Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 30 Creglingen, ev. Herrgottskapelle um 1390, um 1396, um 1400

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

Glasgemälde in Langhaus und Chor. 1905 durch die Glasmalerei-Werkstatt Saile in Stuttgart restauriert; dabei Veränderung der Anordnung der Chorfensterbilder. I. Langhaus-Nordwand, zweites Fenster von Osten: dreibahnig, zweizeilig; Farbverglasung in der oberen (ursprünglich in der unteren)1 Zeile. In der mittleren Scheibe Kruzifixus an Astkreuz mit Titulus (A) in beidseitig eingerolltem Schriftband, Schrift schwarz auf weißem Grund. In der linken und rechten Scheibe die trauernde Maria und Johannes Evang. Im Maßwerk in der Blankverglasung über dem Marienbild ein Wappen, dessen Schildbild in Schwarzlot aufgemalt, jetzt aber weitgehend zerstört ist.

Maße: H. (Mittelscheibe) 86, B. 24, Bu. 1,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    · i · n · r · i

 
Wappen
Hohenlohe oder Stadt Creglingen2.

II. Südostwand des Chors, zweibahniges Fenster. Die 1905 dorthin versetzten Scheiben gehören in das dreibahnige Achsenfenster; ursprüngliche Anordnung dort3: untere Zeile blankverglast; darüber in der Mitte verlorene Scheibe (mit Wappen?), links und rechts Stifterbilder. Das linke zeigt unter Arkadenbögen kniend hintereinander einen Chorherrn und einen Ritter in Rüstung, vom Geistlichen geht ein – teilweise modern ergänztes – Spruchband (C) aus; Schrift goldgelb, Schriftgrund schwarz. Im rechten Stifterbild, ebenfalls unter Arkadenbögen, zwei kniende Frauen, die vordere mit langen Haaren unter breitkrempigem Hut, die hintere, von der ein – teilweise modern ergänztes – Spruchband (D) ausgeht, mit Kragenkruseler; Schrift schwarz auf goldgelbem Grund. In der Zeile darüber Kreuzigungsgruppe; in der mittleren Scheibe Kruzifixus mit vier Engeln, von denen zwei in Kelchen Blut aus Christi Wunden auffangen; in den beiden äußeren Scheiben links die Schmerzensmutter mit vom Schwert durchstoßener Brust, rechts Johannes Evang. Die Zeile darüber ist nur in der mittleren Bahn farbverglast: unter Turmbaldachin Spitze des Kreuzes mit Titulus in eingerolltem Schriftband (B), Schrift schwarz auf weiß.

Maße: H. (Einzelscheiben) 92–97, B. 41, Bu. 1,8 (B, D), 1,3 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. B

    i · n · r · i ·

  2. C

    [missere(r)e ·]a) mei · devsb) ·

  3. D

    [+ or]aa) · pro · nobis +

III. Chornordwand, zweibahniges Fenster; drei (von vier?) Scheiben erhalten: unten links der kniende Stifter in weißem Priestergewand unter Kielbogenbaldachin, vor ihm sein Wappenschild, über ihm Spruchband (E); Schrift hellgelb, Schriftgrund schwarz; in der Inschrift kleine Fehlstelle. Die beiden übrigen Scheiben zeigen die hll. Christophorus und Andreas, Patrone des Hochaltars. Die fehlende Scheibe war vermutlich der dritten Patronin, der hl. Anna, gewidmet4.
Siehe Lageplan.

Maße: H. (Stifterscheibe) 93, B. 42, Bu. 2,1 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. E

    herr ·c) / · albrecht · heherd) · von · ingolsta[t5) · de]re) · erst · capplan · got · geb · mirf) · siner · genaden

 
Wappen
Heher6.

Kommentar

Die Minuskel-Inschriften ohne Versalien bieten keine paläographischen Besonderheiten. Ober- und Unterlängen sind in Inschrift (E) deutlicher ausgeprägt als in den übrigen Inschriften, als Worttrenner dienen hier keine Quadrangeln, sondern kleine Ringe auf halber Zeilenhöhe.

Die Farbverglasung der Langhaus- und Chorfenster, neben der sich auch Teile der ursprünglichen Blankverglasung erhalten haben, gehören alle in die Bauzeit der Kirche. Die Weihedaten für zwei Altäre im Langhaus und den Hochaltar, 21. März 1389 und 12. Dezember 1396, können als Anhaltspunkte für die Fertigstellung des Langhauses bzw. des Chores dienen7. Demnach wurde vielleicht die Kreuzigung im Langhausfenster etwas früher (um 1390), wohl aber in der gleichen (Nürnberger) Werkstatt geschaffen wie die Farbverglasung des Achsenfensters im Chor8. Die dort als Stifter abgebildeten Personen sind die beiden 1390 gestorbenen Bauherren der Kirche, die Brüder Konrad und Gottfried von (Hohenlohe‑)Brauneck – Letzterer Dompropst zu Trier –, Konrads Witwe Anna von Hohenlohe († 1434), Tochter Krafts III. zu Weikersheim9, und die Tochter aus der erst 1388 geschlossenen Ehe, Margarethe († 1429), die hier bereits als junge Frau dargestellt ist (Heiratsabsprache noch 1390 mit Graf Günther (?) von Schwarzburg10). Für die Fensterstiftung, die vielleicht noch von den beiden letzten Brauneckern veranlaßt worden war, sorgte sicherlich Anna von Hohenlohe. Ihre zweite Ehe mit Konrad von Weinsberg (1396/97) bildet wohl den Terminus ante quem11. Die Fensterstiftung des Kaplans Heher setzt R. Becksmann12 aus stilistischen Gründen geringfügig später (um 1400) an. Zu Heher vgl. nr. 45.

Textkritischer Apparat

  1. Bei der Restaurierung 1905 ergänzt.
  2. Verkehrtherum eingesetztes Stück: dev steht auf dem Kopf.
  3. herr · in allen Lesungen übersehen.
  4. hebr (bzw. Hebr) alle Überlieferungen; der Befund aber eindeutig. Die Namenform wird außerdem durch archivalische Überlieferung bestätigt; vgl. Ehmer, Herrgottskapelle 144 u. ö.
  5. Kleine Fehlstelle. Der geringe zur Verfügung stehende Raum erfordert eine Kürzung des e oder eine de-Bogenverbindung.
  6. Zwei Stücke (n · got und · geb · m) vertauscht.

Anmerkungen

  1. Vgl. CVMA Schwaben 2, 24f.
  2. Spärliche Reste des unteren Leoparden noch zu erkennen. Creglingen führt seit der Stadterhebung 1349 das Wappen der Hohenlohe. Becksmann (CVMA Schwaben 2, 17f.) vermutet aufgrund der Anordnung des Schildes und des Fehlens eines Oberwappens, es handele sich hier um das Stadtwappen, und die Fensterverglasung sei demnach eine städtische Stiftung.
  3. Zur Rekonstruktion vgl. CVMA Schwaben 2, 18f.
  4. Vgl. ebd. 19 Anm. 9.
  5. Ingolstadt, Lkr. Würzburg.
  6. In Schwarz 3 goldene Schöpfer garbenweise, der senkrecht gestellte gestürzt.
  7. Vgl. Muth, Herrgottskirche 2; CVMA Schwaben 2, 17; Ehmer, Herrgottskapelle 141.
  8. Zur zeitlichen Abfolge, zur Werkstattfrage sowie zu den historischen und baugeschichtlichen Hintergründen vgl. grundlegend und die ältere Literatur zusammenfassend: CVMA Schwaben 2, 16–25. Danach das Folgende.
  9. Vgl. Eur. Stammtaf. NF XVII Taf. 5.
  10. So CVMA Schwaben 2, 21 Anm. 17. Nach Engel, Würzburg und Hohenlohe 34 und Eur. Stammtaf. NF XVII Taf. 5 wurde Margarethe (in Eur. Stammtaf. fälschlich: Anna) allerdings 1398 mit Graf Heinrich XXI. von Schwarzburg verheiratet. Margarethe war spätestens ab März 1403 volljährig; vgl. Bauer, Truchseße v. Baldersheim I, 155.
  11. Eine vermutlich nur wenig später eingesetzte Scheibe mit dem quadrierten Weinsberg-Hohenloheschen Wappenschild unter dem Weinsberger Helm (die beiden Felder mit dem Hohenlohe-Wappen zerstört und durch falsches Leininger Wappen ersetzt) ist im Nordost-Fenster des Chors erhalten; vgl. CVMA Schwaben 2, 19f., Abb. 41.
  12. Ebd. 19.

Nachweise

  1. Georg Christian Widder, Aquarellzeichnung der Fenster, um 1837 (LDA Stuttgart, Plansammlung (Creglingen); abgebildet in CVMA Schwaben 2, Taf. II).
  2. Schönhuth, Creglingen u. seine Umgebungen 46f., 58f. (ohne Wortlaut).
  3. Ders., Burgen … Württembergs, 2. Aufl., II 110f. (ohne Wortlaut).
  4. OAB Mergentheim 492.
  5. Gelchsheimer, Herrgottskirche 12 (nur E).
  6. Schmidt, Herrgottskirche 7 (nur E).
  7. Nasse, Herrgottskirche 15f. (nur erwähnt).
  8. Engel, Würzburg und Hohenlohe 79, Abb. nach 56.
  9. Hans Wentzel, Meisterwerke der Glasmalerei, Berlin 21954, 49, 100, Abb. 192f.
  10. Schweikhardt, Aus längst vergangenen Tagen 20.
  11. Ders., Creglingen 37.
  12. CVMA Schwaben 2, 16–25, 363f. Reg. 13, Abb. 31–42, Taf. II.
  13. Muth, Herrgottskirche 16 (Abb. von A), 17 (nur erwähnt).
  14. Drös, Mittelalterl. u. frühneuzeitl. Inschriften 22 (nur E).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 30 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0003002.