Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 281 Weikersheim, ev. Stadtkirche 1589?

Beschreibung

Altarmensa. Im Chor. Als reiner Abendmahlstisch ohne Retabel konzipiert, dann aber 1618 mit einem monumentalen Retabel (vgl. nr. 420) versehen. Roter Sandstein, farbig gefaßt. Hoher profilierter Sockel; die ebenso hohe, ähnlich profilierte Platte wird an den vier Ecken von den vollplastischen Figuren der vier Evangelistensymbole getragen. Als zusätzliche Stütze dient in der Mitte der beiden Längsseiten je ein von zwei Schildhaltern gehaltener ovaler Wappenschild im Lorbeerkranz. Über den zu den Längsseiten hin ausgerichteten Evangelistensymbolen sind, jeweils im senkrechten Band des Plattenprofils, Beischriften eingehauen: vorn links (A), rechts (B), hinten rechts (C), links (D). Die Begrenzungslinien der Zeilen sind als Hilfslinien vorgeritzt. Der kniende Matthäus-Engel hält ein offenes Buch, die aufgemalte Beschriftung der Seiten ist modern1.

Maße: H. 118, L. 219, B. 122, Bu. 5,2 (A), 4,9 (B), 5,0 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    S · MATTHE(VS)a)

  2. B

    S · MARC(VS)b)

  3. C

    S · LVCAS

  4. D

    S · IOAN(N)ES

Wappen:
vorn Hohenlohe-Langenburg2, hinten Nassau-Dillenburg3.

Kommentar

Die Altarmensa ist eine Arbeit des Bildhauers Michel Niklas von Reinsbronn. Charakteristisch für seine Kapitalisschrift sind die s-förmig geschwungenen Sporen an den freien Bogenenden von C und S. Die us-Haken nehmen die gesamte Zeilenhöhe ein. Der nüchterne Altartisch ohne Retabel zeugt vom calvinistischen Einfluß am Weikersheimer Hof unter dem Grafen Wolfgang von Hohenlohe, der mit Magdalena Gräfin von Nassau-Dillenburg, einer Schwester des Grafen Wilhelm von Oranien-Nassau, verheiratet war4. Auch der Altartisch von 1586 in der Schloßkirche in Schmalkalden wird von den Figuren der Evangelistensymbole gestützt5. Die Altarmensa wird in der Forschung bislang stets um 1590 angesetzt. Einen terminus ante quem liefert der erhaltene Bestandzettel des Hofmalers Caspar Dietrich vom 6. Oktober 1589, in dem ihm – außer der Emporenbemalung (vgl. nr. 285) – aufgetragen wird, den „Newen altar“ zu bemalen und zu vergolden6. Zu diesem Zeitpunkt war der Altar also jedenfalls fertig. Die in dem Bestandzettel festgehaltenen, zum Teil akribischen Vorschriften für die Farbfassung und Vergoldung der Mensa weichen gelegentlich von dem heutigen, aus Restaurierungen resultierenden Befund ab. So sollten Tisch- und Sockelplatte schwarz gestrichen und „weiße äderlein darein Mermelir(t)“ werden. Reste der schwarzen Farbe sind noch sichtbar.

Textkritischer Apparat

  1. Beschädigung des A durch zugeputztes Dübelloch.
  2. Beschädigung des R durch zugeputztes Dübelloch.

Anmerkungen

  1. Neuzeitliche lateinische Schreibschrift: Joh 14. Cap. / Vers. 6. // Jch bin der Weg / die Wahrheit u. / das Leben.
  2. Quadriert von Hohenlohe und Langenburg; Schildhalter: 2 hersehende Löwen mit untergeschlagenem Schweif.
  3. Quadriert: 1. Nassau, 2. Katzenelnbogen, 3. Vianden, 4. Diez; Schildhalter: 2 gekrönte Greifen.
  4. Vgl. Merten, Stadtkirche 41982, 4, 12, 14.
  5. Ebd.; Abb. in RDK 1 (1937), Sp. 437.
  6. HZAN, Archiv Weikersheim, Neubau der Kirche zu Weikersheim, Kontrakte 1587–89.

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 281 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0028109.