Inschriftenkatalog: Stadt Mainz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 1: Mainz (2011)

SN2, Nr. 12 St. Stephan 3. Viertel 16. Jh.

Beschreibung

Fragment eines Gebetstextes: Die nur noch erhaltene linke obere Hälfte der Tuffsteintafel mit einer sechszeiligen Inschrift zwischen Linien ist heute im Nordflügel des Kreuzganges neben dem Portal zum Seitenschiff eingemauert. Worttrenner in Form von kleinen Dreiecken nur in der 5. und 6. Zeile. Die ehemals vorhandene Rahmung mit Eierstab ist bis auf einen kleinen Rest oben links verloren.

Maße: H. 17,5, B. 34,5, Bu. 2-2,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Siegfried Kirsch [1/1]

  1. ERLOSERa) MEN[- - - ]DERb) NIEMANTSc) W[- - - ]DVRCHd) DEINb) LEIDENe)b) C[- - - ]ERLOESf) VNS HERR VO[- - - ]VND • VERLEIe) VNS • DVRCHg) • DEINb) [- - - ]DIE EWIGE • FREYD VND SEL[- - - ]

Versmaß: Deutsche Reime.

Kommentar

Der mehrzeilige Spruch, der um das Thema der Erlösung kreist, ist in Form eines Gebetes an Christus gestaltet und dürfte, wie die untere Abbruchkante und zeitgleiche Beispiele belegen, noch zwei Zeilen mehr besessen haben.1) Eine Vorlage in Kirchenliedern ist nicht auszuschließen. Das Fragment der Inschriftplatte stammt vermutlich von einem größeren Epitaph, dem sich möglicherweise ein zweiter Gebetstext zuweisen lässt.2)

Die Schrift mit regelmäßigen Proportionen und leicht erhöhten Versalien besitzt eine sehr qualitätvolle Ausführung. Sie weist den Duktus, die leicht erhöhten Versalien, die zahlreichen Buchstabenverbindungen und einzelne Buchstabenformen, wie das H mit Nodus, betreffend, weitgehende Übereinstimmungen mit zwei Grabdenkmälern in Worms auf. Es handelt sich dabei um das 1559 entstandene Epitaph des Eberhard von Heppenheim genannt von Saal im Kreuzgang des Wormser Domes und das um 1561 zu datierende Epitaph des Georg Kämmerer von Worms genannt von Dalberg und seiner beiden Frauen in Worms-Herrnsheim auf. Beiden Grabdenkmälern gemeinsam sind Inschriften, die in einer klaren Kapitalis mit raumsparenden Ligaturen, Einstellungen und Inserierungen ausgeführt wurden. Zudem besitzen bzw. besaßen (für das Epitaph aus dem Wormser Dom ist er nur überliefert) beide den oben wiedergebenen Spruch. Die Wormser Denkmäler werden dem Schüler von Dietrich Schro, Endres Wolff aus Heilbronn, zugeschrieben.3)

Textkritischer Apparat

  1. O klein in L eingestellt.
  2. E klein in D eingestellt.
  3. S klein unter T eingestellt.
  4. C hochgestellt.
  5. E klein über L eingestellt.
  6. E klein in O eingestellt.
  7. V klein in D eingestellt.

Anmerkungen

  1. Vergleiche die Version beim Epitaph des Georg Kämmerer von Worms gen. von Dalberg 1561: ERLOSER MENSCHLICHS GESCHLECHTS VF ERDEN / DER NEMANTS WIL VERLOREN LASE WERDEN / DVRCH DEIN MARTER LEIDEN CREVTS VND DOTH / ERLOESS VNS HER VON ALLER NOTH / VND VERLEIHE VNS DVRCH DEIN BARMHERTZIGKAIT / DIE EWIG FRAEID VND SELLIGKAITT / SOLCHS GLAUB ICH FEST ZV ALLER FRIST / DAN DV MEIN ERLOSER O IHESV CHRIST; sowie die Version beim Epitaph des Eberhard von Heppenheim genannt von Saal, 1559. DI 29 (1991), Nr. 477 und Nr. 470.
  2. Vgl. den zweiten Teil von DI 2 (1958), Nr. 1511.
  3. Endres Wolff, erbaute 1572 das sog. Wächterhäuschen im Mainzer Dom. Er war der Vater des nach 1557 geborenen Steinmetzen und geschworenen Werkmeisters der Stadt Mainz, Gerhard Wolff.

Nachweise

  1. DI 2 (1958), Nr. 1511.

Zitierhinweis:
DIO 1, Mainz, SN2, Nr. 12 (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke, Susanne Kern), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio001mz00k1001209.