Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 258 Elpersheim (Stadt Weikersheim), ev. Pfarrkirche (St. Georg) 1584

Beschreibung

Epitaph des Matthäus Lilienfein (Jilgenfein). An der nördlichen Laibung des Chorbogens. Ädikula aus Sandstein; drei Werkstücke. Flachgiebel mit Roll- und Beschlagwerkornament; im hohen Architrav eingehauene 4zeilige (A) und 2zeilige Versinschrift (B), jede zweite Zeile eingerückt; darunter, durch schmale Leiste abgetrennt, ein Bibelspruch (C); in der Mittelzone ein von kannelierten Halbsäulen gerahmtes Rundbogenfeld, darin der Verstorbene im Priestergewand vor dem Kruzifixus (Kreuztitulus D) kniend und betend; dem Bogenverlauf folgend eingehauener Bibelspruch (E), durch das Kreuz unterbrochen; zwischen Kreuz und Kopf des Priesters eingeritzter Kelch; unten rechts die Erhöhte Schlange in Ritzzeichnung, darüber Inschrift (F); in den Bogenzwickeln zwei Engelsköpfe. Auf dem Wulst des Simses aufgemalte Steinmetzsignatur und Jahreszahl (G); im Sockel eingehauene Versinschrift (H), jede zweite Zeile eingerückt; darunter Wappen. Simse bestoßen. Inschrift (G) verblaßt, ebenso die Reste der gleichzeitig ausgeführten schwarzen Ornamentmalereien auf der Rahmenarchitektur. Alle Inschriften waren ursprünglich mit schwarzer Farbe nachgezogen.

Maße: H. 203, B. 98,5, Bu. 3,0 (A), 2,6 (B, C), 1,2 (D), 2,3 (E), 2,2 (F), 2,7 (G), 2,3 cm (H).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D, F), schrägliegende Kapitalis (B), Fraktur (E, H).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. A

    SI LOCVS EST ALIQVIS PATRIO PRAECLARVSa) AMOREHVNC ET CONSPICVV(M) NOSTRA RVINA FACITNAM PATER ACCESSI NATVM, QVEM PESTISb) ACERBAc)1)VEXABAT, LACHESIS STAMINA RVPIT2) ATROX.c)

  2. B

    teMpora sI qVaerIs, VICena LVCe peraCtaqVIntILIs, Laetans spIrItVs astra CapIt ·

  3. C

    EGO SVM VIA VERITAS, ET VITA: IOAN: XIIII ·3)

  4. D

    INRI

  5. E

    ·d) Also Hat Gott Die welt geliebt · // Joh: am · 34) ·d)

  6. F

    NVM: 215)

  7. G

    · 15 · M(ichel) N(iklas)e) · 84 ·

  8. H

    Als Man zattf) Fünfzehn Hundert JarVier vnd achzig Die klein zal warGehn Elperszheim Jn Sterbens zeittzum Trost kam Viler krancken LeuttMattheus Jilgenfein Sehr Altt,Entschlieff nach Gottes willen BaldtDessen Seel Jetzundt Jst in Rhuw,Der treuw Gott Helff vns auch darzu · ame(n)

Übersetzung:

Wenn es irgendeinen Ort gibt, der sich besonders auszeichnet durch Vaterliebe, so macht unser Tod diesen hier zu einem, der vor anderen auffällt. Denn ich, der Vater, bin bei meinem Sohn erschienen, als ihn die grausame Pest quälte, und die unerbittliche Lachesis zerriß meinen Lebensfaden. – Wenn du wissen willst, wann das war: wenn der zwanzigste Tag des Juli um ist, erreicht der Geist freudig die Sterne (21. Juli). – Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Versmaß: Elegische Distichen (A, B), Chronodistichon (B), deutsche Reimverse (H).

Datum: 31. Juli 1584 n. St.

Wappen:
Lilienfein6.

Kommentar

Der Steinmetz verwendet eine durch hakenförmig gekrümmte oder s-förmig geschwungene Sporen manieriert wirkende Kapitalis. Zu diesem Eindruck tragen auch die mit starker Biegung geschwungenen Cauden von Q und R sowie Nexus litterarum und Buchstabenverschränkungen bei. Der Schrägschaft des N ist einmal am Zeilenanfang durchgebogen und durchstößt oben und unten das Schriftband. Noch manierierter erscheint die schrägliegende Ausführung der Kapitalis durch das dort verwendete A mit s-förmig geschwungenem und weit unter die Grundlinie reichendem linken Schrägschaft. Die vergrößerten Buchstaben des Chronostichons ergeben die Jahreszahl 1584. Die Frakturschrift ist auffallend breit proportioniert; ihre Versalien sind schlicht und einheitlich. Die charakteristischen Schriftmerkmale erlauben in Verbindung mit der aufgemalten Signatur, die der auf einer Reinsbronner Wappentafel von 1588 eingehauenen (nr. 276) entspricht, eine sichere Zuweisung des Werks an den Bildhauer Michel Niklas.

Matthäus Lilienfein, 1519 in Karlstadt (Main-Spessart-Kreis) geboren, war nach seiner Schulausbildung in Dinkelsbühl und Ohrdruf und nach Studium in Tübingen (imm. 1540) und Wittenberg (imm. 1542) 1545 Schuldiener in Schwäbisch Hall, ab 1546 Pfarrer in Poppenweiler (Stadt Ludwigsburg), 1549–1556 Pfarrer in Endersbach (Weinstadt, Rems-Murr-Kreis) und von da an bis zu seinem Tod Stadtpfarrer in Öhringen7. Sein in Inschrift (A) erwähnter Sohn Arnold war von 1581 bis 1596 Pfarrer in Elpersheim8. Den Versinschriften ist zu entnehmen, daß der Vater im Pestjahr 1584 den erkrankten Sohn in der Elpersheimer Pfarrei vertrat. Offenbar fiel er selbst der Pest zum Opfer, während sein Sohn überlebte († 1610). Insgesamt starben in Elpersheim 1584 fast 300 Menschen9.

Textkritischer Apparat

  1. VS verschränkt.
  2. zweites S verkleinert und um den Schaft des T geschlungen, über dem Deckbalken des T ein I-Punkt.
  3. Letzter Buchstabe über die geritzte Randlinie geschrieben.
  4. Zierschnörkel.
  5. Nexus litterarum MN.
  6. So statt zalt.

Anmerkungen

  1. Vgl. den Hexameter-Schluß pestis acerba in Alcuin. Carm. 3, 21, 6.
  2. stamina rumpere klassische Junktur; vgl. Latein. Hexameter-Lex. 5, 258.
  3. Io 14, 6.
  4. Jh 3, 16.
  5. Nm 21, 4–9: Die eherne Schlange.
  6. Lilie.
  7. Alle Angaben nach Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 270 nr. 1568.
  8. Ebd. 269 nr. 1565.
  9. OAB Mergentheim 533.

Nachweise

  1. OAB Mergentheim 526 (nur A, B, H).
  2. Drös, Mittelalterl. u. frühneuzeitl. Inschriften 30 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 258 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0025800.