Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 54 Laudenbach (Stadt Weikersheim), Bergkirche U. L. Frau nach 1412/1. H. 15. Jh.

Beschreibung

Tympanon vom Nordportal. Das Portal wurde beim Anbau der Hatzfeldtschen Grabkapelle 1748 abgebrochen. 1880 lehnte das Tympanon außen an der Südwand der Kirche1, bei der Kirchenrenovierung 1910–12 wurde es zusammen mit weiteren Fragmenten zwischen zwei Chorstrebepfeilern zu einem Monument gruppiert2 und schließlich vor wenigen Jahren ins Kircheninnere verbracht und über dem Beichtstuhl an der Westwand angebracht. Spitzbogige Sandsteinplatte mit Rahmen aus vollplastisch skulptierten Weinreben. Im Feld oben Gottvater in den Wolken thronend, darunter halten zwei Engel einen Vorhang gespannt, vor dem die Verkündigungsszene dargestellt ist: Von links naht der Erzengel Gabriel, von dem ein Spruchband mit eingehauener Inschrift (A) ausgeht; in der Bildmitte eine Blumenvase mit Lilien; rechts Maria kniend mit vor der Brust gekreuzten Armen, ebenfalls mit Spruchband (B), hinter ihr ein Altärchen, auf dem ein Kruzifix und zwei Leuchter stehen und ein aufgeschlagenes Buch liegt. Vom Mund Gottvaters geht ein schlauchähnlicher Strahl aus, auf dem der Jesusknabe herabgleitet und der mit der Taube des Hl. Geistes in das Ohr Marias reicht. Stark verwittert, vor allem die Darstellung Gottvaters, der Zeugung, der Engel sowie der Köpfe von Gabriel und Maria; die oberen Teile der Spruchbänder sind weggebrochen.

Maße: H. ca. 170, B. 165, Bu. ca. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    · aue · g[– – –]3)

  2. B

    [– – – ver]bum · tuu(m)4) · · ·

Kommentar

In den relativ großen Wortzwischenräumen stehen Quadrangeln als Worttrenner. – Schon vielfach wurde in der Literatur darauf hingewiesen, daß das Tympanonrelief in der Gesamtkomposition und im Motiv der „Zeugung durch das Ohr“ nach dem Vorbild des Tympanons vom Nordportal der Würzburger Marienkapelle geschaffen wurde5. Das Würzburger Portal entstand wohl im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts6. Dort hält nur der Erzengel ein Spruchband, und die stark gekürzte Inschrift ist in erhabenen Minuskeln ausgehauen7. Das aufgrund der Verstümmelung schwerer zu beurteilende Laudenbacher Tympanon weist stilistisch noch in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts; mit dem inschriftlich dokumentierten Jahr des Baubeginns der Kirche 1412 (vgl. nr. 38) ist ein sicherer terminus post quem gegeben.

Anmerkungen

  1. OAB Mergentheim 602.
  2. Vgl. Schermann, Bergkirche 90: „Abschluß eines Steingefüges, das einerseits der Erhaltung der Bruchstückoriginale, andererseits dem Andenken des um die Restauration hochverdienten Pfarrherrn gewidmet ist.“ Entwurf und Ausführung besorgte Bildhauer Josef Feile.
  3. Lc 1, 28: ave gratia plena dominus tecum.
  4. Lc 1, 38: fiat mihi secundum verbum tuum; secundum muß gekürzt gewesen sein.
  5. Otte/Wernicke, Handbuch d. kirchl. Kunst-Archäologie 51883, I 527; Pinder, Plastik 118.
  6. Vgl. Kurt Gerstenberg, Die Bauplastik der Marienkapelle zu Würzburg, in: Zs. f. Kunstgeschichte 21 (1958) 107–122, hier: 108–110.
  7. DI 27 (Stadt Würzburg I) nr. 158.

Nachweise

  1. Schermann, Bergkirche 90 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 54 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0005402.