Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 38 Laudenbach (Stadt Weikersheim), Bergkirche U. L. Frau 1412

Beschreibung

Bauinschrift. Am südlichen Treppenturm über der Tür1. Querrechteckiger Sandsteinquader, der seitlich abgefast und so in das Turmpolygon eingepaßt ist. Eingetieftes Schriftfeld mit profiliertem Rahmen, die Inschrift (A) in vier Zeilen eingehauen und mit einfacher Lineatur zeilenweise gerahmt. Die vorgeritzten Begrenzungslinien des Mittellängenbereichs sind noch deutlich sichtbar. Rechts am Rahmen Stz. nr.1, darunter nachträglich (?) eingehauenes Wort (B). In der rechten Hälfte des Schriftfelds wurde noch vor Ausführung von Lineatur und Inschrift ein hochrechteckiges Flickstück eingesetzt.

Maße: H. 43,5, B. (Stirnseite) 108, Bu. 6,5–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. A

    · Anno · d(omi)ni · Millessimoa) · C · C · C · C · xij · / · Feria · secvndab) ante · kiliani · incep=/tvm · est · hoc · opvs · in honore · glori=/ose · virgnisa) · Marie · genetricis · dei ·

  2. B

    ior

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1412 am Montag vor St. Kilian (4. Juli) ist dieses Werk begonnen worden zur Ehre der glorreichen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes.

Kommentar

Der A-Versal ist aus dem pseudounzialen A der gotischen Majuskel entwickelt, die übrigen Versalien sind durch Bogen- und Schaftbrechung und ‑verdoppelung im Duktus an die Minuskel angepaßt und entstammen buchschriftlichen Vorlagen. In den zweiten, offenen Bogen des M ist ein linksschräger Zierstrich eingestellt. Ober- und Unterlängen der Gemeinen sind sehr kurz. Im Wortinnern und am Wortende ist das kastenförmige a mit linksschrägem „Mittelbalken“ gesetzt, während beim a am Wortanfang der linke Abschnitt des oberen Bogens als geschwungene Haarlinie ausgebildet ist und nicht mit dem senkrechten Teil des unteren Bogens verschmilzt. Schluß-s hat einen steilen Diagonalstrich2.

Die Inschrift markiert den Baubeginn der Marienkapelle. Die Hauptstifter waren vermutlich Albrecht d. Ä., Albrecht d. J., Peter und Hans von Finsterlohr3. Das Finsterlohrsche Wappen findet sich auf Schlußsteinen in Chor und Sakristei. 1419/21 wurde die Kapelle der Laudenbacher Pfarrkirche St. Margareta inkorporiert und erhielt 1456 eine Vikarie. Schon bald nach Errichtung der Kapelle scheint eine (erst im 16. Jahrhundert bezeugte) Wallfahrt zu dem spätgotischen Gnadenbild der Schmerzensmutter eingesetzt zu haben4.

Die Bedeutung der Buchstabenfolge ior auf dem Rand des Steins ist unklar. Die Gestaltung des r, dessen quadrangelförmige Fahne einen weit nach unten gezogenen und nur mäßig gebogenen Abstrich hat, weicht von der in der Bauinschrift ab, wo der Abstrich nur kurz und hakenförmig gekrümmt ist. Somit dürften die drei Buchstaben erst nachträglich von anderer Hand ausgeführt worden sein. Max Schermann deutet diese Inschrift als die Initialen des Stifters der Schriftplatte io(rg) r(omer), indem er sie in Zusammenhang bringt mit einem angeblich einst unter dem Marientod-Relief am Südportal der Kirche „in ganz schwachen Buchstaben“ aufgemalten Stifter(?)vermerk Jörg Romer 1483 5. Diese Deutung überzeugt nicht. Vielleicht ist es kein Zufall, daß gerade die drei Buchstaben i/or aus den Wörtern kiliani und honore in Inschrift (A) auf dem oben erwähnten eingesetzten rechteckigen Flickstück stehen, ohne dieses also fehlen würden. Aber auch aus dieser Beobachtung läßt sich keine befriedigende Erklärung des Befunds gewinnen.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Danach großer Wortabstand, aber kein Worttrenner.

Anmerkungen

  1. Der Eingang wurde erst im frühen 19. Jahrhundert angelegt, vgl. Muntsch, Laudenbach 10. Zuvor war der Turm nur vom Chor her zugänglich.
  2. Die Behauptung Schermanns, Bergkirche 17, die Inschrift sei erst etwa 70 Jahre später entstanden, entbehrt jeder Grundlage. Der paläographische Befund paßt ins frühe 15. Jahrhundert. Ähnliche Versalienhäufungen treten in dieser Zeit etwa auch auf Grabplatten in Kloster Eberbach auf, vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Taf. 24f.
  3. Zu den Anfängen der Bergkirche vgl. Schneider, Wallfahrt Laudenbach 11–15.
  4. Ebd. 13.
  5. Schermann, Bergkirche 59, 87f. Den Stiftervermerk bezieht Schermann nicht auf das Relief, sondern auf eine spätere farbige Fassung desselben. Vgl. nr. 65.

Nachweise

  1. Christian Friedrich Bauer, Südwest-Frankens Ritterburgen (WLB, Cod. hist. F 687), fol. 127r (fehlerhaft).
  2. B[auer], Laudenbach und die Bergkirche 220 (fehlerhaft).
  3. Muntsch, Laudenbach 10 (m. Übersetzung).
  4. OAB Mergentheim 601.
  5. Schermann, Bergkirche 16.
  6. Pinder, Plastik 21924, 112.
  7. Jarmuske, Bergkirche 29.
  8. Schneider, Wallfahrt Laudenbach 11.
  9. Schirmer, Bergkirche 21991, 2 (dt. Übersetzung).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 38 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0003808.