Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 299 Creglingen, ev. Herrgottskapelle 1594

Beschreibung

Kanzel. An der Südwand des Langhauses. Auf achtkantigem Schaft aus Sandstein mit quadratischem Sockel der hölzerne, reich mit Intarsien verzierte, achteckige Kanzelkorb. Auf den fünf Brüstungsplatten oben unter dem Kranz eine auf schwarzem Schriftgrund in hellgelber Farbe aufgemalte Umschrift (A), unten jeweils ein quadratisches, gerahmtes Feld mit eingelegtem Wappen. In die drei (heraldisch) linken Schilde sind jeweils Initialen eingelegt (B, C, D), unter dem vierten und fünften Wappen ist außerdem jeweils eine Jahreszahl mit weißer Farbe aufgemalt (C’, D’). Achteckiger hölzerner Schalldeckel; auf den sieben sichtbaren Seiten in schwarzer Farbe aufgemalte Umschrift (E); kassettierte Unterseite mit quadratischem Mittelfeld, darin – von eingelegtem Beschlagwerkornament gerahmt – ein in schwarzer Farbe aufgemaltes einzelnes Wort, das zugleich den Beginn einer Inschrift bildet, die als Umschrift um das Mittelfeld läuft (F); die vier schmalen äußeren Kassettenfelder mit in Flachrelief geschnitztem Ornament. Inschrift (A) stellenweise, vor allem am Beginn verblaßt. Für die Inschriften (A) und (E) sind deutlich sichtbare Hilfslinien zur Markierung der Zeilenhöhe eingeritzt.

Siehe Lageplan.

Maße: H. (Schaft) 127, (Kanzelkorb) 160, Dm. 113, H. (Schalldeckel) ca. 30, Dm. unten 132,5, Bu. 3,3 (A), 2,4 (B, C), 2,3 (D), 5,0 (E), 3,7 bzw. 2,7–3,3 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/15]

  1. A

    EXPETO NV(N)C SOLVI, MOD/O SINT MIHI GAVDIA C/OELIa)TECVM, QVANDO / PLACET CHRISTE VE/NIRE VENI ·PHILIP · I1)

  2. B

    I H

  3. C, C’

    K B // 1594

  4. D, D’

    C D // 1594

  5. E

    SVRGITE DEFV/NCTI VENIENTES / ANTE TRIBVNAL · /CHRISTI QVI VOBI/S DEBITA IVRA FE/RET ·M(AGISTER) IOHAN LE/NCK PFARHER ·

  6. F

    DEVS // SVB VMBRA ALARV(M) / TVARVM PROTEGE ME · / PSALM XVII ·2) / 1594 · DEN · 13 · SEPTE(MBRIS)b)

Übersetzung:

Ich verlange danach, jetzt erlöst zu werden, wenn ich nur der Freuden des Himmels mit dir teilhaftig werde. Wenn es dir gefällt zu kommen, Christus, komm! – Steht auf, ihr Toten, und kommt vor das Gericht Christi, der euch Recht sprechen wird, wie ihr es verdient. – Gott, beschütze mich im Schatten deiner Flügel.

Versmaß: Elegische Distichen (A, E).

Datum: 23. September n. St.

Wappen:
Seckendorff, Zollern3, unbekannt4, unbekannt5, Düll (?)6.

Kommentar

Die gemalten Kapitalisinschriften, besonders die am Rand von Kanzelkorb und Schalldeckel umlaufenden Inschriften (A) und (E), sind einheitlich gestaltet und sicherlich von einer Hand ausgeführt. O und Q sind spitzoval; R hat eine lange, geschwungene Cauda. Der untere Balken des E ist fast doppelt so lang wie der obere, während der mittlere extrem verkürzt ist. Die Schrägschäfte von A und V verbreitern sich kontinuierlich von der Spitze zu den freien Enden. Die Schäfte des M sind leicht schräg gestellt, der Mittelteil ist ausgesprochen kurz. Ein geregelter Wechsel von Haar- und Schattenstrichen ist nicht festzustellen. Als Interpunktionszeichen dienen sehr große Quadrangeln; die als Kürzungszeichen und zur Markierung der Ziffern verwendeten Quadrangeln sind dagegen wesentlich kleiner.

Zu dem inschriftlich genannten Auftraggeber der Kanzel, dem Creglinger Pfarrer Johann Lenck, vgl. nr. 349. Er dürfte auch der Verfasser der beiden Distichen sein. Die beiden ersten Wappen auf dem Kanzelkorb bezeichnen die Ortsherrschaft (Brandenburg-Ansbach), der auch seit 1448 das Kirchenpatronat zustand, und den Amtmann Christoph von Seckendorff (1562–98). Eine Zuweisung der drei übrigen Wappen ist noch nicht gelungen. Das Wappen mit der Marke könnte sich auf den Schreiner beziehen, der die Kanzel angefertigt hat7. Die Initialen IH des ersten der drei Wappen passen zwar zu dem 1594 amtierenden Kastner Johann Holzheuser, und auch das Haus im Schild fügte sich gut in diese Zuschreibung ein, Holzheuser führte aber nach Ausweis seiner Grabplatte von 1600 (nr. 323) ein anderes Wappen. Immerhin könnte in der Zwischenzeit ein Wappenwechsel (Wappenverleihung?) stattgefunden haben, Zeugnisse dafür sind freilich nicht vorhanden. Vielleicht stehen die drei Wappen auch für die drei Creglinger „Gottespfleger“. Die Initialen CD und KB passen jedenfalls auf die durch eine Glockeninschrift von 1588 (nr. 274) als Gottespfleger bezeugten Christoph Düll und Kilian Bopp. Für die Zuweisung an Düll, der von Beruf Rotgerber war, sprechen auch die beiden Schabeisen im Wappen.

Textkritischer Apparat

  1. Bogenverschmelzung von spitzovalem O und unzialem E (mit sehr kurzem Mittelbalken).
  2. Kürzung des M durch Kürzungsstrich, der Endung durch Doppelpunkt.

Anmerkungen

  1. Nach Phil 1, 23.
  2. Mischversion aus Ps(G) 16, 8 und Ps(H) 16, 8. – Hier Kapitelzählung nach der Lutherbibel (Ps 17, 8).
  3. Nur das Stammwappen; hier schwarz-silber statt silber-schwarz geviert.
  4. Haus in Schrägansicht, darüber die Initialen IH.
  5. Haus- oder Meisterzeichen (Vierkopfschaft mit Göpelfuß, der Vierkopf mit gekreuztem Ende), beseitet von den Initialen KB.
  6. 2 gekreuzte Schabeisen, darüber die Initialen CD.
  7. So OAB Mergentheim 496; Keppler 225; Schmidt, Herrgottskirche 15; Dehio BW I 124.

Nachweise

  1. Gelchsheimer, Herrgottskirche 16 (ungenau).
  2. Nasse, Herrgottskirche 21 (nur erwähnt).
  3. Muth, Herrgottskirche 18 (nur C sowie dt. Übersetzung von E, F).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 299 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0029905.