Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 14 Niederstetten, ev. Friedhofskapelle (zum Hl. Blut) 1. H. 14. Jh.

Beschreibung

Wandmalereien. Al secco. An Gewölbe und Seitenwänden des Chors; 1967/68 durch Restaurator Eckert, Bad Mergentheim, freigelegt. I. Im östlichen Gewölbejoch die vier Evangelistensymbole mit (jetzt) leeren Schriftbändern sowie vier Engel mit Leidenswerkzeugen; im westlichen Joch acht Engel. II. An der Chorbogenwand der Sturz der Zehntausend Märtyrer in die Dornen1, ohne Inschriften. III. Die Chornordwand ist in vier Register gegliedert: oben im westlichen Joch der Erzengel Michael als Seelenwäger, im östlichen Joch Christus in der Mandorla, flankiert von zwei Engeln; im zweiten Bildstreifen ist nur Johannes der Täufer zu erkennen, der eine Scheibe mit dem Agnus Dei hält; in der dritten Reihe im westlichen Joch die Begegnung der drei Lebenden mit den drei mit Leichentüchern bekleideten Toten: die drei Toten halten Spruchbänder, von denen zwei noch Schriftreste aufweisen (A, B); im östlichen Joch die Anbetung eines Götzen und die Verhaftung einer gekrönten Frau – beides wahrscheinlich Szenen aus der Katharinenlegende – ; im unteren Register der hl. Georg als Drachenkämpfer sowie die Verkündigung an Maria und die Heimsuchung2: Maria und der Erzengel Gabriel mit Spruchbändern, deren verblaßte Schriftreste nicht mehr lesbar sind. In der Fensterlaibung des westlichen Jochs links und rechts je eine Heiligenfigur unter Baldachin, darüber Rankenornament; in der Fensterlaibung des östlichen Jochs links und rechts jeweils zwei übereinander angeordnete Heiligenfiguren (Apostel?) unter Baldachinen: die beiden oberen mit (jetzt) leeren Schriftbändern (rechts: hl. Bartholomäus mit Messer), die linke untere zerstört, die rechte untere mit einem Schriftband mit fragmentarisch erhaltener Inschrift (C). IV. Die Chorostwand ist in drei Register unterteilt: oben Brustbild Christi zwischen zwei Engeln, darunter links Erbärmde-Christus mit Leidenswerkzeugen, rechts der hl. Leonhard mit einem Gefangenen im Stock (?)3; im unteren Register zwei Darstellungen unter reich geschmückten Baldachinen: links die hl. Katharina mit Rad und Schwert, ihr zu Füßen eine kleine kniende Stifterfigur mit langem Spruchband (D); rechts Schutzmantelmadonna; in der Fensterlaibung wiederum zu beiden Seiten je zwei von einer Baldachinarchitektur gerahmte Heiligenfiguren übereinander: links oben der hl. Johannes der Täufer mit Schriftband (E), rechts oben der hl. Petrus mit unleserlichem Schriftband; unten links ein Heiliger mit einem großen kleeblattendigen Kreuz, rechts ein Heiliger mit Buch. V. Die Chorsüdwand weist die gleiche Gliederung in vier Register auf wie die Nordwand: die beiden oberen Darstellungen sind unkenntlich, rechts ursprünglich das Martyrium des hl. Sebastian (?)4; im zweiten Register im östlichen Joch nicht deutbare Szene mit einem hl. Bischof sowie ein zerstörtes Bildfeld, im westlichen Joch ein hl. Bischof (hl. Cyriakus?) mit zwei gekrönten Frauen sowie die Errettung von drei Pilgern aus Seenot durch den hl. Nikolaus; im dritten Register Szenen aus der Katharinenlegende: eine weiße Taube bringt der hl. Katharina im Kerker Nahrung, Zerstörung des Richtrads durch Blitz und Donner, Enthauptung der hl. Katharina; das vierte Bild zeigt einen als Pilger dargestellten Heiligen, vor dem ein Pilger in Anbetung kniet; im untersten Bildstreifen Szenen aus der Kindheit Jesu: Anbetung durch die Hl. Drei Könige, Kindermord zu Bethlehem, Beschneidung Christi, Flucht nach Ägypten sowie ein zerstörtes Bildfeld; darunter befand sich noch ein fünfter Bildstreifen, von dem aber nur mehr geringe Reste zu erkennen sind (Gefangennahme Christi?). In den Laibungen der beiden Fenster – wie auf der Nordseite – sechs Apostel(?)figuren unter Baldachinen; im östlichen Joch links oben der hl. Paulus, rechts unten der hl. Judas Thaddäus, die beiden anderen nicht kenntlich, alle mit Schriftbändern, von denen nur noch die der beiden unteren Figuren Schriftreste aufweisen (F, G); von den beiden Figuren in der Fensterlaibung des westlichen Jochs ist nur die rechte schemenhaft erkennbar. Die Reste der Inschriften wurden stellenweise bei der Restaurierung – nicht immer glücklich – nachgezogen.

Maße: Bu. 3,0–3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/19]

  1. A

    [– – –]B · Ḍ[. . . .]R

  2. B

    [. . .]ẈIR[– – –]

  3. C

    [S · IAC]OB[U]S MAG̣[IO]Ra)

  4. D

    [– – –] MA(Ṛ)TỊṚ(ỤṂ)b) ḲẠTḤA[RIN]Ạc)

  5. E

    S · IOHANṢ[.]d)

  6. F

    S [. . . .]Ḥ[– – –]e)

  7. G

    [S ·] IVDAS

Kommentar

Aufgrund des schlechten Erhaltungszustands der Inschriften und ihrer teilweise verfälschenden Übermalung ist eine Schriftanalyse wenig sinnvoll. Als allgemeine Merkmale lassen sich kräftige Bogenschwellungen und deutliche keilförmige Verdickungen von Schaft- und Balkenenden sowie ausgeprägte, oft in Dreiecke umgeformte Sporen feststellen. Die Malereien gehören ihrem Stil nach noch in die Erbauungszeit der Kapelle im frühen 14. Jahrhundert (Weihe 1350)5. Das Bildprogramm ist vielschichtig. Neben einem Katharinenzyklus im dritten Register und einem Kindheit-Jesu-Zyklus im vierten Register, die sich offenbar über Süd- und Nordwand erstreckten, könnte als weiterer Zyklus in dem heute zerstörten untersten Bildstreifen die Leidensgeschichte Christi abgebildet gewesen sein. Dazu kommen wohl die zwölf Apostel als Einzelfiguren in den Fensterlaibungen sowie vermutlich die vierzehn Nothelfer in Einzelszenen, die entweder ihr Martyrium oder markante Begebenheiten aus ihrem Leben zeigen. Außerhalb dieses Programms steht die Darstellung der Legende von den drei Lebenden und den drei Toten. Die Mahnung der Toten an die Lebenden über die Vergänglichkeit des Lebens lautete gewöhnlich: „Quod fuimus estis, quod sumus eritis“ o. ä.6. Die spärlichen Schriftreste im vorliegenden Beispiel passen eher zu deutschsprachigen als zu lateinischen Texten.

Textkritischer Apparat

  1. M falsch nachgezogen; A stark verblaßt und nicht nachgezogen, aber noch deutlich erkennbar; vom dritten Buchstaben der linke Bogen erhalten, der nur eine Lesung als C, G oder O zuläßt.
  2. Kaum noch erkennbar; wohl R(UM)-Kürzel aus Bogen und langem, rechtsschräg durchstrichenem Balken; der Kürzungsstrich oben keilförmig verbreitert.
  3. Abwegig ist die Deutung Gerheisers, Friedhofskapelle 35: „Schriftband, auf dem ihr (sc. Katharinas) so umfangreiches Martyrium verzeichnet ist“; vgl. bereits Koch, St. Jakob 444 Anm. 36: „Vielleicht kann man eher an eine Stifterinschrift denken“.
  4. S so sicherlich nicht ursprünglich; letzter Buchstabe nicht mehr zu deuten.
  5. Unziales H oder rundes N.

Anmerkungen

  1. Richtige Deutung bereits durch Koch, St. Jakob 439; falsch dagegen die Identifizierung als „Jüngstes Gericht“ durch Gerheiser, Friedhofskapelle 36.
  2. Die Deutung des Bildes durch Gerheiser, Friedhofskapelle 36, ist abwegig.
  3. Nach Gerheiser, Friedhofskapelle 35 und Koch, St. Jakob 438 soll es sich um die wunderbare Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker handeln.
  4. So Gerheiser, Friedhofskapelle 35.
  5. Vgl. Dehio BW I, 588; zur Baugeschichte allgemein: Gerheiser, Friedhofskapelle 33–35 und Koch, St. Jakob 433–436.
  6. Vgl. M. Q. Smith, Art. „Drei Lebende und drei Tote“, in: LCI 1, Sp. 550–552; Willy Rotzler, Die Begegnung der drei Lebenden und der drei Toten. Ein Beitrag zur Forschung über die mittelalterlichen Vergänglichkeitsdarstellungen, Winterthur 1961.

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 14 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0001408.