Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 143 Bad Mergentheim, Tauberbrücke 1540

Beschreibung

Steintafel mit Gedenkinschrift auf den Brückenbau 1340 und auf einen Unfall 15401. Am südlichen Brückenkopf an der Westseite eingemauert. Ursprünglich in der westlichen Brüstung. Querrechteckige Muschelkalkplatte mit schmaler Rahmenleiste; im eingetieften Feld oben links das Relief eines springenden Pferds, das seinen Reiter nach hinten abwirft, rechts davon 6zeilige Inschrift (A), die sich rechts unten in vier kurzen Zeilen fortsetzt. Den übrigen Raum der unteren Hälfte des Steins nimmt ein nochmals eingetieftes Feld ein, in dem in Flachrelief eine Schrifttafel (B) zwischen einem kniend betenden Paar ausgehauen ist. Sehr stark verwittert; die Schrift stellenweise – auch durch die grobkörnige Struktur des Gesteins – nur mehr schemenhaft zu erkennen, allerdings mit dunkler Farbe größtenteils zuverlässig nachgezogen.

Maße: H. 77, B. 119, Bu. 4 (A), 3–3,4 cm (B).

Schriftart(en): Mischschrift aus gotischer Minuskel und Fraktur, mit Versal.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    Anno domini 1340a) jar
    ẉy keyser lvdwig [. . .] · [. .]yb) / fv̈r war ·
    do · ward bey dem teusc̣hen meyster erkant /
    von elenBurgc) ist er genant
    Ṣo fieng man dise prvcken an /
    das siẹ ẉerd) die dauber soll gan
    dar · an stevrtten arm vnd / reych
    Jung vnd alt das selben gleych ·
    vnd ist ein solches / werck · dravs worden
    erbawt von der stat dẹs tevschen / orden
    die vnser / herren send
    gott / helff vns alle / am letzten end

  2. B

    Anno domini 1540e)
    dis wvnder / geschach vnd ist war
    das das / ros vnd der knab
    hinder sich fielen / ẉerf) die prvcke(n) · hinab
    vnd ṇỵc̣ḥṭ / [s]ey(n) ṿerẉndtg)
    das sey gotloB zv aller / stvndt
    das war sein vatter vnd mvtt[er] / ein freidt
    vnd dancken got in ewigkeitt

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Schrift ist – soweit dies noch zu beurteilen ist – sehr unregelmäßig ausgeführt mit schwankender Buchstaben- und Zeilenhöhe, ungeradem Zeilenverlauf und ungleichmäßigen Zeilen-, Wort- und Buchstabenabständen. Das b scheint gelegentlich in Majuskelform oder jedenfalls mit weit hochgezogenem und eingeschnürtem Bogen gebildet zu sein. Die schmalen Proportionen sind noch die der gotischen Minuskel, während einzelne Buchstabenformen (f und langes s mit Unterlänge, v und w mit durchgebogenen Schrägschäften) aus der Fraktur stammen.

Inschrift (B) erinnert in ihrer Verbindung mit dem Reiterrelief und der Darstellung des betenden Paares an eine Votivinschrift. Der geschilderte Vorfall gab sicherlich den konkreten Anlaß zur Errichtung des Denkmals. Eigenartig ist sowohl das Fehlen jeglicher Hinweise auf die Auftraggeber durch Namennennung oder Wappendarstellung als auch die Kombination mit der Gedenkinschrift (A) an den Aufenthalt Kaiser Ludwigs und an den Brückenbau 1340. Veranlaßt wurde diese Inschrift vermutlich durch die 200jährige Wiederkehr der genannten Ereignisse.

Deutschmeister Wolfram von Nellenburg (1329–61) war ein enger Vertrauter Kaiser Ludwigs des Bayern. So fungierte er beispielsweise 1345 als kaiserlicher Gesandter bei den Wetterauischen Reichsstädten2. Ein Aufenthalt des Kaisers in Mergentheim läßt sich freilich zu 1340 nicht nachweisen, wohl aber für den 7. Juli 13413, für den 1. bis 16. Mai 13434 und für den 30. Juli 13465. Eine Lesung der Jahreszahl als 1346 ist aber wohl auszuschließen. Vielmehr hat man offenbar in der Rückschau versehentlich die tatsächlich in Nürnberg erfolgte kaiserliche Privilegierung des Deutschordenshauses Mergentheim von 1340 mit einem Aufenthalt des Kaisers vor Ort in Verbindung gebracht. Durch Urkunde vom 2. Juli 13406 hatte der Kaiser den Deutschordensbrüdern das Recht erteilt, den Markt Mergentheim förmlich zur Stadt mit Gelnhausener Stadtrecht zu erheben, sie zu befestigen und die hohe Gerichtsbarkeit auszuüben7. Eine weitere Urkunde desselben Jahres (1. September, Frankfurt) gab den Ordensbrüdern das in der Inschrift angesprochene Recht, für den Mauer-, Graben-, Brücken- und Wegebau Abgaben zu erheben8. Die Nachricht der Inschrift, daß mit dem Brückenbau 1340 begonnen worden sei, ist also durchaus glaubhaft. Eine ältere Inschrift diente wohl kaum als Vorlage, da der Versbau die gleiche Machart verrät wie der der Inschrift (B).

Textkritischer Apparat

  1. Datierung auf 1346 in Bad Mergentheim. Heiligtümer 35; Gräter, 750 Jahre Deutscher Orden in Mergentheim 28; ders., Bad Mergentheim 1989, 13.
  2. Befund der aufgemalten Schrift: lvdwig IV. d · Bay. Die Lesungen IV. und Ba sind freilich nicht nachzuvollziehen. Der Buchstabe vor y könnte eher ein v sein.
  3. So statt Nellenburg. Zwischen von und elenBurg deutliche Worttrennung.
  4. Befund unklar; gemeint ist: über. Vermutlich steht das w für uu, und ist zu lesen uuer (=uwer).
  5. Danach erfordert der Reim die Ergänzung von jar (vgl. Inschrift A), das der Steinmetz versehentlich ausgelassen hat.
  6. Wie Anm. d; mit Farbe falsch nachgezogen: von.
  7. Befund unklar; mit Farbe nachgezogen: verwvndt; die Buchstaben erscheinen aber zu eng gedrängt und sind nur zum Teil deckungsgleich mit den Resten der eingehauenen Schrift.

Anmerkungen

  1. Die Beschreibungen in der älteren Literatur erwecken zum Teil den Eindruck, als handele es sich um zwei verschiedene Inschriftenträger des 14. und 16. Jahrhunderts.
  2. Böhmer RI VII nr. 2425.
  3. Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347) nach Archiven und Bibliotheken geordnet hg. v. Peter Acht, H. 1: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Württembergs, bearb. v. Johannes Wetzel, Köln Weimar Wien 1991, nr. 330.
  4. Ebd. H. 2: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Badens, bearb. v. Johannes Wetzel, Köln Weimar Wien 1994, nrr. 318–321; Böhmer RI VII nrr. 2327f., 2857f., 3098–3100; Seiler, Dt. Orden als Stadtherr 181.
  5. Böhmer RI VII nr. 2509; Regesten Ludwigs d. Bayern H. 1 (wie Anm. 3), nr. 415.
  6. Orig. HStA Stuttgart, H 51 U 414a; Böhmer RI VII nr. 2088; Regesten Ludwigs d. Bayern H. 1 (wie Anm. 3) nr. 313.
  7. Tatsächlich war Mergentheim damals bereits Stadt, wenn auch ohne förmliche Stadtrechtsverleihung. Deutschmeister von Nellenburg hatte ab 1330 mit einem Mauerbau beginnen lassen; vgl. Raupp, Bautätigkeit 153–183; Seiler, Dt. Orden als Stadtherr 177f.
  8. Orig. HStA Stuttgart, H 51 U 417; Regesten Ludwigs d. Bayern H. 1 (wie Anm. 3) nr. 316; Böhmer RI VII nr. 2098. Zu den Privilegien Ludwigs des Bayern für Mergentheim vgl. auch die Zusammenstellung der Regesten in OAB Mergentheim 398–400; Seiler, Dt. Orden als Stadtherr 177–182.

Nachweise

  1. StAL, JL 425 Bd. 20 (Slg. Breitenbach) Nr. 9 (ungenau); Nr. 52 (ungenau).
  2. StAL, E 258 VI Bü 2517 (Christian Friedrich Bauer, Chronik von Mergentheim, um 1836), Bog. 26 (nur B, ungenau).
  3. Schönhuth, Mergentheim mit seinen Umgebungen 123 (ungenau).
  4. Ders., Wolfram v. Nellenburg 330 (ungenau).
  5. OAB Mergentheim 348f. (nach Schönhuth).
  6. Löschel, Bad Mergentheim 21949, 54 (Regest).
  7. Diehm, Geschichte Mergentheim 50 (nur A).
  8. Bad Mergentheim. Heiligtümer 35 (nur A, ungenau).
  9. Gräter, 750 Jahre Dt. Orden in Mergentheim 28 (nur A teilw.). = Gräter, Bad Mergentheim 1972, 94. = Ders., Bad Mergentheim 1989, 13.
  10. Deutschordens-Kommende Mergentheim 11 (ungenau; m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 143 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0014304.