Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 421(†) Weikersheim, ev. Stadtkirche 1618

Beschreibung

Kranzgesims mit aufgemaltem Lebenslauf des Grafen Georg Friedrich von Hohenlohe. Am Ansatz des Chorgewölbes umlaufendes reich profiliertes Sandsteingesims. Die Kehlen und Wülste sind grau gestrichen, die drei schmalen senkrechten Zonen als schwarze Streifen angelegt. Auf den beiden unteren Streifen ist, um den gesamten Chor umlaufend, der lange Lebenslauf in goldener Schrift aufgemalt (A), an der Nordostwand des Chorhaupts beginnend und dort auch in die zweite Zeile überwechselnd. In den Ecken des Chors und in der Mitte der Nord-, West- und Südwand ist das Gesims um die die Sternrippen tragenden viertel- bis halbrunden Absenker herum verkröpft. Auf den so gebildeten Kreissegmentsockeln vor den insgesamt neun Rippenanfängern stehen geschnitzte und gefaßte Engelsfiguren, die jeweils auf dem Sockel inschriftlich bezeichnet sind. Diese Beischriften sind in dem obersten der drei umlaufenden schwarzen Streifen angebracht und mit Goldfarbe aufgemalt; Reihenfolge der Wiedergabe: Nordseite von Osten nach Westen (B–E), Südseite von Osten nach Westen (F–J), Mitte der Chorbogenwand (K). Zwei weitere Engelsfiguren (Tod und Auferstehung) befinden sich an der dem Langhaus zugewandten Westseite der Chorbogenwand. Sie hielten bis 1934 Spruchtafeln (L, M), die bei der damaligen Restaurierung beseitigt wurden. Alle Inschriften restauriert1.

Wortlaut von (L) und (M) nach Sammlung Erhardt.

Maße: Bu. ca. 6–7 (A), ca. 8–9 cm (B–K).

Schriftart(en): Fraktur, einzelne Wörter in humanistischer Minuskel (A), Kapitalis mit einzelnen Minuskeln (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/30]

  1. A

    Der Hochwolgeborne Graf und /a) Herr . Herr / Georg Friderich Graf von Hohenloe ·b) und Herr Zu Langenburg · Herr / derr Herrsch/afften Jungenbuntzel2) . Coszmanos3) und Crulich4) · Räm(isch)c) Kaÿ/(serlicher) Maÿ(estät) Kriegs R/ath . Obrister vnd Ritter · seindt geborend) Anno . 1569 . den 5 . Septembrise) · / Haben angefangen zu raisen in / Franckhreich vnd Jtaliam . An(n)oe) . 1586 . bisz Annoe) . 1590 · Hernacher im Kriegswesen Dee) Annoe) . / 1591 . / in Franckhreich5) Niderlandt vnd Hungarn6) bisz Annoe) . 1606 . löblichen zugebrac/ht · Dahero beÿ Rom(isch) Kaÿ(serlicher) / Maÿ(estät) Rudolpho dem andern allerhöchstmilter gedächtnus wie auch dem Heil(igen) Röm(ischen) / Reich . / zu vnderschiedenen Zeitten und Jaren alsz Obrister KriegsRath7) General Wachtmeister8) und Feldt Marsch/alckhs Ambt mit groszem Ru/hmb und Ehren bedient und verwalttet · Derohalben ietzt regierende Kaÿ(serliche) Maÿ(estät) M/atthias der // Erste weiln dieselbe ettlich malen Jhrer Gnaden vorgesetzter General in Hunger/n gewesen / dero dapfer Caualierische) gemütt alda gespürt . aus aigner aller Gnädiger bewegnus . obwolermelte Jhre / Gn(aden) Zu Franckh/furtt am Main . auf dem Kaÿs(erlichen) Wahltag in beisein Vieler Chur : Fürsten / Graffen . Herren . / vnd andern Ständen . desz Heÿ(ligen) Röm(ischen) Reichs Annoe) 1612 . in der Kirchen beÿ S(anct) Bartho/lome haben Zum Ritter ge/schlagen9) · So seÿnd auch von beeden J(hro) Kaÿ(serlichen) Maÿ(estäten) Jhre . Gn(aden) viel Hochwichtige Commissionese)10) auffgetragen . vertrautt . u/nd von den/selben ansehenlich vnd rühmblich verrichtet worden · · · · ·f) Jn Annoe) . 1610 . seÿnd J(hre) Gn(aden) in die / Regierung getretten11) · . / und Annoe) . 1618 . diesen Chor mitt dem Altar . sambt Zweÿen Thürnen und andern Zieraden . der Hoch/geEhrten Dre/ÿfaltichkeit . einigem Gott von Ewigketc) . Zu ehren gebavet . dedicirte) und in deszen Allmächtigen Schvtz übergeben . der welle Jhr/e Gn(aden) sambt deren lo/blichen Grafschaftt beÿ beständigem . rühigem . und Gottseeligem wolstandt erhaltemc)g)

  2. B

    FIDES .

  3. C

    CHARITAS .

  4. D

    SAPIENTIA .

  5. E

    FORtIdVdOc)

  6. F

    SPES .

  7. G

    PATIENTIA

  8. H

    IVSTITIA

  9. J

    PAX .

  10. K

    RESVRRECtIO .

  11. L†

    Beschicke dein Haus, denn du wirst sterben, und nicht leben bleibendc) 2. kge 20. 1.

  12. M†

    Es wird die Posaune schallen und die Toten werden auferstehen. 1. Korinther 15. Vers 52.

Übersetzung:

Glaube. – Liebe. – Weisheit. – Stärke. – Hoffnung. – Geduld. – Gerechtigkeit. – Friede. – Auferstehung.

Kommentar

Die an ungewöhnlicher Stelle angebrachte lange Inschrift, die Titel und Taten des Grafen Georg Friedrich von Hohenlohe rühmt, ist zugleich Lebenslauf und Bauinschrift. Sie dokumentiert den Abschluß der Bauarbeiten an dem unter Georg Friedrichs Regierung neu errichteten Chor und an den beiden Türmen sowie die Aufstellung des neuen Altarretabels (nr. 420). Die Einwölbung des Chors war spätestens ein Jahr zuvor abgeschlossen worden (vgl. nr. 417)12.

Bemerkenswert ist, daß der protestantische Graf in seiner Kirche, im Chor über der Gruft, die zur Grablege des Geschlechts bestimmt war, im Vorfeld des 30jährigen Kriegs in so auffälliger Weise seine Nähe zu Kaiser und Reich betont. Nicht mehr erwähnt ist die Annahme der Stelle eines Generalleutnants und obersten Kriegsrats der böhmischen Stände durch Georg Friedrich im Juli 1618 bald nach dem Prager Fenstersturz, die den dem Kaiser gegenüber bislang loyalen Grafen in eine schwierige Situation brachte13.

Die Engelsfiguren im Chor, die inschriftlich als Personifikationen der sieben Tugenden ausgewiesen sind, zur Neunzahl erweitert durch die sehr ungewöhnliche Hinzufügung von „Frieden“ und „Auferstehung“, sind ein Werk des Mergentheimer Bildhauers Melchior Jung, der auch den Weikersheimer Altar geschaffen hat14.

Textkritischer Apparat

  1. Einfacher Schrägstrich bezeichnet im Folgenden den Wechsel der Inschrift von der geraden Schriftfläche auf die Gesimsverkröpfung und umgekehrt, doppelter Schrägstrich den Zeilenwechsel.
  2. Alle als Punkt auf Mitte transkribierten Interpunktionszeichen sind als sternförmige Blüten ausgeführt.
  3. Sic!
  4. Das o fälschlich als b nachgezogen.
  5. Wort in humanistischer Minuskel.
  6. Zierpunkt wie Anm. b zwischen je zwei einfachen Punkten.
  7. Danach Zierranken und -punkte als Zeilenfüller.

Anmerkungen

  1. Nach einem Schreiben von Hans Manz vom 30. Aug. 1934 betr. die Kirchenrenovierung in Weikersheim (LDA Stuttgart, Ortsakten, 128126) waren die Inschriften damals offenbar verblaßt, aber in einem Zustand, daß sie „wieder herauszuholen wären“.
  2. Jungbunzlau (Mladá Boleslav) in Mittelböhmen; böhmische Herrschaft, durch die Heirat mit Eva von Waldstein 1607 an Graf Georg Friedrich gelangt, der damit Mitglied der böhmischen Landstände wurde.
  3. Kosmanos (Kosmonosy), heute Stadtteil von Mladá Boleslav, wie Anm. 2.
  4. Grulich (Králiky) in Mährisch Schlesien, an der Grenze zu Ostböhmen, wie Anm. 2.
  5. Auf Seiten Heinrichs IV.
  6. 1595, 1597/98 als Oberst des fränkischen Kreiskontingents im sog. Langen Türkenkrieg.
  7. 1603 Ernennung zum kaiserlichen Hofkriegsrat; vgl. Magen, Reichgräfl. Politik 4.
  8. 1604 Ernennung zum Generalwachtmeister; vgl. ebd.
  9. Georg Friedrich erhielt den Ritterschlag zusammen mit seinem Bruder Kraft am 13./23. Juni 1612.
  10. Beispiele nennt Magen, Reichgräfl. Politik 217 Anm. 7: Gesandtschaften im Auftrag des Kaisers an den kurbrandenburgischen und kursächsischen Hof zwischen 1608 und 1612; Kommission in der Auseinandersetzung zwischen der Stadt Braunschweig und Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg 1611; Gesandtschaft an den dänischen König 1615 in derselben Angelegenheit.
  11. Nach dem Tod des Vaters Wolfgang (vgl. nrr. 396. 397).
  12. Zur Baugeschichte vgl. Merten, Stadtkirche 41982, 6–8.
  13. Vgl. dazu Magen, Reichsgräfl. Politik 215–222.
  14. Vgl. Merten, Stadtkirche 41982, 8; Dehio BW I, 825. Jung lieferte 1617 einen geschnitzten Engel als Muster; vgl. HZAN, Archiv Langenburg, Nachl. Georg Friedrich III. 1. Bü 145 (Bauw Protocollum Weickherßheimer Herschafft 1610ff.), p. 23. Ebd. p. 27 die Auflistung der Malerarbeiten von 1618, die unter anderem beinhalten: „… Eilff Engeln im Chor sambt dem Postament vnnd zweyen schillten vnter den Engeln [vgl. Inschriften (L), (M)], dann vonn den Acht Engels Köpffen, die anstatt Cherubin oben am Chorgewelb … zu vergülden vnnd mahlen.“ Der Name des Malers wird nicht genannt. Ebd.: „ Dem Bildschnizer zu Mergentheim von Ailff Engeln, dem Wappen vnnd zweyen Schillten vnter die zween Engel am Chorbogen zu schnizen …“.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 207 (nur erwähnt).
  2. HZAN, Slg. Friedr. Leop. Erhardt, Ordner 35 (Abschrift 1935 nach Herbert Lang in: Ev. Gemeindeblatt Weikersheim–Honsbronn–Queckbronn–Bronn, ca. 1934/35), Bl. 16 (Inschr. L, M).
  3. Merten, Stadtkirche 41982, 14 (nur erwähnt).
  4. Dehio BW I, 825 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 421(†) (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0042103.