Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 285(†) Weikersheim, ev. Stadtkirche 1590

Beschreibung

Emporenbrüstungen mit gemalten biblischen Szenen und Versbeischriften. An den beiden Eckemporen in den östlichen Jochen des nördlichen und südlichen Seitenschiffs (ehem. Herrschaftsempore). In den Füllungen der Brüstungsfelder waren ursprünglich jeweils paarweise sich typologisch entsprechende alt- und neutestamentliche Szenen dargestellt, darüber waren Beischriften angebracht. Die übertünchten Bilder und Inschriften wurden bei der Kirchenrestaurierung 1934 entdeckt und freigelegt, waren aber nicht mehr vollständig erhalten. Nur acht der Bilder wurden vom Landesdenkmalamt restauriert und wieder an den Emporen angebracht, die übrigen Gemälde und die Inschriften wurden offenbar beseitigt1. Im Folgenden wird der Befund von 1934 wiedergegeben:

I. Links Erschaffung Adams (zerstört), rechts Geburt Christi (erhalten); darüber eine offenbar in zwei Spalten angeordnete 6zeilige Inschrift (A), von der nur die drei rechten Verse erhalten waren. – II. Links Passahmahl (erhalten), rechts Letztes Abendmahl (zerstört); darüber Inschrift (B). – III. Links Aufrichtung der Ehernen Schlange (zerstört), rechts Kreuzigung (erhalten), oben am Kreuz Titulus (D); über dem Bildpaar Inschrift (C). – IV. Links Ausspeiung des Jonas (erhalten), rechts Auferstehung Christi (fragmentarisch, nicht erhalten); darüber Inschrift (E); im Jonas-Bild hebräischer Gottesname (F) im Strahlenkranz. – V. Links Vision des Ezechiel, rechts Jüngstes Gericht (beide erhalten); darüber Inschrift (G); auf dem ersten Bild im Himmel der hebräische Gottesname (H) im Strahlenkranz; bei dem zweiten Bild Künstlersignatur: Wappenschild zwischen Initialen, „umrahmt“ von einer Jahreszahl (J), unter dem Schild zwei weitere Initialen (K). – VI. Ursprünglich zusammengehöriges Bildpaar, 1934 aber als „Einzelbilder“ aufgedeckt, also nicht mehr in der ursprünglichen Anordnung: links Empfang der Gesetzestafeln durch Moses (erhalten) mit fragmentarischer Beischrift (L1), rechts Pfingsten (zuletzt schlecht erhalten, offenbar beseitigt) mit Beischrift (L2); auf dem Moses-Bild der hebräische Gottesname (M) im Strahlenkranz. – VII. Weiteres „Einzelbild“: Taufe Christi (erhalten) mit Beischrift (N); im Bild der hebräische Gottesname (O) im Strahlenkranz; als verlorenes alttestamentliches Gegenstück ist die Sintflut und die Beschneidung zu ergänzen; ferner als achtes Bildpaar Elias im Feuerwagen und Christi Himmelfahrt2. An den Ecken der beiden Emporen befanden sich ursprünglich zwei mit Ölfarben bemalte, jetzt verlorene Wappen: rechts an der gräflichen Empore das hohenlohische, links an der Empore der Gräfin das nassauische3.

Wortlaut nach Erhardt4.

Maße: H. (erhaltene Einzelbilder) 47, B. 72, Bu. ca. 1 (D), 2–2,5 cm (F, H, M, O).

Schriftart(en): Kapitalis (D), hebräische Schrift (F, H, M, O).

  1. A†

    [– – – / – – – / – – –]a)Hette er sich gebracht um den Schatz allenWo nicht wer Christus Mensch geborenDer bringt wieder was wir haben verloren

  2. B†

    Gleich wie die Vätter durch das BluettDes Osterlambs, vons Teuffels wuettFrei wurden, in Egypten guettAlso ist Christus Leib und Bluettim Abedmahlb) ein huelffe guett

  3. C†

    Gleich wie die äherne Schlang zwar[– – –]c) Schlangen gefahr[– – –] wanns nur angeschaut warAlso wan du im glauben sihestd)An Christum der für dich gekreuziget ist,Den Herrn des Himmels und der ErdenSündt, Höll noch Tod dir schaden werden

  4. D

    INRI

  5. E†

    [– – –]e) fisch so Jonumb) hat verschlungen,[– – –]f) wieder zgeben wurdt getrungenAn dritten Tag vom Herrn gezwungenAlso [– – – / – – – / – – –]

  6. F

    יְהוָה

  7. G†

    Ezechiel im gsicht hat gsehnAlss wann es wer Jn der That gschehnJnn Todte bein das Leben wehen:Christus zum Jungsten Gericht kombt niederGibt den Todten das Leben widerDen frommen ewig seeligkeitDen bösen ewges Hertzleidt

  8. H

    יְהוָה

  9. J†

    1590 / C(aspar) // D(ietrich)

  10. K†

    M(aler) S(child)g)

  11. L1/2†

    [– – –] / Welches den Menschen so ers betrachtfür Gott zum armen Sünder macht //Dann Pfingst hat den Geist [gebracht]h)Dessen Christus hat oft gedacht,Der uns zu Gottes Kinder macht

  12. M

    יְהוָה

  13. N†

    Das Tauffwasser in Christus BluettWelches für unser Sünd gnueg thuettDurch Geistes Kraft, selig machen thuet

  14. O

    יְהוָה

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, B, C, E, G, L, N).

Wappen:
Malerwappen5.

Kommentar

Der Maler Caspar Dietrich war auch an der Ausstattung des Weikersheimer Schlosses beteiligt6. Dort besorgte er die Farbfassung der Stuckreliefs im Rittersaal (vgl. nr. 375). Dieselbe typologische Gegenüberstellung von Szenen des Alten und des Neuen Testaments – allerdings ohne Versbeischriften – findet sich an den etwa zehn Jahre später geschaffenen stuckierten Emporenbrüstungen in der Weikersheimer Schloßkapelle (nr. 328). Aus dem erhaltenen Bestandzettel des Malers vom 6. Oktober 15897 geht hervor, daß der Wortlaut der Inschriften genau vorgegeben war: „Sechzehenn historienn … mit sambt den darüber gehörigenn schriftenn, alle schriftenn wie zugestelt wordenn …“.

Textkritischer Apparat

  1. Lang/Erhardt: „Die ersten drei Zeilen handelten vom Sündenfall und schlossen wohl mit dem Wort gefallen“. Dagegen ist dem Bestandzettel des Malers vom 6. Oktober 1589 (HZAN, Archiv Weikersheim, Neubau der Kirche zu Weikersheim, Kontrakte 1587–89) zu entnehmen, daß das Bildthema nicht der Sündenfall sondern „die erschaffung des menschen“ war.
  2. Sic!
  3. [Errettet von der] conj. Lang/Erhardt.
  4. Davor (ihest) Lang/Erhardt, wohl als (unverständliche) Konjektur.
  5. [Wie der] conj. Lang/Erhardt; in Analogie zu den übrigen Beischriften wohl eher: [Gleich wie der].
  6. [Jhn] conj. Lang/Erhardt.
  7. Abwegig Lang/Erhardt: „großes M. großes S. das heißt mit eigener Hand gemalt“.
  8. Sicherlich richtige Konjektur Lang/Erhardt.

Anmerkungen

  1. Vgl. LDA Stuttgart, Ortsakten 128126 (Stadtkirche Weikersheim), Schreiben v. Hans Manz betr. Kirchenrenovierung 1934 VIII 30: „Dann sind unter dem Anstrich der Emporenbrüstungen eine Anzahl Füllungen mit figürlicher Malerei 1590, mit C. D. (Caspar Dietrich) signiert, zum Vorschein gekommen, von denen Prof. Seytter 8 wieder verwenden möchte.“ Regierungsbaumeister Seytter aus Weimar war der zuständige Architekt.
  2. Vgl. Bestandzettel von 1589 (wie Anm. a). Die ursprüngliche Reihenfolge der Bilder und Inschriften war demnach auf der gräflichen Empore: I (A), VII (K), II (B), III (D); auf der Empore der Gräfin: IV (E), Elias/Christi Himmelfahrt, VI (J), V (F).
  3. Vgl. ebd.
  4. HZAN, Slg. Friedr. Leop. Erhardt, Ordner 35: „Die Stadtkirche von Weikersheim betreffend“, 1935 (masch. Abschrift eines von mir nicht eingesehenen Aufsatzes von Pfarrer Herbert Lang in: Ev. Gemeindeblatt Weikersheim–Honsbronn–Queckbronn–Bronn, ca. 1934/35), Bl. 12f.
  5. In Silber 3 (2:1) rote Schildchen: Zunftwappen der Maler; vgl. Friedrich Warnecke, Das Künstlerwappen. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte, Berlin 1887.
  6. Zu Dietrich vgl. Elisabeth Grünenwald, Ein Beitrag zum Werk des Malers Johann Wolfgang Dieterich und zur Malerfamilie Dieterich aus Weikersheim, in: WFr 58 (1974) 230–244, hier: 230f.
  7. Wie Anm. a.

Nachweise

  1. Herbert Lang (vgl. Anm. 4).
  2. HZAN, Slg. Friedr. Leop. Erhardt, Ordner 35: „Die Stadtkirche von Weikersheim betreffend“, 1935, Bl. 12f. (nach Lang).
  3. Merten, Stadtkirche 1976, 4, 12; 41982, 4, 12 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 285(†) (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0028507.