Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 137 Wien, Schatzkammer des Deutschen Ordens 1536

Beschreibung

Kokosnußbecher mit Deckel auf hohem Fuß. Aus dem Nachlaß des Administrators des Hochmeistertums in Preußen und Deutschmeisters Walter von Kronberg; seit 1543 stets Teil des Ordensschatzes und mit diesem in der Folge mehrfach aus Mergentheim geflüchtet; seit 1805 in Wien. Inv.-Nr. G-003 und G-004.

I. Becher aus Kokosnuß, Fassung Silber teilvergoldet; mit drei Kugelfüßen; oben auf der flachen Deckplatte des auf den Deckel aufgesetzten Balusters ein emailliertes Wappen, im Deckel auf einer vergoldeten ovalen Silberplatte eine gravierte Jahreszahl (A) und Blattornament. II. Spätgotische Becherschraube (E. 15. Jh.), 1536 umgearbeitet: Silber teilvergoldet; getreppter Sechspaßfuß mit getriebenen Buckeln (in den Zwickeln winzige Drachenfiguren), die sich am schmalen Schaft zu Röhren verjüngen; der Schaft durch flachen Nodus unterbrochen; die runde flache Standfläche für den Becher mit von der Unterseite herabhängender Blattkrone und drei außen angesetzten Drachenfigürchen zum Festklammern des Bechers. Auf der Oberseite der Standfläche – nachträglich (wohl 1536) angebracht – in der Mitte ein emailliertes Wappen im blau emaillierten Kreisfeld mit umlaufend gravierter Inschrift (B).

Maße: H. (Becher) 17,2, Dm. (Deckel) 8,3, H. (Fuß) 11,8, Dm. 11, Bu. 0,6 (B), Zi. 0,3 cm (A).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    1536

  2. B

    · ANNANISAPTA · THETHRAGRAMATHON

Wappen:
Deutscher Orden (Hochmeister)/Kronberg (Flügelstamm)1; Deutscher Orden/Pappenheim2.

Kommentar

Als Worttrenner dienen Rosetten. Die Buchstaben zeigen die für die Frühhumanistische Kapitalis typischen schmalen Proportionen (annähernd 2:1), lediglich die runden Buchstaben sind etwas breiter. A hat einen einseitig nach links oder rechts überstehenden Deckbalken, E ist zweibogig, N spiegelverkehrt. P hat einen auffällig großen Bogen. Halbnodus und Ausbuchtung sind nur vereinzelt als Zierformen bei I und N eingesetzt.

Der Kokosnußbecher wurde vielleicht anläßlich des im August 1536 in Mergentheim abgehaltenen Großkapitels angefertigt3. Im Deutschordensschatz befindet sich noch ein zweiter Kokosnußbecher, allerdings ohne Inschrift, mit eingraviertem Wappen Walter von Kronbergs im Deckel, der gleichzeitig entstanden sein könnte, aber von einem anderen Goldschmied gefertigt wurde4. Das Wappen auf der vorliegenden Becherschraube ist das des Heinrich Marschall von Pappenheim, der 1534–37 Komtur in Mergentheim war5. Es wurde zusammen mit der Inschrift nachträglich eingefügt. Die Umarbeitung erfolgte vermutlich für den Becher, mit dem der Fuß auch jetzt noch verbunden ist, oder für ein vergleichbares gleichzeitig entstandenes Gefäß. Es handelt sich vielleicht um ein Geschenk des Komturs an Walter von Kronberg6. Becher und Fuß sind Nürnberger Arbeiten7.

Die beiden Wörter der Inschrift haben apotropäische Funktion: Tetragrammaton ist die Umschreibung für den aus vier Konsonanten gebildeten hebräischen Gottesnamen, Ananisapta ist eine in Inschriften mehrfach nachweisbare Schutzformel8, die üblicherweise gedeutet wird als Abkürzung für A(ntidotum) N(azareni) A(uferat) N(ecem) I(ntoxicationis) S(anctificet) A(limenta) P(oculaque) T(rinitas) A(men) und demnach vor Vergiftung bewahren soll9.

Anmerkungen

  1. Durch Hochmeisterkreuz quadriert, 1/4. Deutscher Orden, 2/3. Kronberg (Flügelstamm).
  2. Deutscher Orden, belegt mit Mittelschild: Pappenheim; von Herrmann, Walter v. Cronberg, Abb. 26 (Bildunterschrift) fälschlich als „Ordensritterwappen Walter von Cronbergs“ gedeutet.
  3. So Dudík, Kleinodien 124, der allerdings den 27. März 1536 als Termin des Großkapitels angibt; vgl. dagegen Herrmann, Walter v. Cronberg 260.
  4. Inv.-Nr. G-001. Dudík, Kleinodien 123; Kohlhaussen 452–454, 332f. nrr. 369f., Abb. 484; Bauer, Kunstdenkmäler Kronberg 233, Abb. 37; Krones 45. Dieser Becher mit Nürnberger Beschauzeichen.
  5. Vgl. Herrmann, Walter v. Cronberg 268.
  6. Nach Fritz, Gefäße aus Kokosnuß (wie unten) 96 sei der Fuß „wohl nicht zugehörig“.
  7. Vgl. Kohlhaussen 333, 452; Fritz, Gefäße aus Kokosnuß 96.
  8. Vgl. u. a. DI 1 (Bad. Main- u. Taubergrund) nr. 445: Glockeninschrift von 1448.
  9. Vgl. dazu Handwörterbuch d. dt. Aberglaubens 1, Sp. 395f.; zuletzt mit wenig überzeugendem Deutungsversuch, allerdings mit zahlreichen epigraphischen Vergleichsbeispielen: Werner Karl, Ananizapta. Eine geheimnisvolle Inschrift des Mittelalters, in: Sammelblatt des Hist. Vereins Ingolstadt 105 (1996) 59–90.

Nachweise

  1. Dudík, Kleinodien 123 (m. Abb.).
  2. Kohlhaussen 333f. nrr. 371f., Abb. 485.
  3. Herrmann, Walter v. Cronberg, Abb. 25–27.
  4. Bauer, Kunstdenkmäler Kronberg 233, 300 Abb. 38.
  5. Rolf Fritz, Die Gefäße aus Kokosnuß in Mitteleuropa. 1250–1800, Mainz am Rhein 1983, 96 nr. 43 (nur A), Taf. 24a.
  6. Krones 46.
  7. Drös, Mittelalterl. u. frühneuzeitl. Inschriften 12f. (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 137 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0013706.