Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 247 Creglingen, ev. Stadtkirche 1580

Beschreibung

Kanzel. An der Südseite des Langhauses. Holz, geschnitzt, mit Intarsien ausgelegt und an wenigen Stellen bemalt und vergoldet. Kannelierte ionische Holzsäule auf quadratischem Steinsockel; achteckiger Korb mit reich profiliertem und gestuftem Unterbau; am oberen Korbrand in einem Fries eine auf allen fünf Brüstungsseiten umlaufende, mit hellem in dunklem Holz eingelegte Inschrift (A). Die fünf Brüstungsfelder darunter durch kannelierte ionische Dreiviertelsäulchen gerahmt und voneinander abgegrenzt. Alle fünf Felder sind mit unterschiedlich gestalteten Ädikulae gefüllt, die mit eingelegten symmetrischen Mustern geschmückt sind. In den hohen Sockeln der Ädikulae des zweiten und des vierten Feldes je ein großes eingelegtes Wappen, in den niedrigeren Sockeln der drei übrigen Ädikulae jeweils ein querrechteckiges Schrifttäfelchen mit profiliertem Rahmen und 2zeilig eingeschnitzter und schwarz ausgemalter Inschrift (B). Die Texte dieser drei Schrifttafeln gehören zusammen. In der Hauptzone der mittleren Ädikula statt eines Ornaments die eingelegte Darstellung der Opferung Isaaks, darunter eine mit heller Farbe auf dunklem Grund aufgemalte, aber jetzt völlig unkenntliche Inschrift. Die vier übrigen Ädikulae zeigen auf ihren geschnitzten Pilastern jeweils zwei flach reliefierte Wappenschildchen. Auf der ersten und auf der fünften Brüstungsplatte sind jeweils in das heraldisch rechte Wappen Initialen eingeschnitzt (C, D). Der achteckige Schalldeckel mit Intarsien und geschnitztem Kranz trägt keine Inschriften.

Maße: H. (Korb, Säule und Steinsockel) 311, B. (Korb) 120, Bu. 4,8 (A), 1,9 (B), 0,6 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D), Fraktur (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/10]

  1. A

    D(OMI)N(V)S ·a) DABIT · / VERBVM · CVM · / MANGNOb) · EXER/CITVc) · EVANGELIS/TARVM · PSAL · 6̣[.]1)

  2. B

    Jm 15 · 80 · iar · /Christoff · a · Secke(n)//dorff amptma(n) war · /auch ietz zu diser // frist ·iohan(n) holtzheu/ser Castner ist · · ·d)

  3. C

    I Z

  4. D

    F V

Übersetzung:

Der Herr wird zusammen mit der großen Streitmacht der Evangelisten das Wort verleihen.

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Wappen:
Zollern, Stadt Creglingen; unbekannt2, unbekannt3, Seckendorff, Neustetter gen. Stürmer, Zollern (?)4, Holzheuser (?)5, unbekannt6, unbekannt7.

Kommentar

Die eingelegte Inschrift (A) besteht aus sorgfältig geformten, dünnstrichigen Kapitalisbuchstaben ohne Schrägenverstärkung und mit kaum ausgeprägten Bogenverstärkungen. Freie Schaft-, Balken- und Bogenenden sind keilförmig verdickt, die Schrägschäfte von A und V verbreitern sich kontinuierlich auf ihrer gesamten Länge. Die Schäfte des relativ schmalen M stehen senkrecht, der kurze Mittelteil ist rechtwinklig. Die eingeschnitzte Frakturinschrift wurde möglicherweise von dem Weikersheimer Bildhauer Michael Schlör ausgeführt, der zumindest in einer Creglinger Inschrift aus demselben Jahr (nr. 248A) weitgehend identische Schriftformen verwendet.

Das zweite der geschnitzten Wappenpaare bezeichnet den brandenburgischen Amtmann in Creglingen Christoph von Seckendorff, der auch in Inschrift (B) genannt ist, und seine zweite Frau Dorothea, eine Tochter Christoph Neustetters gen. Stürmer zu Schönfeld und Sachsendorf und der Margareta von Giech8. Ein weiterer Schild dürfte dem Kastner Holzheuser zuzuweisen sein, die übrigen Wappen gehören wohl Vertretern der Gemeinde (Bürgermeister, Heiligenpfleger?), das erste in der Reihe vielleicht auch dem Schreiner. Das Wappen des Pfarrers Weikersreuter fehlt; möglicherweise wurde die Kanzel erst nach seinem Tod (31. August 1580)9 fertiggestellt.

Textkritischer Apparat

  1. Als Worttrenner in der gesamten Inschrift abgerundete Kreuzchen auf halber Zeilenhöhe.
  2. Sic!
  3. Zu beiden Seiten des T ursprünglich versehentlich jeweils eine Haste im dunklen Holz ausgespart, dann aber mit gleichfarbigem Holz ausgelegt und somit getilgt.
  4. Der mittlere Quadrangelpunkt mit oben und unten angesetzten geschwungenen Zierlinien.

Anmerkungen

  1. Nach Ps(G) 67, 12; vermutlich Rückübersetzung aus der Lutherbibel (Ps 68, 12): „Der Herr gibt das Wort mit großen Scharen Evangelisten“.
  2. Hausmarke (Sparrenkopfschaft mit rechtschnittigem Göpelfuß), gekreuzt mit einem Winkel; darüber die eingeschnitzten Initialen I Z; vielleicht das Wappen des Schreiners.
  3. Brezel.
  4. Geviert.
  5. Sparren, unten begleitet von einer aus dem Schildrand hervorkommenden Pflanze mit 3 Früchten (?); offenbar eine wegen des winzigen Formats vereinfachte Darstellung des Holzheuserschen Wappens; vgl. dazu nr. 361.
  6. Stehende, linksgewendete Sichel; beseitet von den eingeschnitzten Initialen F V.
  7. Schräglinks gelegter Halbmond (Schuhmacherwerkzeug); vgl. Friedrich Karl Azzola, Der Grabstein des Hans Braun mit einem Schuhmacher-Handwerkszeichen an der Kirche von Schweinsberg. Ein Beitrag zur Geschichte des „Halbmondes“, in: Hess. Heimat 41 (1991) 90–96; ders. / Heinz Bormuth / Hans Werner Haas, Überregionale Entwicklungszüge historischer Schusterzeichen auf Kleindenkmalen. Zugleich ein Beitrag zur Ikonographie Odenwälder Handwerkszeichen, in: Beiträge zur Erforschung d. Odenwaldes u. seiner Randlandschaften 3 (1980) 363–382.
  8. Vgl. Biedermann, Steigerwald, tab. CXXI.
  9. Vgl. nr. 245.

Nachweise

  1. OAB Mergentheim 485.
  2. Dehio BW I, 123 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 247 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0024707.