr dürfte sie in späterer Zeit – wohl im 12. oder 13. Jahrhundert – hier zur Sicherung des Grabes verbaut worden sein. Dafür spricht auch der Fundort des Steins. Der Augenzeugenbericht, der – soweit es das schlechte Latein des Verfassers zuläßt – exakte Auskunft über den Vorgang der Grabung bei der Verlegung des Bischofsgrabes im Jahr 1389 bietet, berichtet, daß man nach Hebung der Deckplatte des Bischofsgrabes in die Tiefe gegraben habe und dabei auf die Ricbert-Platte gestoßen sei. Unter dieser Platte lag ein weiterer Stein, der den Sarkophag Brunos abdeckte. Die hier geschilderte Anordnung läßt darauf schließen, daß das Bischofsgrab schon in der Zeit vor 1389 verändert und die Grabplatte des Mönchs in Zweitverwendung zur Abdeckung des Grabes benutzt worden war.