Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 365† Wien, Schatzkammer des Deutschen Ordens 1604?

Beschreibung

Kredenzschale. Ab 1606 im Ordensschatz in Mergentheim nachgewiesen1, vermutlich zusammen mit einer auf 1604 datierten Schale (nr. 364†) in den Besitz des Hoch- und Deutschmeisters Erzherzog Maximilian III. gelangt; seit 1805 in Wien, 1865 noch vorhanden, Zeitpunkt und Umstände des Verlusts unbekannt. Silber, Außenseite und Rand feuervergoldet. Im runden, leicht konkaven Feld in Kupferstichmanier gravierte figurenreiche Darstellung des Gastmahls in Emaus. Über der Szene ein beiderseits eingerolltes langes Schriftband mit Bibelstellenangabe (A); auf einer Treppenstufe im Vordergrund rechts die Künstlersignatur (B); auf einer Tafel am unteren Bildrand 8zeilige Versinschrift (C). Die Füße der Schale und ein ursprünglich auf dem Rand befestigtes Wappen sind abgebrochen.

Beschreibung nach der Abb. in Dudík, Kleinodien.

Maße: Dm. 17, Bu. 0,19 (A), 0,05 (B), 0,09 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A), schrägliegende humanistische Minuskel (B, C)2.

  1. A

    S(AINT) LVC CHAP(ITRE) XXIIII .

  2. B

    Io(hannes) Theo(dore) de Brÿ

  3. C

    Ena) Emaux vont deux disciples loyaux,Fort angoissez pour la mort de leur maistre,Et deuisoyent du comble de ses maux:Lors qu’il leur vint en la voye apparoistre.Il parle, et nul ne remarque son estre.Le soir venu il heberge auec eux,Et lors se fait (rompant le pain)b) cognoistre,Puis tout soudain s’absente de leurs yeux.3)

Übersetzung:

Nach Emaus gehen zwei getreue Jünger, sehr bang wegen des Todes ihres Meisters, und sie reden miteinander über das Übermaß seiner Leiden, als er ihnen auf dem Weg erscheint. Er spricht, und keiner erkennt, wer er ist. Und am Abend mit ihnen eingekehrt, da gibt er sich zu erkennen, indem er das Brot bricht, dann entschwindet er ganz plötzlich ihren Blicken.

Versmaß: Französische Reimverse (C).

Kommentar

Die schrägliegende humanistische Minuskel der Versinschrift weist neben einer et-Ligatur sowohl die Ligatur von langem als auch von rundem s mit t auf. Der untere Balken des z ist schräggestellt und schwingt weit nach rechts unter die Grundlinie aus. Das Vorbild zeitgenössischer Drucktypen ist offensichtlich.

Die vorliegende Schale ist nicht wie die auf 1604 datierte desselben Künstlers (nr. 364†) mit einer Widmungsinschrift für den Hochmeister Maximilian versehen, ist also wohl nicht eigens für diesen angefertigt worden. Sie könnte demnach auch bereits etwas früher entstanden und dann lediglich zusammen mit dem neuen Stück Maximilian verehrt worden sein. Aus einer Korrespondenz de Brys mit dem Kaiserhaus geht hervor, daß er im Jahr 1604 gravierte Schalen anbot, zu denen vielleicht auch die vorliegende gehörte4.

Textkritischer Apparat

  1. Erste Zeile gegenüber den folgenden ausgerückt.
  2. Runde Klammern so in der Inschrift.

Anmerkungen

  1. Inventar 1606 VI 27; vgl. Dudík, Kleinodien 112.
  2. In Inschrift (B) wegen der perspektivischen Verzerrung nach links geneigt.
  3. Nach Lc 24, 13–31.
  4. Vgl. nr. 364† Anm. 8.

Nachweise

  1. Dudík, Kleinodien 112 (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 365† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0036500.