Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 48 Weikersheim, ev. Stadtkirche 1437

Beschreibung

Epitaph für Heinrich Herzog von Sachsen-Lauenburg. Im Langhaus am östlichen Pfeiler der Nordseite, dem Mittelschiff zugekehrt. Hochrechteckiges Denkmal aus gebranntem Ton, aus mehreren Stücken zusammengesetzt, bemalt1; auf Sandsteinkonsole2. Gekehlter, mit Blattstab belegter Rahmen. In der Mitte steht unter einem Baldachin und vor dem durch die Maserung als Holzwand gestalteten Hintergrund die vollrunde lebensgroße Figur des Knaben auf einem hohlen Baumstumpf3. Das Kind ist mit einem knielangen Hemdchen bekleidet und legt die Hände zum Gebet zusammen. Der Baumstumpf ist weitgehend verdeckt durch ein geschwungenes und an den Enden eingerolltes Schriftblatt mit in schwarzer Farbe aufgemalter Sterbeinschrift. Zu beiden Seiten des Kindes vier große nach innen gelehnte Wappenschilde, jeweils unter einem reich mit Maßwerk, Krabben und bekrönender Kreuzblume verzierten Kielbogen; zum Mittelteil hin ursprünglich vier flankierende Fialen, von denen die beiden unteren jetzt fehlen. Reliefteile der Architekturrahmung und des Blattstabs weggebrochen; Inschrift durch mehrfache Übermalung verfälscht4.

Maße: H. (ohne Konsole) 143,5, B. 116,5, Bu. 2,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. [D]oa) man czalt xiiiic b) xxxvii iạr starb her ·c) / [. . . . .]d) herczog czu sahssene) ḍer hoch geborn / frauwen elssen herczoginf) zvg) sahssene) vnd frạv / czv winsperg son vf donerstag vor sant ba/rtolmevsh) tag des sellen got ba[r]mherczigi) sey

Datum: 22. August 1437.

Wappen:
SachsenWeinsberg
Leiningen5Braunschweig6.

Kommentar

Die Eltern Heinrichs waren der Askanier Erich V. Herzog von Sachsen-Lauenburg, erfolgloser Aspirant auf die Nachfolge der nach Aussterben der Wittenberger Askanier 1422 freigewordenen sächsischen Kurwürde7, und dessen zweite Frau Elisabeth von Weinsberg, die Tochter des Weikersheimer Stadtherrn Konrad von Weinsberg. Das Geburtsjahr Heinrichs ist nicht bekannt. Nach Herzog Erichs frühem Tod Ende 1435 scheint sich seine Witwe mit dem Sohn nach Weikersheim zurückgezogen zu haben8. Heinrich war offenbar das einzige Kind aus dieser Ehe. Da die Lauenburger Linie der Askanier durch Erichs Bruder Bernhard IV. weitergeführt wurde, dürfte der abgebrochene Baumstumpf auf dem Epitaph sich nicht auf die Herzöge von Sachsen beziehen, sondern vielmehr das Aussterben des Geschlechts der Herren von Weinsberg symbolisieren: der kleine Heinrich war der einzige Enkel Konrads von Weinsberg. Daß Konrad aus zweiter Ehe mit Anna Gräfin von Henneberg (Heirat 1434) noch zwei Söhne bekommen würde, war 1437 noch nicht absehbar9.

Auftraggeber für das ungewöhnliche Denkmal – ein frühes Beispiel eines Kindergrabmals – war sicherlich Konrad von Weinsberg, der Stifter und Förderer der Weikersheimer Pfarrkirche10. Ein 1438 von ihm – wahrscheinlich für diese Kirche – in Auftrag gegebenes Epitaph für sich und seine beiden Frauen Anna von Hohenlohe und Anna Gräfin von Henneberg, von dem nur die Entwurfzeichnung erhalten ist11, gleicht im Aufbau und in vielen Details dem Epitaph für den Herzogssohn, freilich ins Monumentale umgesetzt. Der Entwurf beider Grabmäler stammt sicherlich von demselben Meister12. Die Ausführung besorgte ein „bildemecher zu Backenat“ (Backnang)13.

Textkritischer Apparat

  1. Erster Buchstabe vom Rest der Fiale völlig verdeckt; von o nur die linke Hälfte erhalten.
  2. Hochgestellter Multiplikator c durch Übermalung völlig verfälscht; MCCCC Wibel; OAB Mergentheim; Engel.
  3. Doppelstrich als Interpunktionszeichen; in dieser Form kaum ursprünglich, vgl. Anm. d.
  4. Jetziger Befund wohl nicht ursprünglich: vck, davor Platz für etwa zwei Buchstaben; Henryck Wibel; heinz OAB Mergentheim (vermutlich konj.); Heinz konj. Engel; Seeliger-Zeiss (nach OAB Mergentheim). Vereinbar mit dem jetzigen Befund wäre allenfalls ein ursprüngliches jvnck oder jv(n)ck, was aber voraussetzen würde, daß das letzte Wort der ersten Zeile der hieß (dann würde der Name des Prinzen fehlen, was unwahrscheinlich ist) oder ursprünglich als he(n)r[ich] zu lesen war. Ohnehin fallen der große Leerraum am Zeilenende und das seltsame „Interpunktionszeichen“ (vgl. Anm. c) auf. Für die hier erwogene Lesung jvnck herczog vgl. als Parallele den Titel JUNGE HERZOGYNNE auf dem Siegel der Elisabeth von Nassau, Frau des Jungherzogs von Jülich, von 1476: Rheinische Siegel, hg. v. Wilhelm Ewald (Publikationen d. Ges. f. Rheinische Geschichtskunde 27) VI: Siegel der Grafen und Herzöge von Jülich, Berg, Cleve, Herrn von Heinsberg, Bonn 1941, m. Textbd., bearb. v. Edith Meyer-Wurmbach, Bonn 1963, Nr. 12 Taf. 12; vgl. auch Andrea Stieldorf, Rheinische Frauensiegel. Zur rechtlichen und sozialen Stellung weltlicher Frauen im 13. und 14. Jahrhundert (Rheinisches Archiv 142), Köln Weimar Wien 1999, 310 Anm. 245.
  5. Meysen Wibel.
  6. Konjektur; jetziger Befund: herzzogin.
  7. Ursprünglich – analog zur Schreibweise in der übrigen Inschrift – vermutlich czv.
  8. Rechter Schaft des v in weitem Bogen unter die Grundlinie verlängert, wie y. Der Bogen gehörte aber ursprünglich zum Schluß-s, wie der Vergleich mit dem übernächsten Wort in der Zeile lehrt; Restaurierungsfehler.
  9. Hinter dem jetzt zu breit nachgemalten a ursprünglich sicherlich ein r.

Anmerkungen

  1. Die Farbfassung stammt nach Schönhuth, Denkmale Weikersheim 99f. aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, sie sei aber „zuverläßig nur Wiederauffrischung früherer verblichener Farben“.
  2. Ausführliche Beschreibung: Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 255–258.
  3. Die Figur nach Keppler 232 angeblich „in Blei getrieben“; ebenso Gräter, Weikersheim 21972, 23; Gräter/Fuchs, Hohenlohe 155.
  4. Nicht nur die schwarze Schrift wurde nachgezogen, sondern auch der helle Schriftgrund ist unter Aussparung der Inschrift nachgemalt, wodurch die Konturen der Buchstaben stellenweise verwischt sind.
  5. Die 3 Adler hier fälschlich rot statt silbern.
  6. Die Ahnenprobe ist unregelmäßig: heraldisch rechts unten das Wappen der Urgroßmutter mütterlicherseits Anna Gräfin von Leiningen, links unten das der Großmutter väterlicherseits, Sophie Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (vgl. Schwennicke, Eur. Stammtaf. NF I.2, Taf. 197). Das Wappen der Großmutter mütterlicherseits, Annas von Hohenlohe, fehlt. Offensichtlich wurde hier eine Generation weiter zurückgegangen, um das Wappen der ständisch höher stehenden Gräfin von Leiningen in der Ahnenprobe unterzubringen. Ob die Übergehung Annas von Hohenlohe noch zu ihren Lebzeiten († 1434) möglich gewesen wäre, ist freilich fraglich.
  7. Vgl. Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 258; eine brauchbare Darstellung der Geschichte des Hauses Sachsen-Lauenburg ist ein Desiderat. Die jüngste Arbeit von Jörg Meyn, Vom spätmittelalterlichen Gebietsherzogtum zum frühneuzeitlichen „Territorialstaat“. Das askanische Herzogtum Sachsen 1180–1543 (Schriftenreihe d. Stiftung Herzogtum Lauenburg 20), Hamburg 1995, streift die Frage der Auseinandersetzungen um die Kurwürde nur am Rande.
  8. Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 258, 273 Anm. 17.
  9. Ebd. 259, 273 Anm. 22. Mit diesen nach 1438 geborenen Söhnen Philipp d. Ä. († 1506) und Philipp d. J. († nach 1511 II 1) starb das Geschlecht dann freilich im Mannesstamm aus; vgl. Eur. Stammtaf. NF XVI, Taf. 142.
  10. Vgl. nr. 42. Ausführliche Würdigung des Grabmals durch Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 258–261.
  11. Vgl. Karl Schumm, Der Entwurf zu einem Grabmal Konrads von Weinsberg († 1448), in: Mainfränk. Jb. 2 (1950) 122–130. Dieses Grabmal war 1444 noch nicht fertiggestellt; ob es jemals aufgestellt wurde, ist nicht bekannt. Konrad von Weinsberg ist 1448 gestorben.
  12. Auch dazu Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 260f.
  13. Ebd. 260f. Dort auch Hinweise zur gegenüber der Steinbildhauerei kostengünstigeren Ausführung in Ton. Wentzel, Stifterbilder (wie unten) 252 will in dem ausführenden Meister denselben sehen, der die Stifterfigur von St. Urban in Schwäbisch Hall-Unterlimpurg (um 1420) geschaffen hat; m. E. wenig überzeugend.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 120.
  2. Denkmale d. Alterthums 139f.
  3. Schönhuth, Denkmale Weikersheim 99f.
  4. OAB Mergentheim 780f.
  5. Hans Wentzel, Stifterbilder der Zeit um 1400 in Württemberg, in: WFr 20/21 (1939/40) 240–254, hier: 249 (Abb.).
  6. Engel, Prinzle 2f. (m. Abb.).
  7. Gräter, Weikersheim 21972, 23, 21 (Abb.).
  8. Merten, Stadtkirche 1976, 14 (Abb.); 41982, 15 (Abb.).
  9. Gräter/Fuchs, Hohenlohe 172 (Abb.).
  10. Seeliger-Zeiss, Grabmal d. Prinzen 255–258 (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 48 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0004804.