Die Inschriften des ehemaligen Landkreises Mergentheim

3. Die nicht-originale Überlieferung der Inschriften

Von den im vorliegenden Band erfaßten Inschriften sind 421 erhalten, 115 nur mehr kopial überliefert68). Somit beträgt der Anteil der nicht erhaltenen Inschriften nur 21%69). Dies hat seinen Grund zum einen in der ungewöhnlich hohen Zahl der im Original auf uns gekommenen Inschriften der Creglinger Herrgottskapelle, zum anderen aber – und vor allem – im Fehlen früher Inschriftensammlungen für unser Bearbeitungsgebiet. Weder für die vor ihrer Aufhebung mit Sicherheit inschriftenreichen Klöster Schäftersheim und Frauental noch für die Hohenlohe-Residenz Weikersheim, die Deutschordensstadt Mergentheim oder die Ritterschaftsorte mit ihren vom Adel als Grablegen genutzten Kirchen existieren Aufzeichnungen, die den Inschriften Aufmerksamkeit geschenkt oder diese überliefert hätten. Die Quellen der Kopialüberlieferung sind somit sehr disparat und bereichern den Inschriftenbestand meist nur unwesentlich.

Im Zusammenhang mit genealogischen Aufzeichnungen zum südwestdeutschen Adel70) gibt der württembergische Leibarzt und Hofhistoriograph Oswald Gabelkover (1539–1616) die Ahnenproben und den – offenbar verkürzten – Wortlaut der Inschriften71) von zwei Grabmälern der Horneck von Hornberg wieder (nrr. 140, 177). Die Wappenwiedergabe spricht für Autopsie. Das betreffende Blatt ist mit „Mergentheim“ überschrieben, so daß die anderweitig nicht nachgewiesenen Inschriften wohl nach Mergentheim gehören; ihr Standort ist unbekannt.

Ebenfalls eher beiläufig teilt der württembergische Mathematiker und Archivar am herzoglichen Archiv Friedrich Rüttel (1579–1634) in seinen um 1630 entstandenen historischen und genealogischen [Druckseite XXVII] Kollektaneen72) unter den Notizen zu den Herren von Weinsberg eine Grabinschrift aus Kloster Schäftersheim mit (nr. 8), für die er die einzige Quelle ist. An der Zuverlässigkeit der Textwiedergabe sind freilich Zweifel angebracht.

Den vollständigen Text der Sterbeinschrift für den hohenlohischen Hofprediger Assum (nr. 427 A) kennen wir nur durch die 1709 im Druck erschienene „Memoria Theologorum wirtembergensium“ des Spezialsuperintendenten zu Heidenheim Ludwig Melchior Fischlin (1672–1729). Eine etwas verkürzte Fassung derselben Inschrift überliefert der hohenlohische Hofprediger zu Langenburg und Historiker Johann Christian Wibel (1711–72) in seiner ausführlichen vierbändigen, 1752–55 erschienenen Hohenlohischen Kyrchen- und Reformations-Historie73). Wibel ist darüber hinaus der einzige Gewährsmann für zwei frühe Sterbeinschriften für Herren von Hohenlohe in Mergentheim und Schäftersheim (nrr. 1, 20). Ob ihre Kenntnis auf Autopsie beruht, ist unklar, an der korrekten Textwiedergabe sind zumindest Zweifel angebracht. In einer Abhandlung über Kloster Frauental74) gibt Wibel ferner die „in einem Manuscripto gefundene“ Grabschrift Gottfrieds von Brauneck (nr. 22) wieder. Die Textüberlieferung scheint verderbt, so daß Wibel bei der erneuten Wiedergabe in seiner Kyrchen- und Reformations-Historie – allerdings wenig glücklich – in den Text eingreift. Auch sonst beschränkt sich das epigraphische Interesse des Autors im wesentlichen auf die Grabschriften für Angehörige des Hauses Hohenlohe, die er vereinzelt mitteilt. So verdanken wir ihm die Kenntnis der Inschriften von drei Weikersheimer Grabplatten (nrr. 114, 117, 155), die 130 Jahre später zur Zeit der Abfassung der Oberamtsbeschreibung75) nicht mehr oder nur noch zum Teil lesbar waren. Immerhin legt der Vergleich mit den auch später noch erkennbaren Textpassagen die Vermutung nahe, daß Wibel offenbar mitunter den Wortlaut verkürzte bzw. in der Schreibweise einzelner Wörter vom Original abwich76).

Das am Ende des Alten Reichs nahezu unversehrte, äußerst umfangreiche Deutschordenshauptarchiv in Mergentheim wurde im Zuge der politischen Neuordnung des frühen 19. Jahrhunderts schrittweise dezimiert, seine Bestände wurden auseinandergerissen und gelangten in zahlreiche Archive der territorial-staatlichen Rechtsnachfolger des Deutschen Ordens77). Nach der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Wien wurden nach und nach die Archivalien dorthin abgegeben, die den Orden im Allgemeinen, die innere Ordensverfassung, Geheime Kanzlei- und Kabinettsangelegenheiten und weiterexistierenden Ordensbesitz betrafen, sowie unter anderem Stammbäume und Ahnenproben und weitere die Ordensmitglieder berührende Akten. Sie wurden zum Grundstock des 1852 unter der Regie des Benediktiners Beda Dudík eingerichteten Deutschordenszentralarchivs. In Mergentheim verblieben im wesentlichen nur die territorial-staatlichen Dokumente des Ordens, sofern sie auf Württemberg Bezug hatten oder unteilbar waren. Nachdem 1809 der letzte Archivar des Deutschen Ordens in französische Dienste gewechselt war, blieb das Mergentheimer Archiv – nunmehr königlich-württembergisches Archivdepot (Nebenarchiv) – jahrelang ohne Aufsicht, bis 1813 dem vormaligen deutschordischen Hofratssekretär Paul Anton Breitenbach (1754–1834) als Pensionär des Deutschen Ordens die Betreuung des Archivs übertragen wurde. Breitenbach war schon früher mit dem Ordnen des Archivs betraut gewesen und somit mit dessen Beständen bestens vertraut. Aus historischem Interesse legte er eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte des Deutschmeistertums, des Mergentheimer Meisterstaates und der deutschen Balleien sowie zur Stadt Mergentheim und ihrer Umgebung an. Diese Sammlung bestand aus zahllosen Abschriften von Urkunden und Akten, deren Originale zu einem großen Teil das Mergentheimer Archiv verließen und von denen etliche heute nicht mehr existieren oder jedenfalls nicht mehr nachweisbar sind; teilweise reihte Breitenbach auch Originale in die Sammlung ein. Diese Sammlung wurde von Anton Breitenbach (1799–1868), einem Neffen des Archivars, ergänzt und fortgeführt. Er war seit 1824 Assistent seines Onkels und rückte nach dessen Tod 1834 auf die Stelle des Archivars nach78). Teile der Breitenbachschen [Druckseite XXVIII] Urkunden- und Aktensammlung wurden von Dudík für das Wiener Archiv angekauft79), das meiste blieb aber in Mergentheim und gelangte nach dem Tod des jüngeren Breitenbach bei der Überführung des gesamten Mergentheimer Archivs 1868 in das württembergische Staats-Filial-Archiv (seit 1938 Staatsarchiv) Ludwigsburg (Bestände B 236 und JL 425). Angesichts der geschilderten Zersplitterung der einstigen Bestände des Deutschordenshauptarchivs Mergentheim war eine systematische Sichtung der Archivalien auf kopiale Inschriftenüberlieferung hin unmöglich. Da das für Mergentheim und Umgebung historisch Belangvolle von den beiden Breitenbach offenbar weitgehend in ihren historischen Sammlungen abgeschrieben wurde, beschränkte sich meine Auswertung der Deutschordensarchivalien auf eine eingehende Sichtung dieser Bestände. Das Auffinden der Vorlagen wäre äußerst zeitaufwendig, vermutlich oft unmöglich und somit im Rahmen der vorliegenden Arbeit kaum vertretbar gewesen. Schwerer wiegt der aus arbeitsökonomischen Gründen selbst auferlegte Verzicht auf die Konsultation des Deutschordenszentralarchivs in Wien. Es sei daher ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine systematische Beständesichtung dort durchaus noch die eine oder andere Inschrift aus dem Bearbeitungsgebiet zutage fördern dürfte. Doch stand auch hier der Aufwand in keinem Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis.

Die Breitenbachschen Sammlungen stellen schon ihrer Entstehung nach ein sehr uneinheitliches Konglomerat unterschiedlichsten Inhalts dar. Inschriften wurden nur aufgenommen, um historische Sachverhalte zu dokumentieren; eine systematische Sammlung und Wiedergabe von Inschriften war in der Regel nicht beabsichtigt. Immerhin enthält das zusammengetragene Material neben der Wiedergabe zahlreicher noch erhaltener Inschriften – meist im Rahmen der Beschreibung einzelner Gebäude in Mergentheim – die Texte von einigen nicht anderweitig aufgezeichneten Inschriftenträgern, deren Kenntnis offenbar teils auf Autopsie, teils auf Archivalien beruht. Bei drei Grabschriften aus der Mergentheimer Schloßkapelle (nrr. 24, 132, 498) und drei Grabschriften für Deutschordensritter in der Johanneskirche (nrr. 438, 481, 482), die der jüngere Breitenbach unter einem eigenen Titel „Grabsteininschriften“ zusammenstellte80), ist nicht durchweg mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um inschriftlich ausgeführte oder aber aus Archivalien anderweitig gewonnene Texte handelte. Dagegen beruht die Kenntnis einer Stifterinschrift auf einem Kruzifixus (nr. 509) eindeutig auf Autopsie: Anton Breitenbach ließ die Inschrift sogar von dem mit der Versetzung des Kreuzes betrauten Schreinerlehrling genau abzeichnen. Zwei weitere Grabschriften aus der Mergentheimer Johanneskirche, die in der Aufzählung der „Grabsteininschriften“ fehlen (nrr. 180, 279), finden sich in einem „Verzeichnuß der Canzler des Deutschen Ordens und der Hoch- und Deutschmeister“, das der ältere Breitenbach „nach archivalischen Notizen“ um 1820/30 zusammenstellte81). Beide Grabmäler dürften demnach im 1. Drittel des 19. Jahrhunderts nicht mehr existiert haben. Die Quelle der Textüberlieferung gibt Breitenbach nicht näher an.

Von den Ludwigsburger Beständen des ehemaligen Mergentheimer Archivs wurden über die Breitenbachschen Sammlungen hinaus vor allem die Schloß- und Schatzinventare des Mergentheimer Schlosses, der Burg Neuhaus und der Mergentheimer Kirchen systematisch ausgewertet. Auf eine zusätzliche Überprüfung der weitgehend textgleichen Inventare, die sich heute im Deutschordenszentralarchiv befinden, wurde verzichtet, zumal diese in Beda Dudíks 1865 erschienenem Prachtwerk über die „Kleinodien des Deutschen Ritterordens“82) vollständig ausgewertet wurden unter Zitierung der für die Inschriftenüberlieferung maßgeblichen Passagen. Die Ludwigsburger Inventare83) und Dudíks Werk zusammengenommen liefern Inschriften sehr unterschiedlichen Umfangs von insgesamt 18 verlorenen Schatzkammerstücken aus dem Deutschordensschatz und aus den Schätzen der Mergentheimer Kirchen (Schloß- und Hofkapelle, Johanneskirche, Mariahilf-Kapelle)84). Weitere acht Inschriften auf Paramenten und Geräten steuern Kircheninventare bei, die heute im Stadtarchiv und im Kath. Pfarrarchiv Bad Mergentheim aufbewahrt werden, vermutlich aber ebenfalls aus dem Deutschordenshauptarchiv stammen (nrr. 470, 483, 484, 497, 505, 506). Die Inventare, die vor allem wegen der wiederholt notwendigen Flüchtung des Deutschordensschatzes in dichter zeitlicher Folge neu angelegt wurden, erlauben in der Regel eine recht genaue Aussage über den Zeitpunkt, zu dem einzelne Stücke in den Schatz aufgenommen wurden oder verloren gingen. Der durch Abschreiben der Vorgängerinventare meist gleichbleibende Wortlaut bringt aber mit sich, daß sich die Verzeichnisse in ihrem Informationsgehalt über das Aussehen und damit auch über etwaige Inschriften der einzelnen [Druckseite XXIX] Objekte kaum unterscheiden. Oft werden die Stücke detailliert beschrieben, auch Inschriften erwähnt, deren Wortlaut aber nicht mitgeteilt, so daß sie im vorliegenden Band keine Aufnahme finden konnten (s. Kap. 6).

Die vollständig gesichteten Schloßinventare von Weikersheim und der Rosenfeld-Hatzfeldtschen Herrschaften und die Inventare der Laudenbacher Bergkirche im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein85) förderten nur wenige Inschriften auf Trägern (Trinkgläser, Waffen) ungewisser Provenienz zutage (nrr. 390, 401, 489, 513, 514, 515).

Mehrfach überliefert – sowohl in Archivalien aus dem Mergentheimer Archiv als auch in Chroniken des Kapuzinerordens – sind die Inschriften der Silberplatten, die in die Grundsteine der Kapuzinerklosterkirche in Mergentheim eingelassen waren (nrr. 456, 479). Eine vergleichbare Inschrift aus der dortigen Mariahilf-Kapelle (nr. 490) fand Aufnahme in den Breitenbachschen Sammlungen.

Die Kenntnis der Grabschrift eines Ritters von Bartenstein in der Mergentheimer Johanneskirche (nr. 10) verdanken wir den offenbar auf Autopsie beruhenden Aufzeichnungen des Mergentheimer Oberamtsarztes Christian Friedrich Bauer (1776–1838)86), dessen historischen Interessen u. a. eine Abhandlung über die Ritterburgen in Franken und Schwaben (WLB, Cod. hist. F 687)87) und eine bis etwa 1836 geführte Chronik von Mergentheim (WLB, Cod. hist. F 692) entsprangen. Vor allem die Chronik, von der verschiedene Fassungen und Abschriften existieren, u. a. im Kath. Pfarrarchiv Bad Mergentheim, überschneidet sich in weiten Passagen mit historischen Abhandlungen über Mergentheim in der Breitenbach-Sammlung, so daß es einer eingehenden kritischen Untersuchung bedürfte, die gegenseitigen Abhängigkeiten zu klären. In der Chronik teilt Bauer vorwiegend noch erhaltene Inschriften mit. Die Textwiedergabe ist – wie der Vergleich mit erhaltenen Inschriften zeigt – nicht immer zuverlässig und beruht nicht durchweg auf Augenschein. Die Ungenauigkeiten betreffen mehr die Schreibweise einzelner Wörter und die Vollständigkeit der Textwiedergabe als den Wortlaut der Inschriften.

Zahlreiche Aufsätze und kleinere Monographien historisch-topographischen und genealogischen Inhalts mit unmittelbarem Bezug zu Mergentheim, Creglingen und der näheren Umgebung, in denen Inschriften stets als historische Quellen berücksichtigt und zitiert werden, verfaßte der Pfarrer und Volksschriftsteller Ottmar Friedrich Heinrich Schönhuth (1806–64)88), der nach dem Besuch des Tübinger Stifts 1829 zunächst Vikar in Pliezhausen (Lkr. Reutlingen), dann 1830 Pfarramtsverweser auf dem Hohentwiel und 1837 Pfarrer in Dörzbach (Hohenlohekreis) war, bevor er 1842 auf die Pfarrei Wachbach und 1854 schließlich auf die Pfarrei Edelfingen wechselte89). Schönhuth, Mitbegründer des Historischen Vereins für Württembergisch Franken, kannte viele Inschriften aus eigener Anschauung, übernahm aber gelegentlich auch Lesungen aus anderen Quellen, meist ohne diese zu nennen, so aus Wibels Kyrchen- und Reformations-Historie und aus Bauers Chronik von Mergentheim; auch die Breitenbachschen Aufzeichnungen scheinen ihm nicht unbekannt geblieben zu sein, worauf etliche mit diesen übereinstimmende, aber vom Textbefund der erhaltenen Inschriften abweichende Lesungen hindeuten. Insgesamt ist Schönhuth ein verhältnismäßig zuverlässiges Urteil bei der zeitlichen Einordnung der Schriftarten und somit der Inschriften zu bescheinigen, soweit dies überprüft werden kann, dagegen hat er sich weniger gründlich um eine genaue Textwiedergabe bemüht. Bisweilen überliefert er in seinen verschiedenen Schriften sogar unterschiedliche Textfassungen (vgl. z. B. nr. 419). Einziger Gewährsmann ist Schönhuth für eine Wachbacher Grabplatte des 14. Jahrhunderts (nr. 26), von der er sogar eine Abbildung publizierte, ferner für einen Frauentaler Wappenstein mit Bauinschrift (nr. 169) und ein Reinsbronner Altarbild (nr. 301). Auch der Wortlaut der heute [Druckseite XXX] durch ein Gestühl verdeckten Sterbeinschriften eines Wachbacher Epitaphs (nr. 196) ist nur durch Schönhuth bekannt.

Die weitaus ergiebigste Quelle der kopialen Inschriftenüberlieferung ist die 1880 erschienene, vom königlichen statistisch-topographischen Bureau erarbeitete Beschreibung des Oberamts Mergentheim90), die neben zahlreichen erhaltenen auch eine ganze Reihe heute verlorener und nicht anderweitig bezeugter Inschriften enthält. Neben einigen wenigen Grabplatten (nrr. 36, 339, 392), einem Glasfenster (nr. 499) und einem Steinkreuz (nr. 416) und weiteren, eher unbedeutenden Inschriften sind vor allem 16 Glocken mit ihren Inschriften erfaßt, die vor oder im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen wurden und weder in den Glockenbeschlagnahmeakten noch in den Pfarrbeschreibungen verzeichnet sind. 14 dieser Glockeninschriften werden zwar auch in glockenkundlichen Abhandlungen von Eugen Frh. Löffelholz von Kolberg und Theodor Schön sowie in Paul Kepplers „Württembergischen kirchlichen Kunstalterthümern“91) ganz oder teilweise wiedergegeben, doch stützen sich diese Arbeiten auf die Oberamtsbeschreibung, nicht auf Autopsie. Die Wiedergabe der Inschriften in der Oberamtsbeschreibung ist im Allgemeinen texttreu, jedoch mit orthographischen Abweichungen. Gelegentlich, vor allem bei längeren Inschriften, wird nur ein verkürzter Wortlaut geboten. Mitunter werden autopsierte, nur mehr schwer lesbare Inschriften nach älterer Überlieferung (Wibel, Schönhuth) ergänzt, zum Teil wohl auch konjiziert. Die Beurteilung dieser Inschriften ist heute besonders schwierig, da sie teilweise mittlerweile restauriert wurden, und dabei scheint nicht selten der Text der Oberamtsbeschreibung zur Wiederherstellung des Inschriftentextes herangezogen und mehr oder weniger genau übernommen worden zu sein (vgl. z. B. nr. 460).

Die Akten des statistisch-topographischen Bureaus, die als Vorarbeiten für die gedruckte Oberamtsbeschreibung dienten (StAL, E 258 VI Bü 2513–2616) wurden ergänzend herangezogen und gesichtet, sie erbrachten aber keine zusätzlichen Inschriftenfunde92).

Aus den Glockenbeschlagnahmeakten im Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart (LKA, A 26 1482,5 und 1483,3) ließ sich nur eine zusätzliche, nicht in der Oberamtsbeschreibung verzeichnete Creglinger Glockeninschrift ermitteln (nr. 512). Die Qualität der Textwiedergabe und die Ausführlichkeit der Beschreibung der Glockenzier sind in diesen Glockenerfassungsbögen genau so unterschiedlich wie in den ausgewerteten Pfarrbeschreibungen der evangelischen Pfarreien (LKA, A 29) und im Kath. Pfarrarchiv Bad Mergentheim. Vielfach beruhen die Angaben auf der Oberamtsbeschreibung, nicht auf Augenschein. Die Pfarrbeschreibung von Wildentierbach aus dem Jahr 1827 liefert als einzige Quelle den vollständigen Wortlaut einer 1831 umgegossenen Glocke (nr. 100), ansonsten ergaben die Pfarrbeschreibungen keine Neufunde.

Für das Bearbeitungsgebiet existiert kein Kunstdenkmälerinventar. Lediglich die Ortschaften um Niederstetten, die bis 1938 zum Oberamt Gerabronn gehörten, sind in dem 1907 erschienenen 1. Halbband der „Kunst- und Altertums-Denkmale“ des Jagstkreises berücksichtigt93), der allerdings fast keine Inschriften dokumentiert. Für heute verlorene Inschriften ist das Werk nur in einem einzigen Fall Überlieferungsträger, diese Glockeninschrift ist freilich auch anderweitig bezeugt (nr. 41).

Unergiebig im Hinblick auf die Überlieferung von Inschriften aus dem Bearbeitungsgebiet sind die mit genealogischem und topographischem Schwerpunkt angelegten Sammlungen und Ausarbeitungen im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein: Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts von dem hohenlohischen Hofrat und Archivar Johann Justus Herwig (1742–1801) verfaßte „Biographische Genealogie des nunmehrigen Fürstlichen Hauses Hohenlohe von seinem Ursprunge an biß zur Haupt Landestheilung im Jahre 1555“94) enthält zwar etliche Grabinschriften, doch keine aus dem ehemaligen Kreis Mergentheim. Auch Herwigs „Topographische Beschreibung von Hohenlohe“ liefert kein epigraphisches Material95); ebensowenig – soweit geprüft – die Nachlässe der hohenlohischen Archivare und Historiker Christian Ernst Hansselmann (1699–1776) und Joseph Albrecht (1803–71).

Dem Sammeleifer des langjährigen Verwalters und Schloßführers des Weikersheimer Schlosses Friedrich Leopold Erhardt († 1966 I 30)96) ist eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte des Hauses Hohenlohe und zu Stadt und Schloß Weikersheim zu verdanken, die sich heute zum größten Teil im Neuensteiner Archiv befindet97). Die wenig systematisch angelegten Kollektaneen des historischen [Druckseite XXXI] Laien bestehen aus Fotos, Zeitungsausschnitten, Druckwerken und zum größten Teil aus – häufig fehlerhaften – maschinenschriftlichen Abschriften von Archivalien und Druckwerken. Die Vorlagen dieser Abschriften gibt Erhardt bedauerlicherweise in der Regel nicht an, so daß eine Überprüfung der Textüberlieferung nicht möglich ist. Erhardt teilt als Einziger die Inschriften in der derzeit unzugänglichen Gruft der Weikersheimer Stadtkirche mit (nrr. 367, 368, 397, 468), ferner die bei Restaurierungen des 20. Jahrhunderts mittlerweile entfernten Inschriften an den Emporen (nach einem gedruckten, mir nicht zugänglichen Aufsatz des Weikersheimer Pfarrers Lang) und an den Engelsfiguren in derselben Kirche (nrr. 285, 421) sowie – nach einer „Abschrift eines maschinenschriftlichen Schreibens“ in Privatbesitz – eine Bauinschrift am Weikersheimer Pfarrhaus (nr. 95). Die ansonsten von Erhardt dokumentierten Inschriften sind durchweg noch erhalten.

Im Ev. Pfarrarchiv Niederstetten wird eine nach 1963 entstandene maschinenschriftliche Abhandlung von Heinz Rapaschinski über die „Inschriften der St. Jakobs-Pfarrkirche“ aufbewahrt, die den Inschriftenbestand vollständig und relativ zuverlässig erfaßt, auch die Wappen auf den Grabdenkmälern in Abzeichnung wiedergibt. Diese einzige systematische Inschriftensammlung des Bearbeitungsgebiets enthält allerdings durchweg noch erhaltene Inschriften.

Nur mehr fotografisch überliefert ist ein Igersheimer Epitaph (nr. 330), dessen Inschrift freilich nur noch fragmentarisch erhalten war. Ebenfalls nur aus Fotografien bekannt sind die mittlerweile wieder zugeputzten bzw. durch Restaurierung verfälschten Namenbeischriften zu den Wappenfriesen der Hoch- und Deutschmeister im Mergentheimer Schloß (nr. 378) sowie der Zustand einiger weiterer Inschriften vor ihrer Restaurierung bzw. fortschreitenden Verwitterung (nrr. 27, 307, 343, 415). Auch das genaue Aussehen der derzeit nicht zugänglichen Epitaph-Inschrift des Hochmeisters Stadion in der Gruft der Mergentheimer Kapuzinerkirche (nr. 493) läßt sich anhand eines Fotos belegen, während der Wortlaut der Inschrift auch anderweitig bezeugt ist.

Als Kuriosum der kopialen Inschriftenüberlieferung sei zuletzt die – vergrößerte – Übertragung einer Wandmalerei mit Inschrift von der Gruft der Weikersheimer Stadtkirche in den sogenannten „Tumbaraum“ des Weikersheimer Schlosses (nr. 376) durch den Kunstmaler Prinz Constantin zu Hohenlohe-Langenburg erwähnt. Die Kopie wurde vermutlich nach einer Fotografie angefertigt.

Zitationshinweis:

DI 54, Mergentheim, Einleitung, 3. Die nicht-originale Überlieferung der Inschriften (Harald Drös), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014e003.

  1. Bei dieser Zusammenstellung sind die Graffiti-Sammelnummern 40, 167 und 310 nicht berücksichtigt. Die gegenüber der Katalogzählung höhere Gesamtzahl an Inschriften erklärt sich dadurch, daß in einigen Katalognummern zwei oder mehr Inschriften zusammengefaßt sind. »
  2. Der Anteil der erhaltenen Inschriften ist für die einzelnen Zeitabschnitte sehr unterschiedlich: Für die Inschriften bis 1400 beträgt er 56%, für das 15. Jahrhundert 80%, für die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts 84%, für die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sogar 87% und für die 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts schließlich – bedingt vorwiegend durch eine höhere Zahl abschriftlich überlieferter Inschriften in Schloß- und Kircheninventaren der Zeit – nur mehr 72%. »
  3. HStAS, J1 Nr. 154; zur Handschrift vgl. Klein, Handschriften 200. »
  4. Zu Gabelkover und seiner Vorgehensweise bei der Wiedergabe inschriftlicher Texte vgl. zuletzt DI 41 (Göppingen), Einl. XXVf. »
  5. Zur Handschrift HStAS, J1 Nr. 135 II vgl. Klein, Handschriften 185f. »
  6. Vgl. Lit.verzeichnis. Zu Wibel vgl. Rudolf Schlauch, Johann Christian Wibel. Hofprediger, Orientalist und Historiker Hohenlohes 1711–1772, in: Schwäbische Lebensbilder 6, Stuttgart 1957, 127–138. Wibel war nach dem Theologiestudium in Jena (1729–32, mag. 1739) zunächst Pfarrverweser in Kupferzell, dann 1732–46 Diakon in Wilhermsdorf (Lkr. Fürth), bevor er Konrektor und Adjunkt in Öhringen und schließlich 1749 Hof- und Stadtprediger in Langenburg wurde. »
  7. Wibel, Frauenthal 502f. »
  8. Vgl. unten S. XXX»
  9. Vgl. bes. nr. 104. Eine Kontrolle ist außerdem möglich bei der erhaltenen Weikersheimer Tumba des Grafen Wolfgang II. (nr. 396); demnach ist die Textwiedergabe Wibels recht zuverlässig. »
  10. Vgl. zum Folgenden ausführlich Lampe, passim; Seiler, Horneck–Mergentheim–Ludwigsburg, passim. »
  11. Nach Jurastudium in Tübingen 1818–21 war er zunächst 1821–24 am Oberamtsgericht Mergentheim beschäftigt, bevor er als 25jähriger zum Archivaradjunkt bestellt wurde; vgl. Lampe 115. »
  12. Ebd. 106. »
  13. StAL, B 236 Bü 50. Die Sammlung enthält sonst überwiegend Inschriften aus der Zeit nach 1650. »
  14. StAL, B 236 Bü 147. »
  15. Dudík, Kleinodien. »
  16. StAL, B 244 Bü 8 und 149,1; B 300 Bü 90. »
  17. In zwölf Katalognummern zusammengefaßt: nrr. 74, 179, 194, 340, 358, 364, 365, 372, 373, 422, 500, 501»
  18. HZAN, Archiv Langenburg, Nachlaß Georg Friedrich I. 3 Bü 16, 17; ebd., Archiv Niederstetten, Rosenfeld-Hatzfeldt’sche Herrschaften I. 10 B 167; Archiv Niederstetten, Herrschaft Haltenbergstetten-Laudenbach A. II. 5. Bü 143, 144; C. III. 2. Bü 244, Bü 256, Bü 273; ebd., Archiv Weikersheim A V/1/14. »
  19. Pfarrersohn aus Künzelsau, 1796–1800 Medizinstudium in Halle, Jena, Marburg und Würzburg, 1801 Promotion in Erfurt, 1802 Arzt in Ingelfingen, 1806 in Künzelsau, seit 1814 Oberamtsarzt in Mergentheim; vgl. E. Fleck, Ein namhafter Künzelsauer, Dr. med. C. F. Bauer (1776–1838), in: Kocher- u. Jagstbote Nr. 30 (Nov. 1951); ferner ausführlich: Klaus Bauer, Christian Friedrich Bauer, in: WFr 72 (1988) 221–248. »
  20. Teilweise aufgenommen in: Gottschalck, Ritterburgen 6, 149–162, 169–174. Als Quellen der dort anonym abgedruckten Passagen über Burg Neuhaus werden u. a. „mehre (!) Handschriften aus der reichen Sammlung des königl. würtembergischen Archivars P. A. Breitenbach zu Mergentheim“ genannt. »
  21. Vgl. Lit.verzeichnis. »
  22. Zur Person vgl. u. a. Adolf Kastner, Der Geschichtsschreiber und Volksschriftsteller Ottmar Friedrich Heinrich Schönhuth, Pfarrverweser auf dem Hohentwiel (1830–1837), in: Hohentwiel. Bilder aus der Geschichte des Berges, hg. v. Herbert Berner, Konstanz 1957, 280–322; ders., Schrifttum von und über Ottmar Schönhuth, ebd. 385–395; Otto Borst, Ottmar Schönhuth, Historiker, Germanist, Volksschriftsteller, Pfarrer 1806–1864, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 7, Stuttgart 1960, 214–251, bes. 241–245; Bengel, Wachbach 167–176. »
  23. OAB Mergentheim. »
  24. Vgl. Lit.verzeichnis. »
  25. Vgl. lediglich nr. 23»
  26. Kdm. Jagstkreis I. »
  27. HZAN, Gem. Hausarchiv, Nachlässe Herwig I. 1. Bü 6. »
  28. HZAN, Gem. Hausarchiv, Nachlässe Herwig II. 2. Bü 31, 39, 40. »
  29. Das Todesdatum verdanke ich der freundl. Mitteilung von Herrn Wilfried Beutter, HZAN. »
  30. HZAN, Slg. Friedr. Leop. Erhardt. »