Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 382 Bad Mergentheim, kath. Münster St. Johannes d. Täufer, Ecksche Kapelle 1607

Beschreibung

Wand- und Gewölbemalereien überwiegend mariologischen Inhalts. Durch den Maler Melchior Stölz aus Innsbruck ausgeführt, 1906 aufgedeckt und von dem Maler Georg Loosen aus Köln restauriert, 1987 erneut restauriert durch H. Stempflhuber1. Die Ecksche Kapelle, als zweijochige Kapelle mit Polygonalschluß über der Sakristei errichtet, öffnet sich an der Westwand in einem breiten Spitzbogen zum nördlichen Seitenschiff hin und in einem Flachbogen, der die gesamte Breite des westlichen Jochs überspannt, zum Chor hin; an der Nordwand drei, an der Nordostwand ein Fenster; der Zugang vom Treppenturm her durch die Südostwand. Die Ausmalung erstreckt sich über alle Wände und Gewölbefelder. I. Das östliche Joch wird überspannt von einem Sterngewölbe, auf dessen Felder Engel mit Leidenswerkzeugen gemalt sind. Einer der beiden Engel in der südöstlichen Stichkappe trägt ein Täfelchen mit Kreuztitulus (A). – II. Auf der Westseite des Gurtbogens zwischen beiden Jochen aufgemalte rollwerkgerahmte querrechteckige Kartusche mit Jahreszahl (B). – III. Das westliche Joch ist netzgewölbt. Im östlichen der zentralen viereckigen Felder Darstellung der Geburt Mariae, über der Szene rahmendes weißes Schriftband mit Versinschrift (C), die gegenüber der Ausrichtung des Bildes auf dem Kopf steht2. Im südlichen der mittleren Felder Heimsuchung Mariae mit zahlreichen Assistenzfiguren, unter der Szene rollwerkgerahmte hochovale Schriftkartusche (D). Im nördlichen Feld gegenüber die Darstellung Christi im Tempel, darunter wiederum eine hochovale Schriftkartusche (E). Im westlichen Feld ist das Schweißtuch Christi dargestellt, die Randfelder sind mit Engeln bemalt, die zum Teil auf Saiteninstrumenten spielen. – IV. Die spitz- und rundbogigen Wandfelder unter den Stichkappen zeigen – bis auf die Nordseite, deren Wände durch die Fensteröffnungen durchbrochen sind, – verschiedene Darstellungen Mariae als Himmelskönigin, jeweils mit Bildbeischriften in Schriftbändern, die die Szene rahmend bogenförmig überspannen. Der Zyklus beginnt an der Ostwand: 1. Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit, unter den Wolken die zwölf Apostel (Regina Apostolorum), Beischrift (F); 2. Südostwand: der gekrönte Christus und Maria auf dem Himmelsthron, darunter Heilige, teils mit Palmzweigen (Regina Martyrum), Beischrift (G); 3. Südwand des östlichen Jochs: Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit, unter den Wolken anbetende Weise und Gelehrte, einer von ihnen gekrönt (Regina Prophetarum), Beischrift (H); 4. Südwand des westlichen Jochs, linkes Feld: Christus und Maria mit großer Weltkugel in den Wolken schwebend, darunter heilige Bekenner (Regina Confessorum), Beischrift (J); 5. Rechtes Feld: Maria Magdalena und eine weitere Person unter dem Kreuz, das in die Wolken ragt und dort von der thronenden Muttergottes und dem Christuskind umfaßt wird (Refugium peccatorum), Beischrift (K); 6. Westwand: großes, die gesamte Breite der Wand füllendes Bild mit Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit, begleitet von zahlreichen Engeln, auf der Erde die Vertreter aller Stände im Gebet, gegliedert nach Geistlichen (links) und Laien (rechts), 2zeilige Beischrift (L). – V. Unter den Bogenfeldern läuft ein breites Sims um, darunter weitere Wandmalereien: an der Westwand in den Zwickeln über der Bogenöffnung Verkündigung an Maria, ohne Inschriften. Zwischen den beiden westlichen Fenstern der hl. Georg als Ritter mit Fahne in der Linken, mit der Rechten sein Pferd am Zügel und den besiegten Drachen an einer Kette führend, darunter Beischrift (M); zwischen den beiden östlichen Fenstern der Erzengel Michael im Kampf mit dem Teufel, darunter Beischrift (N). Alle Inschriften sind mit schwarzer Farbe auf weißen, die Inschriften (M) und (N) auf grauen Schriftgrund aufgemalt. Der Schriftbefund scheint bei der Freilegung und Restaurierung, zumindest stellenweise, erheblich verfälscht worden zu sein. Der ursprüngliche Bestand läßt sich ohne nähere Untersuchungen nicht bestimmen.

Maße: Bu. 3,0–3,5 (A–L), 5,2 (M), 4,7 cm (N).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/16]

  1. A

    I · N · R · I ·

  2. B

    1 . 6 . 0 . 7 .

  3. C

    NATA RECENS, QVANTOS Ô QVANTOS ANNA / PER VMBRAS EMITTIT.a) / CLARO RADIOS VIRGVNCVLA VVLTV.

  4. D

    VT TVA VIR:/GO MEAS SVBIITb) / VOX CLARIOR AV:/RES EXILIIT GRA/VIDAc) PROLES SE/MESTRIS IN / ALVO.

  5. E

    MORTALI SI/MILIS DEVS HIC / MORTALIS ET IPSE / SISTITVR ANTE ARAS, COELI QVI / PRAESIDETd) ARISe)

  6. F

    SALVE REGINA MATER MISERICORDIAE.3)

  7. G

    VITA DVLCEDO ET SPES NOSTRA SALVE.

  8. H

    AD TE CLAMAMVS EXVLESf) FILII HEVAE.

  9. J

    AD TE SVSPIRAMVS GEMENTES ET FLENTES IN HAC LACRIMARVM VALLE.

  10. K

    EJA ERGO ADVOCATA NOSTRA, ILLOS TVOS MISERICORDES OCVLOS AD NOS CONVERTE

  11. L

    ET IESVM BENEDICTV(M) FRVCTVM VE(N)TRIS TVI NOBIS NOST EXILCIV(M)g) OSTENDE / O CLEMENS, O PIA, O DVLCIS, VIRGO MARIA

  12. M

    S. GEORG

  13. N

    S. MICHAEL ARCHANG(ELVS)

Übersetzung:

Neugeborenes Mägdlein, wieviele, o wieviele Strahlen entsendet Anna durch dein leuchtendes Antlitz durch die Dunkelheit. – Sobald deine glockenklare Stimme, Jungfrau, an meine Ohren drang, hüpfte im schwangeren Bauch der halbjährige Sproß. – Hier ist Gott, einem Sterblichen ähnlich, und selbst sterblich, wird er vor die Altäre gestellt, er, der über die Altäre des Himmels herrscht. – Sei gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Wonne und Hoffnung, sei gegrüßt. Dich rufen wir an, wir verbannten Kinder Evas. Zu dir seufzen wir jammernd und weinend in diesem Tal der Tränen. Auf also, unsere Beschützerin, richte diese deine mitleidigen Augen auf uns. Und laß uns Jesum, die gebenedeite Frucht deines Leibes, nach dieser Verbannung schauen, o milde, o fromme, o süße Jungfrau Maria.

Versmaß: Hexameter (C, D, E).

Kommentar

Während sich für die metrischen Beischriften (C), (D) und (E) keine Vorlagen finden ließen, bilden die Inschriften (F) bis (L) die berühmte marianische Antiphon Salve Regina, deren handschriftliche Überlieferung angeblich bereits im 11. Jahrhundert einsetzt und deren Einfügung in die Liturgie seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar und weit verbreitet ist4. Sie wurde von Papst Pius V. in das römische Reformbrevier von 1568 als Schlußgebet der kanonischen Tagzeiten aufgenommen als Ersatz für die bis dahin obligatorische tägliche Rezitation des kleinen marianischen Offiziums. Bei dieser Aufnahme ins Römische Brevier wurde der Textbeginn um das Wort „mater“ erweitert und der Lesart „vita, dulcedo“ vor „vitae dulcedo“ der Vorzug gegeben5. Dieser Fassung entspricht der Wortlaut der Inschriften.

Auftraggeber für den Bau der Kapelle und für ihre Ausmalung war Johann Marquard Freiherr Eck von Hungersbach, Landkomtur von Österreich, Obersthofmeister und 1606–1612 Statthalter des Hoch- und Deutschmeisters Maximilian in Mergentheim6. Eck ist mit seinem Wappen als Stifter kniend vor der Muttergottes auf dem in der Kapelle erhaltenen Altarbild dargestellt (ohne Inschriften). Er trat auch als Auftraggeber und Stifter beim Ausbau der Stuppacher Marienkirche 1607 (vgl. nr. 385) und beim Bau der Mergentheimer Friedhofskapelle St. Michael (1609) hervor sowie als Stifter des Mergentheimer Ordenspriesterseminars 16077. Er ist 1619 gestorben. Sein (inschriftloses) Epitaph befindet sich im nördlichen Seitenschiff des Johannesmünsters. Die sog. Ecksche Kapelle ist – trotz des ausgeprägt mariologischen Programms der Ausmalung – nicht der allerseligsten Jungfrau geweiht, sondern den Mitpatronen des Deutschen Ordens St. Georg und St. Elisabeth. Sie diente dem Hoch- und Deutschmeister als Oratorium. Die von Eck auf den Marienaltar der Kapelle gestifteten Jahrtage wurden bis 1780 begangen und seither am Elisabethaltar unten in der Pfarrkirche abgehalten8.

Textkritischer Apparat

  1. TIT. in kleinerem Schriftgrad.
  2. T in kleinerem Schriftgrad.
  3. Erstes A am Zeilenende in kleinerem Schriftgrad.
  4. R und A verschränkt.
  5. S in kleinerem Schriftgrad hochgestellt.
  6. Befund: EX VLES getrennt geschrieben; ursprünglich vielleicht EXSVLES?
  7. So statt POST HOC EXSILIVM; offensichtlich Restaurierungsfehler.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schöninger 15f. bzw. die aufgemalte Renovierungsinschrift an der Südostwand der Kapelle über dem Eingang.
  2. Dadurch ergibt sich aber dieselbe Leserichtung (Blick von Westen nach Osten) wie für die unmittelbar darunter auf den Gurtbogen gemalte Inschrift (B).
  3. Inschriften (F) bis (L) bilden zusammen die marianische Antiphon Salve Regina, ed. AH 30, 318 nr. 245. Inschriftliche Verwendung des Schlußsatzes O CLEMENS O PIA O DVLCIS MARIA auch auf dem Epitaph des Raitenhaslacher Abtes Ulrich Molzner von 1506; vgl. Dorner, Inschriften Raitenhaslach nr. 73.
  4. Vgl. Wolfgang Irtenkauf, Art. „Salve Regina“, in: LThK2 9 (1964) Sp. 281f. Der Verfasser ist nach wie vor umstritten; in die Diskussion gebracht wurden Hermannus Contractus, Petrus von Compostela, Ademar von Puy und Bernhard von Clairvaux. Vgl. zuletzt Art. „Salve Regina“ in: Marienlexikon, hg. v. Remigius Bäumer u. Leo Scheffczyk, Bd. 5, St. Ottilien 1993, 648–650 sowie ausführlich (mit Zuschreibung an Bernhard von Clairvaux): Jose Maria Canal, Salve Regina misericordiae. Historia y leyendas en torno a esta antifona (Temi e testi 9), Roma 1963, bes. 37–61, 127–156; ferner: Andreas Heinz, Art. „Marianische Antiphonen“, in: LThK3 6 (1997) Sp. 1357–1359.
  5. Vgl. Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hilfswissenschaften, 2. Aufl., begonnen v. Joseph Card. Hergenröther, fortg. v. Franz Kaulen, Bd. 10, Freiburg im Breisgau 1897, Sp. 1580f.
  6. Zu Ecks Karriere im Deutschen Orden und zu seinen gegenreformatorischen Maßnahmen vgl. Noflatscher, Maximilian 283–287. Die Stiftungsurkunde für die Kapelle datiert vom 19. Nov. 1607 und markiert vermutlich den Abschluß der Ausmalung und Ausstattung; vgl. Hirsch 5.
  7. Vgl. Demel, Priesterseminar 38–56.
  8. Kath. PfA Mergentheim, Chronik v. Mergentheim 1843, 46f.

Nachweise

  1. Schöninger 15f. (Kurzbeschreibung ohne Erwähnung der Inschriften).
  2. Appold/Häring 1991 bzw. 21997, 15 (Abb. v. Inschrift L).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 382 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0038201.