Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 33 Creglingen, Rathaus II, Torstraße 2 2. H. 14. Jh.

Beschreibung

Kleine Glocke des Nürnberger Gießers Hermann Kessler (II), aus dem im Jahre 1875 abgebrochenen Stadtzinkenistenturm (Türmerturm), im selben Jahr in das aus dem ehem. herrschaftlichen Fruchtkasten umgebaute Schulhaus überführt1. Im Dachreiter; eine Besichtigung war nur von einer Seite her möglich, von der Rückseite war nur ein kleiner Ausschnitt einsehbar. Schulterinschrift zwischen Zwillingsstegen.

Textergänzung nach OAB Mergentheim2.

Maße: H. (o. Krone) ca. 45, Dm. ca. 50, Bu. ca. 1,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. + HOMOa) · QWIDAMb) · FECIT · CECNAMc) · MAGNAMd) · ET · [– – –] ṢẸṚVVMe) · SVVMf) · ORA · COENAE3

Übersetzung:

Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl, und er (schickte) seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls.

Kommentar

Als Worttrenner dienen Glöckchen im Wechsel mit Rosetten. Die Schrift ist eine relativ breit proportionierte gotische Majuskel, deren weit ausladende Sporen aufgesetzte Schwellungen tragen. Die starken Bogenschwellungen der runden Buchstaben sind teilweise spitz ausgezogen. Auffällig ist das kapitale T mit keilförmigen, weit herabreichenden und nach außen umgebogenen Balkensporen sowie mit Nodus am Schaft. Das pseudounziale A zeigt in Verlängerung des Balkens einen links an die Schwellung des geschwungenen linken Schafts angesetzten Haken. Alle genannten Schriftmerkmale sprechen für eine Fertigung der Glocke durch den von 1347 bis um 1390 nachweisbaren Nürnberger Gießer Hermann Kessler (II)4, besonders ähnlich ist die Schrift der 1381 gegossenen Kessler-Glocke in dem nur wenige Kilometer tauberaufwärts gelegenen Bettwar (Gde. Steinsfeld, Lkr. Ansbach)5.

Das selten inschriftlich verwendete Bibelzitat bezieht sich sicherlich auf die ursprüngliche Funktion der Glocke: das Abendläuten. Der Stadtzinkenistenturm war der innere und höchste Turm des oberen Tors der Stadtbefestigung6.

Textkritischer Apparat

  1. Text ergänzt nach OAB Mergentheim; Invokationskreuz ergänzt nach dem üblichen Formular der Kessler-Glocken.
  2. quidam OAB Mergentheim.
  3. So statt CENAM; coenam OAB Mergentheim.
  4. Nur MA zu erkennen; ab hier Textergänzung nach OAB Mergentheim.
  5. Die beiden V zum W verschränkt; magnam et servum OAB Mergentheim. Zwischen den einsehbaren Passagen der Inschrift ist Raum für mehr Text als in OAB Mergentheim überliefert, für den entsprechenden vollständigen Bibeltext „… magnam et vocabit multos et misit servum …“ dürfte der Platz allerdings nicht ausreichen.
  6. Inschrift ab hier ergänzt nach OAB Mergentheim.

Anmerkungen

  1. OAB Mergentheim 497.
  2. Dort Wiedergabe der Inschrift in Minuskeln und ohne Worttrenner.
  3. Lc 14, 16–17.
  4. Vgl. dazu Dt. Glockenatlas Baden 80 Anm. 27; Dt. Glockenatlas Mittelfranken 12–14.
  5. Ebd. Nr. 922 mit Abb. 20.
  6. Vgl. OAB Mergentheim 482.

Nachweise

  1. OAB Mergentheim 497.
  2. Nasse, Aus der Vergangenheit 73 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 33 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0003303.