Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 56 Waldmannshofen (Stadt Creglingen), ev. Pfarrkirche 1. H. 15. Jh.,
1. H. 16. Jh.

Beschreibung

Reste von Wandmalereien. Im Gewölbe und an den Wänden des Turmuntergeschosses (ehem. Turmchor). Sich teilweise überdeckende Reste zweier Ausmalphasen. I. In den vier Gewölbekappen ursprünglich die vier Evangelistensymbole mit langen Schriftbändern: im Osten der Engel des Matthäus mit fast völlig verblaßter Inschrift (A), im Norden nur mehr Reste des Flügels des Johannesadlers mit Schriftband (B), im Westen der Löwe des Markus mit weitgehend vergangener Inschrift (C), vom Stier des Lukas im südlichen Feld ist nichts erhalten. Die spätere Übermalung ersetzte die alten Darstellungen durch verkleinerte Abbildungen der Evangelistensymbole, jetzt mit mehrfach verschlungenen und eingerollten Schriftbändern und umgeben von reichem Pflanzenornament: in der östlichen Gewölbekappe ist ein Stück des Schriftbands (F), im Süden der Stier des Lukas mit dem Beginn eines Schriftbands (G) erhalten. II. An der Ostwand, links vom Fenster zwei stehende Heilige vor dunkelrotem, mit Sternen bestreuten Hintergrund, über dem Bildfeld ein schmaler Streifen mit fragmentarischen Namenbeischriften (D, E). Links der hl. Antonius der Eremit in Antonitertracht, die Kapuze der vorn offenen Kappa über den Kopf gezogen, in der Linken ein kleeblattendiges Dreibalkenkreuz haltend1, die Binnenzeichnung ist völlig verschwunden; von der rechten Figur ist nur der Nimbus zu erkennen und der rechte Arm mit einem länglichen Gegenstand, an dem oben ein Ring, unten ein kastenähnliches Gebilde befestigt ist, vermutlich die Kette mit Halsfessel und Schloß als Attribut des hl. Leonhard2. Die Fragmente rechts vom Fenster sind nicht mehr zu deuten, der Streifen über dem Bildfeld zeigt keine Schriftreste mehr. III. An der Nordwand: Jüngstes Gericht: auf Regenbogen thronender Christus in der Mandorla, flankiert von zwei Posaunenengeln und Maria und Johannes Evangelista (Intercessio), darunter rechts noch fragmentarisch der Höllenrachen und die Verdammten zu erkennen; über der Szene die Verkündigung an Maria, die Schriftreste auf den beiden Schriftbändern sind nicht mehr deutbar. IV. An der Südwand links vom nachträglich eingebrochenen Fenster als Fragment einer Darstellung der Marter des hl. Sebastian (?) ein Armbrustschütze und Reste einer Baumkrone, rechts vom Fenster ein hl. Bischof; keine Inschriften.

Maße: Bu. ca. 6–7 (A–E), ca. 3,5–4,0 cm (F, G).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A–E), frühhumanistische Kapitalis (F, G).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/15]

  1. A

    ṣ · ṃ[– – –]a)

  2. B

    s · iohannes // [– – –]

  3. C

    · ṣ · // mar[c]//ṿṣ // [– – –]b)

  4. D

    · s · aṇṭḥọnivs ·

  5. E

    · s [– – –]

  6. F

    · S · / MATH[– – –]

  7. G

    · S [– – –]

Kommentar

Der fragmentarische Zustand der Minuskelinschriften erlaubt keine paläographische Analyse. Der Stil der Malereien weist weit eher in die erste als in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Von der im 16. Jahrhundert vorgenommenen Übermalung der Evangelistensymbole im Chorgewölbe ist nur mehr wenig erhalten. Die spärlichen Schriftreste lassen eine qualitätvolle Kapitalis erkennen. Aufgrund der keilförmig verbreiterten und an den Enden zu kräftigen Dreiecken erweiterten Schäfte und Balken, des beidseitig überstehenden Deckbalkens des spitzen A, des haarfeinen, nach unten ausgebuchteten Mittelbalkens des H sowie der paragraphzeichenförmigen Worttrenner ist die Schrift trotz der verhältnismäßig breiten Proportionen als frühhumanistische Kapitalis zu klassifizieren.

Die Baugeschichte der Kirche ist nicht näher erforscht. Der Chorturm wurde als einziger mittelalterlicher Bauteil in den umorientierten Neubau zu Beginn des 19. Jahrhunderts einbezogen. Das Patronat besaßen die Truchsessen von Baldersheim und seit 1421 auch die von Rosenberg als Ortsherren3.

Textkritischer Apparat

  1. Der Länge des Schriftbandes nach zu ergänzen: m[atthevs · evangelista].
  2. Keine Schriftreste mehr zu erkennen, nach dem zur Verfügung stehenden Platz vermutlich zu ergänzen: evangelista.

Anmerkungen

  1. Zur Darstellung des Heiligen vgl. Braun, Tracht u. Attribute, Sp. 86–96, bes. 88f.: das Handkreuz ist meist mit einem oder zwei Querbalken dargestellt; für drei Balken sind mir keine Parallelen bekannt.
  2. Vgl. die sehr ähnliche Darstellung des hl. Leonhard in der Coburger Nikolauskapelle (4. V. 15. Jh.): Roth, Gotische Wandmalerei 44 (Abb.).
  3. Vgl. LdBW IV, 314.

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 56 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0005606.