Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)
Nr. 93 Bad Mergentheim, kath. Pfarrkirche St. Marien E. 15./A. 16. Jh., 1541
Beschreibung
Wandmalereien. Im ehemaligen Kreuzgang an der Nordwand des Nordflügels sowie an der Nordwand der Sakristei. Al secco. Reste eines Marienleben- und Kindheit-Christi-Zyklus: Im Kreuzgang acht fragmentarisch erhaltene große, annähernd quadratische Bildfelder:
I. Verkündigung an Maria, links der Erzengel Gabriel mit verschlungenem Spruchband, darin eine weitgehend verblaßte Inschrift (A); zwischen dem Engel und Maria in kleinerem Maßstab eingefügtes frontales Brustbild einer Heiligen (?), darunter Reste einer mindestens 2zeiligen Inschrift (B). II. Mariae Heimsuchung mit Darstellung der ungeborenen Kinder im Schoß der sich umarmenden Frauen, Elisabeth mit verschlungenem Spruchband (C), unten in den Ecken zwei kleine kniende Stifterfiguren im Gebet, links eine Nonne (?), rechts ein Ritter im Plattenharnisch, mit Helmbrünne und Eisenhut. III. Christi Geburt: in der Bildmitte Maria, links im Stall Josef, Ochse und Esel, oben in der Bildmitte schwebender Engel mit Spruchband (D) in Händen; rechts oben im Hintergrund Verkündigung der frohen Botschaft an die Hirten durch einen weiteren schwebenden Engel mit verschlungenem Spruchband (E), rechts unten kniende Stifterfigur (Dominikaner, nur Oberkörper erhalten); unteres Drittel des Bildes mit Christuskind und vermutlich einer zweiten Stifterfigur zerstört. IV. Beschneidung Christi, in Gegenwart der Eltern; vom Beschneider ausgehendes, über das Jesuskind und den Priester bogenförmig gespanntes Spruchband (F); im Vordergrund außen zwei kleine kniende Stifterfiguren: links ein Ritter im Plattenharnisch, ohne Kopfbedeckung (vor ihm ein großer Henkelkorb oder Kessel), rechts eine Frau in weltlicher Tracht. V. Anbetung durch die Hl. Drei Könige, links unten Stifterfigur eines betenden Dominikaners. VI. Flucht nach Ägypten, über der Szene ein Engel mit ausgebreitetem Spruchband mit stark verblaßter Inschrift (G), unten in der Mitte kniende Stifterfigur (Dominikaner). VII. Bethlehemitischer Kindermord, links oben wohl Reste einer völlig vergangenen Inschrift. VIII. Jesusknabe zwischen Josef und Maria in einem Kirchen(?)raum, rechts eine weitere stehende Person; große Teile des Bildes, vor allem die Mittelpartie, sind zerstört; hinter und über Josef ein Spruchband mit unkenntlicher Inschrift, unter der Szene eine kniende Stifterfigur (Mann in bürgerlicher Tracht mit Rosenkranz)1. – In der Sakristei ein großformatiges querrechteckiges Einzelbild (IX.): Marientod; links am Bildrand – im gleichen Maßstab wie die übrigen Figuren – kniender und betender Benediktiner- oder Zisterzienserabt in schwarzem Habit mit Pedum, vor ihm ein von einer Mitra bekröntes Wappen, hinter ihm ein weiterer Wappenschild, über ihm ein verschlungenes Schriftband mit Anrufung (H); unten in der Bildmitte eine – vermutlich erst bei einer Renovierung nachträglich aufgemalte – Jahreszahl (J).
Maße: Bu. ca. 5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
Ạ[ve] · [gr]ạc̣ia · / [plena ·] d(omi)n(u)s · ṭẹc̣[um]2)
- B
[– – –]ạṛṇ[. . . . /– – –]sạ[– – –]
- C
Eta) · ṿ[nde] // ṃịchi · hoc · vt · ven[i]ạṭ aḍ · ṃẹ / [mater] / ḍ(omi)ni · mei · ad m[e]3)
- D
· Gloriaa) · / in · excelsis · deo / · luce 2 ·4)
- E
Ẹwa(n)geḷị/coa) · [vobis] · gạudiu(m) · m(a)g(num) / · lục̣e 2̣ ·5)
- F
· Vocatu(m)a) · est · nome(n) · ei(us) · ie(su)sb) · lucẹ / 26)
- G
[Surge et] accipe · pueru(m) · (et) m(at)ṛẹm · ei(us) · et · [fuge] · in · [Aegyptum]7)
- H
ma[t]er · dei · / [miserere] · mei
- J
1541
Übersetzung:
Und woher wird mir dies zuteil, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?. – Ehre sei Gott in der Höhe. – Ich verkündige euch große Freude. – Ihm wurde der Name Jesus gegeben. – Mutter Gottes, erbarm dich meiner!
Haberkorn (?)8, Berlichingen (?)9. |
Textkritischer Apparat
- Versal mit schrägem rotem Füllstrich.
- Befund: Nomen sacrum ihs mit Kürzungsstrich.
Anmerkungen
- Nach Gräter, Bad Mergentheim 1972, 43: der zwölfjährige Jesus im Tempel.
- Lc 1, 28.
- Lc 1, 43.
- Lc 2, 14.
- Lc 2, 10.
- Lc 2, 21.
- Mt 2, 13.
- Gestulpter Spitzhut, an der Spitze mit einem Hahnenfederbusch besteckt, beiderseits mit je einem kleinen Henkel besetzt. Als Oberwappen Mitra. Anstelle der „Henkel“ finden sich im Wappen der Haberkorn gewöhnlich zwei (halbe) Rosen; vgl. Alberti 260 u. Schöler, Familienwappen, Taf. 153. Zuweisung daher nicht gesichert.
- Silbernes 5speichiges Rad in Schwarz; vielleicht auch Eicholzheim.
- Die Angabe Gräters, Bad Mergentheim 1972, 43: „Bilderfries des Marienlebens mit der Jahreszahl 1486“ bezieht sich vermutlich auf diese Bauzahl.
- Die Zuweisung zur Familie von Haberkorn nach dem Wappen ist nicht gesichert. Über diese Familie gibt es nur wenige Nachrichten. Immerhin ist 1457 ein Peter Haberkorn als in Mergentheim ansässig bezeugt (Alberti 260), ein Caspar Haberkorn war 1539 Deutschordensbaumeister in Heilbronn (ebd.).
Nachweise
- Gräter, Bad Mergentheim 1972, 43 (nur erwähnt).
Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 93 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0009305.
Kommentar
Auffällige Schriftmerkmale sind die geschwungenen und an beiden Enden knopfartig verdickten langen Zierlinien, die am oberen Bogenabschnitt des c und e, an der Fahne des r und am Balken des t jeweils rechts ansetzen. Die Versalien sind durch eingemalte rote Schrägstriche hervorgehoben.
Soweit dies der fragmentarische Zustand der Malereien noch erkennen läßt, sind sie nach Figurenstil und Gewandbehandlung am ehesten ins ausgehende 15. Jahrhundert zu datieren. Eine Entstehung zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist freilich nicht ganz auszuschließen. Form der Schriftbänder und Schriftformen widersprechen diesem Zeitansatz nicht. Die Ausmalung wurde vermutlich bald nach den durch eine Bauzahl im Kreuzgang (nr. 69) dokumentierten Baumaßnahmen von 1486 in Angriff genommen10. Das Bild des Marientods bildete wohl den Abschluß des Zyklus. Da es sich in der Raumfolge an die Bilder der Kreuzgang-Nordwand anschließt und die Stifterfigur des Abts stilistisch mit den Stifterfiguren jener Bilder übereinstimmt, ist eine gleichzeitige Entstehung anzunehmen. Dazu paßt, daß auch die Form der Wappenschilde nach etwa 1510 kaum mehr zu beobachten ist. Die Jahreszahl 1541 kennzeichnet daher wohl eine spätere Renovierung. Der Abt (oder Weihbischof?), der sich hier als Stifter darstellen ließ und der seinem Habit und dem Krummstab nach nicht dem Predigerorden angehört, läßt sich bislang nicht nachweisen11.