Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

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DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

A3 Adolzhausen (Stadt Niederstetten), ev. Pfarrhaus 1520

Beschreibung

Kelch, gestiftet von Johannes Liener, Abt des Klosters Hl. Kreuz in Donauwörth. Wohl erst nach 1650 durch den Pfarrer Julius Amandus Raußendorf, Feldprediger im schwedischen Heer und von 1658 bis 1662 (†) Pfarrer in Adolzhausen, nach Adolzhausen gebracht1. Gold, gegossen, getrieben und graviert, mit Edelsteinen besetzt. Sechspaßfuß über abgetrepptem Sockel, in den Zwickeln gegossene, sich überkreuzende Aststücke. Gebuckelte tropfenförmige Sechspaßfelder, getrennt durch Grate, die den Fuß nach oben hin ins Sechseck überführen. In den sechs Feldern gravierte Bilder (im Gegenuhrzeigersinn): 1. Abtswappen mit Mitra und Pedum; 2. Wappenschild, umgeben von einem reich verschlungenen Schriftband mit Wappenbeischrift (B), über dem Schild zu beiden Seiten des Schiftbands außerdem zwei Initialen (C); 3. Brustbild des hl. Paulus mit Schwert, flankiert von Initialen (D); 4. Brustbild der hl. Jungfrau Maria mit vor der Brust gekreuzten Armen, flankiert von Initialen (E); 5. Kopf Christi im Profil nach links, flankiert von Initialen (F); 6. Brustbild des hl. Petrus mit Schlüssel, ebenfalls zwischen zwei Initialen (G); alle Initialen in Kontur- oder in teilweise konturierter Schrift. Am Fußhals symmetrische Pflanzenmotive. In die Felder des sechseckigen Schafts sind verschiedene Formen von Blumenvasen graviert. Der sechseckige Nodus mit umlaufendem Schriftband (A) zeigt auf der Unterseite getriebene Kelchblätter, auf der Oberseite gegossenes, sich vielfach überkreuzendes Astwerk sowie sechs Edelsteine in runden Fassungen. Geradwandige hohe Cuppa über flachem Kelchkorb aus durchbrochen gearbeitetem Blattwerk. Auf der Unterseite des Fußes läuft in den sechs gebuckelten Feldern eine – im letzten Feld zweizeilige – Stifterinschrift (H) um; in fünf der Felder ist darunter eine weitere Inschrift (J) flüchtig eingeritzt, die die Gewichtsangabe des Kelchs enthält.

Maße: H. 19,2, Dm. (Cuppa) 11, (Fuß) 14, Bu. 0,4 (A), 0,25 (B), 0,6–0,8 (C–G), 0,5 (H), 0,2–0,3 cm (J).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (A, C, H), Kapitalis (B, D–G), Kursive (J).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/12]

  1. A

    IHESVS · / · CRITSVSa) / · MARIE · / · NATVS : / · · 1 · 5 · 20b) · · / · I(OHANNES) · · A(BBAS) ·c)

  2. B

    S(AN)C/TEd) // C/RV//CI/Se)

  3. C

    I(ohannes) A(bbas)

  4. D

    S(anctus) P(aulus)

  5. E

    I(mmaculata)f) M(aria)

  6. F

    I(esus) C(hristus)

  7. G

    S(anctus) P(etrus)

  8. H

    D(OMI)N(V)S ·g) IOH(ANN)ES // LIENER · · DE ·h) VL(M)A // ABBAS · MONA=//STERIJi) · S(ANC)TE // CRVCIS · IN // WERDk) · AN(N)O · D(OMI)NI / · 1 · 5 · 20b) ·

  9. J

    ẉigt 5l) // mArk // 6̣ Lott // min(us) // 1 qụạṇt

Übersetzung:

Jesus Christus, Sohn Mariae (A). – Johannes Abt von Hl. Kreuz (B, C). – Herr Johannes Liener aus Ulm, Abt des Klosters Hl. Kreuz in Wörth, im Jahr des Herrn 1520 (H).

Wappen:
Liener2, Hl. Kreuz Donauwörth3.

Kommentar

Auffällige Schriftmerkmale sind links offenes D mit verkürztem Schaft, halbunziales B mit deutlich über der Schaftmitte ansetzendem Bogen, spiegelverkehrtes N, R mit stark geschwungener Cauda und mächtige, nach oben ausgebuchtete Kürzungsstriche. Paarweise Zierpunkte finden sich fast regelmäßig am Schaft des I, am Mittelteil des S und an den Bogeninnenseiten des O. A ist oben stumpf und hat gelegentlich einen nach links überstehenden Deckbalken. In Inschrift (C) ist der Mittelbalken des A geknickt, und der Deckbalken steht beidseitig über. Der Stifter des wertvollen Kelchs, Johannes L(i)ener, war zunächst Prior, dann von 1519 (Wahl am 5. September) bis zu seinem Tod am 27. Februar 1523 Abt von Heiligkreuz4.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Eckige 2, die 0 dahinter klein hochgestellt.
  3. Als Trennzeichen sind teils konturierte Rauten gesetzt, teils klammerartig nach rechts oder links durchgebogene, am Bogenrücken mit Strahlen besetzte Linien; als Zifferntrenner einfache Punkte.
  4. Der Kürzungsstrich über TE außerhalb des Schriftbands.
  5. Der Genitiv zu beziehen auf die Wappendarstellung oder auf Inschrift (C).
  6. Auflösung unsicher.
  7. Als Worttrenner konturierte Rauten.
  8. · DE · über der Zeile von derselben Hand nachgetragen.
  9. T über der Zeile etwas kleiner von derselben Hand nachgetragen.
  10. R in kleinerem Schriftgrad über das E gesetzt.
  11. Linksgewendete eckige 5.

Anmerkungen

  1. So jedenfalls Pfarrbeschreibung für die Pfarrei Adolzhausen 1905 (LKA, A 29, 36), 41. Donauwörth wurde 1632 von König Gustav Adolf erobert. Der Kelch wurde vermutlich damals erbeutet. Zu Raußendorf vgl. Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 346 nr. 2030.
  2. Schrägbalken, belegt mit einem Weberschiffchen; Feld rankendamasziert. Schild von Mitra bekrönt und schräglinks hinterlegt von einem Krummstab. Die Pontifikalien – und damit das Recht auch auf den heraldischen Gebrauch der Mitra – wurden 1452 durch Papst Nikolaus V. verliehen; vgl. Hemmerle, Benediktinerklöster in Bayern 75; zum Wappen Lieners vgl. Eduard Zimmermann, Bayerische Kloster-Heraldik. Die Wappen der Äbte und Pröpste der bis zur allgemeinen Säkularisation in Ober- und Niederbayern, der Oberpfalz und bayerisch Schwaben bestandenen Herrenklöster, München 1930, 66.
  3. Patriarchenkreuz mit Fußbalken; vgl. Hemmerle, Benediktinerklöster in Bayern 78; A. M. Seitz, Wappen der ehem. Reichsabtei Hl. Kreuz, in: Nordschwäbische Chronik 1 (1948) 55–57; Zimmermann (wie Anm. 2) 66f.
  4. Cölestin Königsdorfer, Geschichte des Klosters zum Heil. Kreutz in Donauwörth, Bd. 2, Donauwörth 1825, 4–6; Hemmerle, Benediktinerklöster in Bayern 77.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 125 (nur H).
  2. OAB Mergentheim 433 (nur erwähnt).
  3. Keppler 223 (nur H).
  4. Pfarrbeschreibung für die Pfarrei Adolzhausen 1905 (LKA, A 29, 36), 41 (nur erwähnt).
  5. Adolf Gommel, Tauf- und Abendmahlsgeräte aus ev. Kirchen in Württemberg, Tübingen 1969, Abb. 42 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, A3 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014a1000307.