Inschriftenkatalog: Stadt Minden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 46: Stadt Minden (1997)

Nr. 7† Dom 1097

Beschreibung

Grabplatte des Bischofs Odalricus. Die Inschrift der Grabplatte findet nur bei Bünemann Erwähnung, der im gleichen Zusammenhang bedauert, daß so viele Grabdenkmäler für Mindener Bischöfe abhanden gekommen sind.1) Als älteste noch vorhandene Grabplatte im Dom nennt er die des Bischofs Odalricus, deren Inschrift jedoch nicht mehr vollständig zu lesen war (vgl. Kommentar).

Inschrift nach Bünemann.

  1. [ . . . ] ODALRICVS EPISCOPVS MIND[ . . . ]

Übersetzung:

... Odalricus, Bischof von Minden ...

Kommentar

Bünemann kennzeichnet nur den Namen und Titel des Bischofs als Teil der Inschrift durch eine Wiedergabe in Majuskelbuchstaben. Offenbar konnte er auf der Grabplatte jedoch auch noch das Todesdatum lesen, da er die Angabe auf der Grabplatte ao. 1097 die conceptionis Mariae dem in den Chroniken genannten Todesdatum des Bischofs gegenüberstellt. Die Differenz zwischen dem Datum in der Inschrift der Grabplatte und dem Todesdatum in den Chroniken bezieht sich auf das Jahr, das in den Chroniken und im Mindener Nekrolog mit 1096 angegeben ist.2) Das genaue Datumsformular der Inschrift läßt sich aus der Angabe bei Bünemann nicht rekonstruieren. Die – durchaus ernstzunehmenden – Angaben Bünemanns sind jedoch deshalb von besonderem Interesse, weil bisher immer wieder konstatiert wurde, daß die Angabe des Todesjahrs im deutschen Raum erst in den Grabschriften seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu finden ist.3)

Über den Bischof Odalricus, der von 1095 bis 1097 amtierte, ist kaum etwas bekannt; urkundlich wird er lediglich im Zusammenhang zweier Schenkungen an die Mindener Kirche erwähnt.4) Es konnte daher kaum Anlaß geben, die Grabplatte des Bischofs und deren Grabschrift in späterer Zeit zu erneuern, zumal eine solche Maßnahme – mit Ausnahme der Denkmäler für die als Stifter verehrten Bischöfe Bruno, Eilbert und Sigebert – für die Mindener Bischofsgräber auch sonst nicht überliefert ist. Daher ist davon auszugehen, daß das Todesjahr in einem heute nicht mehr zu rekonstruierenden Formular in der Inschrift der kurz nach 1097 angefertigten Grabplatte genannt war, zumal Bünemann sonst keinen Anlaß gehabt hätte, den Inhalt der Grabschrift gegen die Angabe der Chroniken und des Nekrologs zu stellen. Eine Überprüfung des bislang in Editionen vorliegenden Inschriftenmaterials aus dem deutschen Raum ergibt, daß für den Zeitraum des 10. bis zur ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts kaum Inschriften auf Grabdenkmälern überliefert sind, die aus einem einfachen Sterbevermerk bestehen.5) Dies gilt auch für den bei Kraus erfaßten Inschriftenbestand der Rheinlande, in dem sich – wenn man die Versgrabinschriften und die Inschriften der Memorientafeln als andere Texttypen außer acht läßt – acht Beispiele aus dem einschlägigen Zeitraum finden. Von diesen enthalten vier Grabschriften die Angabe des Todesjahres, die anderen vier nur die Angabe des Todestages.6) Auch wenn dieses Material nur mit Vorsicht heranzuziehen ist, weil es im Einzelfall Zweifel an der Datierung der Inschriften geben kann, so entspricht doch das Ergebnis denjenigen Beobachtungen, die sich am französischen Inschriftenwerk machen lassen.7) Dieses bietet eine erheblich breitere Materialbasis für die betreffende Zeit; dabei verteilen sich auch hier die aus einem Sterbevermerk bestehenden Grabschriften etwa zur Hälfte auf solche mit Jahresangabe und zur anderen Hälfte auf solche ohne Jahresangabe. Der bereits verschiedentlich konstatierte Umstand, daß in den hochmittelalterlichen Inschriften der romanischen Länder „die Jahresangabe, wie immer sie formuliert war, in der Regel eine sehr beachtliche Rolle spielte“,8) dürfte sich daher mit gewissen Einschränkungen auch auf den deutschen Bereich übertragen lassen. In diese Richtung weist auch der Hildesheimer Inschriftenbestand, in dem sich unter vier Grabinschriften aus dem 11. Jahrhundert in Form eines Sterbevermerks immerhin eine Inschrift mit Angabe der Jahreszahl befindet.9) Generell erscheint es wenig plausibel, daß sich die hochmittelalterlichen Grabschriften des romanischen und des deutschen Raumes in diesem Punkt gravierend voneinander unterscheiden sollten, da sich ansonsten weitgehende Übereinstimmungen im Formular feststellen lassen, soweit das nur spärlich erhaltene deutsche Material Vergleiche erlaubt.

Anmerkungen

  1. Bünemann, Nachrichten, p. 42.
  2. Der Nekrolog gedr. in: Löffler, Bischofschroniken, S. 5; Hermann von Lerbeck, S. 49; Jüngere Bischofschronik, S. 145.
  3. Zuletzt: Maria Glaser u. Franz-Albrecht Bornschlegel, Datierungen in mittelalterlichen Inschriften des deutschen Sprachraumes – Ein Zwischenbericht. In: Archiv für Diplomatik 42, 1996, S. 525–556, hier S. 540; u. Walter Koch, „Dem Got genad“ Grabformular und Aufgaben der Epigraphik. In: Lothar Kolmer (Hg.), Der Tod des Mächtigen – Kult und Kultur des Todes spätmittelalterlicher Herrscher, S. 281–297, hier S. 289.
  4. Vgl. Gisbert, Bischöfe, S. 25 u. S. 72, Anm. 2 u. 5.
  5. In den bisher erschienenen Bänden der DI finden sich aus dem einschlägigen Zeitraum insgesamt lediglich sieben Sterbevermerke in Prosa (DI 2, Mainz, Nr. 8; DI 6, Naumburg Dom, Nr. 1; DI 12, Heidelberg, Nr. 1a; DI 25, Ludwigsburg, Nr. 2; DI 27, Stadt Würzburg I, Nr. 6 u. 8; DI 38, Bergstraße, Nr. 10), von denen einer (DI 25, Nr. 2) eine Jahreszahl enthält. Das Beispiel DI 30 (Calw), Nr. 4 bleibt hier unberücksichtigt, weil es sich dabei, dem Wortlaut der Inschrift nach zu schließen, um eine Stifterinschrift des 15. Jahrhunderts handelt.
  6. Kraus, Inschriften, Teil 2: Die Nummern 133, 262, 415, 432 mit Jahreszahl, die Nummern 187, 202, 277, 636 ohne Jahreszahl.
  7. Corpus des Inscriptions de la France Médiévale, hg. v. Robert Favreau u. a. Bd. 1–5, Poitiers 1977–1979, Bd. 6–19, Paris 1981–1997.
  8. Koch (wie Anm. 3), S. 288.
  9. Es handelt sich dabei um die nur noch kopial überlieferte Grabschrift für den 1038 verstorbenen Bischof Godehard. Inschriftensammlung Hildesheim, Arbeitsstelle Inschriften der Akademie der Wissenschaften, Göttingen.

Nachweise

  1. Bünemann, Nachrichten, p. 42.

Zitierhinweis:
DI 46, Stadt Minden, Nr. 7† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di046d003k0000708.