Inschriftenkatalog: Stadt Mainz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 1: Mainz (2011)

SN1, Nr. 39 Dom, Langhaus ca. 1335–1338

Beschreibung

Tumbenplatte des Erzbischofs Peter von Aspelt († 1320). Ursprünglich befand sich die Platte wahrscheinlich in der Allerheiligenkapelle, der östlichsten Kapelle des südlichen Seitenschiffs, in der Peter von Aspelt einer Nachricht in Georg Helwichs Annales archiepiscoporum zufolge begraben wurde. Bereits im 17. Jahrhundert befand sich die Platte im Langhaus, wo man sie am nordöstlichen Mittelpfeiler aufgehängt hat.1)

Die hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein besteht aus einem Stück und wird von einer reich profilierten Leiste gerahmt. Auf der äußeren Schräge des Rahmenprofils befindet sich eine Umschrift (A), deren einzelne Verse durch Quadrangel getrennt werden. Die Umschrift beginnt rechts oben und läuft wie bei Tumben üblich von außen lesbar um. Auch die Unterseite des Rahmens ist sorgfältig profiliert2). Im vertieften Mittelfeld sind der Erzbischof und drei Könige im Halbrelief dargestellt, die unter einem krabbenbesetzten Kielbogen stehen. Der Erzbischof im Ornat steht überlebensgroß zwischen den Königen, die ihm nur bis zur Brust reichen. Der Kielbogen wird von zwei zierlichen Säulchen mit Kelchblockkapitellen getragen und von einer mächtigen Kreuzblume bekrönt. Die Säulchen tragen zudem die bis zur oberen Rahmenleiste aufstrebenden, ebenfalls mit Krabben besetzten und von Kreuzblumen bekrönten Fialen. Die Zwickel füllt eine auf einer Mauer aufsitzende, in flachem Relief ausgeführte Maßwerkgalerie mit Rautenabschluss. Die Figur des Erzbischofs schwingt mit der linken Hüfte weit nach außen, um den Königen, die sich zu seiner Rechten befinden, Raum zu bieten. Sein waagrechter rechter Oberarm ist nach unten abgewinkelt, um dem König zu seiner Rechten die Krone aufs Haupt zu setzen; der linke Arm wird nahe am Körper entlang geführt und dann in einem spitzen Winkel nach oben hin abgeknickt, um den König links von ihm ebenfalls zu krönen. Der Kopf des Bischofs ist auf ein Kissen gebettet. Links sowie rechts des Kissens, rechts jedoch weiter unten angeordnet, verläuft ein weißes Band mit einer schwarz gefassten Inschrift (B), bei der Quadrangel als Vers- und Worttrenner dienen. Das Pedum, dessen Krümme reich mit Krabben besetzt ist, lehnt in der Armbeuge Peters von Aspelt. Alle drei Könige halten in ihren rechten Händen das königliche Zepter, die beiden Könige seitlich des Bischofs zudem auch in der Linken einen Reichsapfel. Den Königsfiguren sind über geschachtem Grund Wappen auf die Brust gemalt. Alle vier Personen stehen auf drei Löwen. Die farbige Fassung des Grabmals stammt aus dem Jahr 1834 und wurde von einem Mainzer Maler namens Gräf nach den mittelalterlichen Farbresten rekonstruiert.3)

Maße: H. 272; B. 149; Bu. 3,5 und 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der Majuskel.

Thomas G.Tempel [1/4]

  1. A

    ▪ Anno milleno tricentenoq(ue) viceno ▪Petrum petra4) tegit tegat hu(n)c qui tart(ar)a fregit ▪ /▪ De treueris natus presul fuit hic trabeatus ▪Redditibus donis et clenodiis sibi pronis ▪Ecclesiam ditat res auget crimina uitat ▪ /▪ Hic pius et largus in consiliis fuit argus ▪Sceptra dat heinrico regni post hec ludewico ▪ /▪ Fert pius extremoq(ue)5) iohanni regna bohemo ▪Huic quinos menses annos deca tetra repenses ▪Quos uigil hic rexit quem cristus ad ethera uexit ▪Amen ▪

  2. B

    ▪ O(biit) ▪ in ▪ die ▪ // Bonifacii ▪ ep(iscop)i ▪

Übersetzung:

(A) Im Jahr 1320. Der Stein deckt (diesen) Peter, es schütze ihn (Christus), der die Hölle zerbrach. Im Trierischen geboren, erhielt er hier den Bischofsornat. Mit Einkünften, Geschenken und Kleinodien, die ihm gehörten, bereichert er die Kirche, vermehrt das Vermögen, vermeidet Verbrechen. Er war fromm und freigiebig, im Rat war er ein Argus (= scharfsinnig). Das Zepter des Reichs übergibt er Heinrich (VII.), danach Ludwig (dem Bayern). Fromm übergibt er dem weit entfernten Johann von Böhmen das Königreich. Ihm mögest du fünf Monate, 14 Jahre anrechnen, die er wachsam hier regierte. Ihn führte Christus zum Himmel. Amen. (ähnlich JB)

(B) Er starb am Tage des Bischofs Bonifatius (5. Juni 1320).

Versmaß: Zehn Hexameter, leoninisch zweisilbig gereimt.

Wappen:
Böhmen, Luxemburg, Wittelsbach

Kommentar

Peter von Aspelt wurde Mitte des 13. Jahrhunderts in Trier oder doch noch im luxemburgischen Aspelt geboren. Er studierte in Bologna, Padua und Paris Theologie, Philosophie und Medizin und wurde im Jahr 1280 Scholaster in St. Simeon in Trier. 1286 war er sowohl als Kaplan als auch als Leibarzt Rudolfs von Habsburg tätig. 1297 wurde er zum Bischof von Basel, 1306 zum Erzbischof von Mainz geweiht und übte als Erzkanzler Heinrichs VII. einen erheblichen politischen Einfluss aus. Er protegierte zeitlebens die Machtstellung der luxemburgischen Dynastie, so dass er im Jahr 1311 Johann von Luxemburg auf den böhmischen Königsthron verhalf und diesen auch selbst in Prag krönte.6) Nach dem Tod Heinrichs VII. verlief die Königswahl zwiespältig; so wurde der Habsburger Friedrich der Schöne vom Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg zum König gewählt und von diesem in Bonn gekrönt.7) Peter von Aspelt schlug dagegen als König Ludwig den Bayern vor, den er im Jahr 1314 als Gegenkönig einsetzte und in Aachen krönte. Diese Königskrönung konnte der Mainzer Erzbischof nur deswegen in einem fremden Kirchensprengel8) vornehmen, da der Kölner Erzbischof zuvor schon Ludwigs Konkurrenten Friedrich gekrönt hatte und somit für eine zweite Krönung nicht mehr zur Verfügung stand.9) Kirchenrechtlich war die Krönung gleichwohl bedenklich. Am 5. Juni 1320 starb Peter von Aspelt in Mainz.10)

Die auf der Tumbenplatte dargestellten Könige lassen sich anhand der aufgemalten Wappen und der Inschrift (A) eindeutig identifizieren, sofern die modern aufgemalten Wappen alte Reste korrekt wiedergeben. Sicher handelt es sich bei der äußeren linken Person mit verdecktem Wappen um den böhmischen König Johann von Luxemburg, daneben höchstwahrscheinlich um König Heinrich VII., rechts um König Ludwig den Bayern. Peter von Aspelt setzt gleichzeitig Heinrich VII. und Ludwig dem Bayer die Krone aufs Haupt. Dies führte zu der Annahme, dass die auf der Tumbenplatte dargestellte Szene als Krönungsszene gedeutet werden könne und daher das Grabmal auf den „schmerzlichen Verlust des Krönungsrechts“ anspiele11), welches die Mainzer Erzbischöfe an die Kölner Erzbischöfe abtreten mussten und dessen Rückerlangung sie stets angestrebt hätten. Indem man dieses Bildwerk als „in Stein gehauene Ansprüche“12) des Mainzer Erzbischofs auf das Krönungsrecht deutete, spitzte man diese Annahme weiter zu. Dieser Rechtsanspruch leite sich in Mainz aus dem Bonifatiusprimat ab, so dass es ausschließlich dem Mainzer Bischof als Nachfolger des Bonifatius zustünde, die Reichskirche zu führen und den König zu weihen.13) Man unternahm weiterhin den Versuch, das Aspelt-Grabmal als Herausforderung bzw. als Reaktion auf die Chorschrankenmalerei des Kölner Doms zu deuten, in deren Sockel das Kölner Krönungsrecht durch die Figurenreihe der Kölner Erzbischöfe auf der einen Seite (Papstseite) und der von ihnen gekrönten römischen Könige auf der anderen Seite (Kaiserseite) abgebildet ist.14)

Auffällig ist der Größenunterschied des Bischofs im Vergleich zu den wesentlich kleineren Königen. Diese Bedeutungsperspektive birgt mehrere Deutungsmöglichkeiten. So dachte man, sie veranschauliche die große politische Macht, die der Mainzer Erzbischof als Kurfürst und Metropolit ausübte, und demonstriere zugleich die Machtlosigkeit des Königtums in jener Zeit. Außerdem vermutete man in diesem Zusammenhang, der Bildtypus der Mainzer „Krönungsgrabsteine“15) habe sich aus der christlichen Ikonographie entwickelt, weil üblicherweise bei Deesis-Darstellungen oder bei Stifterbildern der in der Mitte thronende Christus oder Maria wesentlich größer als die sie begleitenden Personen dargestellt sind. Zu denken ist hierbei auch an die um 972 entstandene Elfenbeintafel mit der Krönung Ottos II. und seiner Gemahlin Theophanu, die beide ihre Krone von Christus erhalten.16) Bei den Krönungsgrabmälern sei Christus durch die Darstellung des Bischofs ersetzt worden.17) In der vorliegenden Bildkomposition tritt der Erzbischof also an die Stelle Christi und scheint an dessen Stelle die Krönung durchzuführen; die Größenunterschiede reflektieren demnach die hierarchische Abstufung, in der die maßstäbliche Bedeutungsperspektive zu wahren war. Man sollte aber zudem beachten, dass die Hauptperson des Bildes der Erzbischof war, dem das Denkmal galt18), und dass nach der unbefriedigenden Lösung des Grabmals Siegfrieds von Eppstein (Nr. 23) ein von pragmatischen Erwägungen gesteuertes Arrangement gesucht wurde; erschwerend trat hier die dritte Königsfigur hinzu.

Die politische Implikation als Krönungsbild hat man jüngst vehement mit Argumenten des Kirchen- und Staatsrechts bestritten und darauf hingewiesen, dass seit dem Privileg Papst Leos IX. das Kölner Krönungsrecht in Aachen unangreifbar war und sich schon weit im Vorfeld des Grabmals eine Bedeutungsverlagerung von Krönung zu Wahl abgezeichnet hatte.19) Das ist ablesbar an Änderungen der Ordines20), an der Abbildung der Taube des Heiligen Geistes auf dem Grabmal des Gerhard von Eppstein21) und an den Beschlüssen von Rhens22). Demnach definiert das Aspeltsche Grabmal die Bedeutung des Mainzer Erzbischofs im zeremoniellen und im Wirken des Heiligen Geistes sich vollziehenden Wahlvorgang, in dem sein Erststimmrecht die Wahl idealerweise einhellig auf einen Kandidaten ausrichtete. Das wird besonders deutlich beim Kopffragment des zerstörten Grabmals Gerhards von Eppstein († 1305).23) Auf der Mitra befindet sich das Relief einer Taube, das Symbol des Heiligen Geistes. Da auch Gerhard in der Pose des Koronators dargestellt war, deutet die Taube in seiner Mitra eindeutig auf seine Funktion als Leiter der Königswahl hin, da diese mit der Anrufung des Heiligen Geistes eingeleitet wurde.24) Die Mainzer „Position“, sofern man dem Grabmal eine politische Botschaft unterstellt, kehrte die altehrwürdige Rolle bei der Königswahl hervor, die in jener Zeit gegenüber der Kölner „Position“, die Krönung sei der entscheidende Akt der Legitimität, maßgeblich an Bedeutung gewann.25)

Diese Sicht unterstützt auch die Inschrift, die nicht die Krönung thematisiert, sondern mit der Übergabe des Zepters auf die Übergabe der Herrschaft zielt. Wäre die Krönung das Thema des Denkmals gewesen, hätte der Dichter auch eine Lösung dafür gefunden – der Planer des Aspelt-Denkmals sah die Mainzer Erzbischöfe als „Königsmacher“.26) Da es kein Vorbild für die Darstellung einer Wahl gibt, drückte man, für die Moderne nicht ganz unmissverständlich, die Rolle des „Königmachers“ durch die Krönung27) mit der Zielsetzung aus, die grundsätzliche Bedeutung des Mainzer Erzbischofs bei den Königswahlen zu veranschaulichen.28)

Dieser Gedanke gewinnt an Bedeutung angesichts der Datierung des Denkmals weit nach dem Tod des Erzbischofs. Das Bildwerk muss nach 1328 entstanden sein, da Ludwig der Bayer bereits mit der kaiserlichen Bügelkrone dargestellt ist, die ihm erst nach seiner Kaiserkrönung in Rom im Jahr 1328 (17. Januar) zukommt.29) Als Auftraggeber kämen demnach der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg in Frage, der von 1331 bis 1337 Administrator des Mainzer Erzbistums war, oder der Mainzer Erzbischof Heinrich III. von Virneburg. Als späteste Datierung und möglicher Auftraggeber wurde auch der Frankfurter Stiftspropst Kuno von Falkenstein diskutiert, der seit 1347 Verweser des Mainzer Erzbistums war.30) Anlass zu dieser Vermutung gaben die Ähnlichkeiten zu Figuren des Chorgestühls in der Frankfurter Bartholomäuskirche, das von Kuno um 1350 in Auftrag gegeben wurde, nämlich der lineare Faltenwurf der Gewänder, die schwungvolle Lockenbildung der Haare sowie die Körperschwingungen, die im Frankfurter Chorgestühl in manieristischer Weise übertrieben wirken.31) Diese späte Datierung um 1350 ist jedoch nicht zwingend, da eine Darstellung Ludwigs des Bayern in dieser Zeit unwahrscheinlich ist: Da er seinen Regierungsanspruch kurz vor seinem Tod nicht mehr verteidigen konnte und Karl IV. im Jahr 1346 als Gegenkönig eingesetzt wurde, hätte eine Darstellung Ludwigs zu dieser Zeit wenig ruhmreich auf Peter von Aspelt und somit auf seine aktuellen Nachfolger ausgestrahlt.

Auch stilistisch ist die Herstellung des Grabmals früher möglich. Alle Figuren wirken starr, der Faltenwurf unnatürlich geradlinig und steif, die Gesichter weisen Verbeulungen auf, weswegen Kniffler französisch-flämische Metallarbeiten als Vorbild annimmt. In sehr verwandter Art sind auch die um 1340 entstandenen Kurfürstenreliefs, die sich an den Zinnen des ehemaligen Mainzer Kaufhauses am Brand befanden, modelliert.32)

Für eine Datierung in die 1330er Jahre bis 1338/1340 bieten sich zwei Szenarien an. War es Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier und Administrator von Mainz, der zusammen mit seinem „Landsmann“ Peter von Aspelt seinen Bruder Heinrich VII. zum römischen König gemacht hatte, seinen Neffen Johann zum König von Böhmen und an der Wahl Ludwigs des Bayern und dessen erfolgreicher Durchsetzung als König maßgeblich beteiligt gewesen war? – In seinen Ambitionen auf den Mainzer Erzstuhl könnte der Beweggrund liegen, die Mainzer Position zu beschreiben.33) Kunsthistorische Überlegungen scheinen diese These zu stützen. So wurde höchstwahrscheinlich das Grabmal des Matthias von Bucheck († 1328) in der Mitte der 1330er Jahre von Erzbischof Balduin von Luxemburg in Auftrag gegeben, weil diese Datierung von der dendrochronologischen Untersuchung eines mit diesem Grabmal eng verwandten Werkes, den Chorstuhlwangen, die Balduin für die Trierer Kartause gestiftet hat, nahegelegt wird. Es wurde angenommen, dass Balduin gemäß der Chronologie der Mainzer Erzbischöfe zunächst das Grabmal Peters von Aspelt in Auftrag gab und dann das seines Nachfolgers Matthias von Bucheck34); diese Annahme ist aber nicht zwingend. Aber auch Erzbischof Heinrich von Virneburg35) hätte Veranlassung gehabt, die Mainzer Position in ein Bild umzusetzen, da in seiner Amtszeit eine wichtige Diskussion um Wahl und Krönung beendet wurde.

Im Kurverein von Rhens schlossen im Jahr 1338 sechs Kurfürsten (alle, auch der Kölner Erzbischof, außer Johann von Böhmen) ein Bündnis, in welchem sie den von ihnen gewählten römischen König als künftigen Kaiser propagierten und somit ein Approbationsrecht des Papstes bestritten. Hier wurde die durch das Wirken des Heiligen Geistes sanktionierte Wahlhandlung als bindend für eine Krönung angesehen, deren legitimierende Rolle dadurch hinter die der Wahl trat.36) Damit wurde stillschweigend auch einem Approbationsanspruch vor der Aachener Krönung durch den Kölner Erzbischof eine Absage erteilt und die Wahl durch die Kurfürsten als einzige legitimierende Handlung fixiert. Da dem Mainzer Erzbischof mit der Ausschreibung und Einleitung der Wahl, die durch das Wirken des zu Beginn angerufenen Heiligen Geistes einmütig zu erfolgen hatte, eine entscheidende Rolle zufiel, musste ihm daran gelegen sein, die im Rhenser Abkommen propagierte Gewichtung und seine Rolle in dem Verfahren zu festigen. Dann muss man Balduin von Trier, der maßgeblich an der Übereinkunft beteiligt war und für ihre Fixierung sorgte, auch die bildliche Umsetzung der Mainzer Position im Aspelt-Denkmal zutrauen, vor allem solange er sich noch Hoffnungen auf den Mainzer Stuhl machen konnte. Ob man diese Programmatik von dem frisch geweihten Heinrich III. von Virneburg erwarten darf, sei dahingestellt, immerhin stimmte er in Rhens zu. Über die Fertigstellung des Aspelt-Grabmals ist damit nicht entschieden.

Lange sah man in der Inschrift des Aspelt-Grabmals die erstmalige Verwendung der gotischen Minuskel im deutschen Sprachraum.37) Diese Annahme muss nicht nur aufgrund der Spätdatierung des Grabmals revidiert werden.38) Auch im Zuge der dichter werdenden Editionen und paläographischen Studien mehren sich die Belege für die Verwendung der gotischen Minuskel in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; in einigen Teilen des Reiches wird sie sogar ab der Mitte des Jahrhunderts zur dominierenden Schrift.39) Die sehr regelmäßig geformten Minuskeln bieten schon die klare Differenzierung einer Vierlinienschrift. An Indizien für das Wiedererkennen ihres Herstellers sind neben zeitgenössischen eleganten Majuskeln folgende Einzelmerkmale hervorzuheben: Das obere Bogenende des a ist fast immer weit bis zum Schaft zurückgebogen, und das in einer Art Balken ohne auslaufendes Ende; Balken von f und t stehen wie das balkenförmige Bogenende des c rechts weit und links merklich über; Punkte über i sind zumeist als dünne Schrägstriche markiert; bei f und langem s setzt am oberen Schaft links ein kleiner Sporn an; das v besteht aus zwei Schrägschäften. Auffällig sind verbreitete, aber unregelmäßige, weil platzabhängige Ansätze zu einer doppelten Brechung, die wie der überwiegende Teil der Buchstaben eng an handschriftliche Vorlagen angelehnt sind, ohne dass man diese bisher konkret benennen könnte. Trotz einiger Abweichungen von der Grundlinie (fuit, 6. Zeile) stimmen alle Formen exakt mit jenen der enger gestellten und regelmäßigeren Schrift des Bucheck-Denkmals (Nr. 38) überein; die Inschriften wurden von einer Hand ausgeführt. Aus der Schrift lassen sich jedoch keine Indizien für die Reihenfolge der beiden Denkmäler gewinnen.

Anmerkungen

  1. DI 2, Mainz (1958) Nr. 33.
  2. Eine Zeichnung des Profils siehe bei Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 234, Abb. 87 b.
  3. Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 238.
  4. Wortspiel in Anlehnung an Mt 16,18.
  5. Zäsur im Wortinnern gezwungen. Die neue Übersetzung vertritt gegen die älteren: „...und endlich übergibt er...“ (nach Arens) und „...übergibt er als letztem ...“ (nach Blänsdorf), weil Johann von Böhmen 1311, also vor Ludwig gekrönt wurde, eine räumliche Bedeutung.
  6. Die Krönung Johanns von Böhmen im Jahr 1311 durfte Peter von Aspelt aus eigenem Recht durchführen, da Prag in der Mainzer Kirchenprovinz lag.
  7. Heinig, Spätmittelalter (2000) 438ff.
  8. Aachen gehörte zur Kölner Kirchenprovinz. Dort wurde nach Ottos III. Tod 1002 nach römischem Vorbild das Kardinalsprivileg eingeführt, was zur Folge hatte, dass in der Aachener Marienkirche nur noch die Aachener Kardinäle und der Lütticher Bischof die Messe lesen durften, zu dessen Diözese Aachen gehörte. Das Privileg Leos IX. von 1052 schrieb fest, dass die Aachener Krönung nur der Kölner Erzbischof vornehmen durfte, weil Aachen in seiner Kirchenprovinz lag; einer Krönung durch den Mainzer Erzbischof schob daher schon das Kirchenrecht einen Riegel vor; vgl. hierzu Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 100.
  9. Vgl. Hehl, Goldenes Mainz (1999) 856 und Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101.
  10. Siehe auch Heinig, Spätmittelalter (2000) 452.
  11. Kniffler, Grabdenkmäler (1978) 26f.
  12. Kessel, Memorialfunktionen (1994) 36.
  13. Wilhelmy, Krönungsrelief (2004) 26f.
  14. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 13.
  15. Gemeint sind die Tumbendeckel Siegfrieds von Eppstein († 1249), Gerhards von Eppstein († 1305) und der hier besprochene Tumbendeckel Peters von Aspelt.
  16. Elfenbeintafel, 18 x 10,3 cm, Byzanz, um 972, Paris, Musée National du Moyen Age (Musée de Cluny).
  17. Kniffler, Grabdenkmäler (1978) 126f.; dies. auch zum Vorangehenden.
  18. Die Handlung des Erzbischofs als Hinweis- oder Segensgestus deutend, stellen Heinz/Rothbrust/Schmid, Grabdenkmäler (2004) 154 die politischen Implikationen des Denkmals überhaupt in Frage und halten es für bedenklich, dass ein Grabmal, das vor allem der Seelenfürsorge zu dienen habe, für eine kurzlebige politische Propaganda geschaffen worden sein soll.
  19. Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101f. und Scholz, Totengedenken (1999) 46f.
  20. Kessel verweist auf ein Pontifikale, das von Balduins Weihbischof Daniel von Wichterich vor 1342 in Auftrag gegeben wurde und in dem die Rolle der Mainzer und Trierer Erzbischöfe bei der Königswahl hervorgehoben wird. Vgl. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 21, Anm. 51.
  21. Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101f.
  22. Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101f.
  23. Mainz, Dom- und Diözesanmuseum, Inventar-Nr. PS 00173.
  24. Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 100f.
  25. „Der Mainzer Erzbischof hat drei Könige gemacht, ob er sie tatsächlich gekrönt hat, ist unerheblich,“ Hehl, Goldenes Mainz (1999) 856 und Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101.
  26. Hehl, Goldenes Mainz (1999) 856 und Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101.
  27. Diese Überlegung gilt auch für die Krönungsdenkmäler der beiden Eppsteiner: Siegfried (Nr. 23) hat überhaupt nicht gekrönt, und das wussten die Zeitgenossen; Gerhard trug auf der Mitra die Taube des Heiligen Geistes, die seine Rolle als Leiter des Wahlvorgangs unterstrich.
  28. Scholz, Totengedenken (1999) 46.
  29. Vgl. Suckale, Hofkunst (1993) 9, Anm. 2; die Aussagekraft der Kronenform wird allerdings bestritten, etwa von Schmid, Romfahrt (2000) 85, Anm. 109.
  30. Vgl. Suckale, Hofkunst (1993) 171, Anm. 2.
  31. Die späte Datierung begründet Suckale damit, dass die wenig schmeichelhafte Darstellung Ludwigs des Bayern erst nach seinem Tod möglich gewesen war; vgl. Suckale, Hofkunst (1993) 171, Anm. 2.
  32. Vgl. hierzu Kessel, Memorialfunktionen (1994) 17f. und Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 18f. Suckale weist ebenfalls auf die stilistischen Ähnlichkeiten hin, datiert die Vergleichsobjekte jedoch wesentlich später, nämlich nach 1345. Suckale, Hofkunst (1993) 198, Anm. 60.
  33. Vgl. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 21; Heinz/Rothbrust/Schmid, Grabdenkmäler (2004) 154.
  34. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 18f.
  35. Kessel, Memorialfunktionen (1994) 39. Später revidierte Kessel ihre Meinung und schlug als Auftraggeber Balduin von Luxemburg vor, vgl. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) 18f.
  36. Vgl. hierzu Schubert, Königsabsetzung (2005) 336. Schubert deutet die Bügelkrone Ludwigs des Bayern als bildlichen Ausdruck der in Rhens 1338 getroffenen Aussage: „Der römische König ist dem Wesen nach (in esse) bereits wahrer Kaiser.“
  37. DI 2, Mainz (1958) Nr. 33.
  38. Kessel, Memorialfunktionen (1994) 18.
  39. U.a. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache (1986) 64–66 und Einleitung der DI-Bände DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis (1997) LXXff. und DI 77, Greifswald (2009) 42–44.

Nachweise

  1. Helwich, Annales IV (1608–1625) fol. 2070r (A).
  2. Fragmenta Gamans II (ca. 1660) fol. 13/32r (A).
  3. Joannis, Rerum Moguntiacarum I (1722) 643 (A).
  4. Bourdon, Epitaphia (1727) 33 (A).
  5. Gudenus, Codex diplomaticus II (1747) 820f. (A, B).
  6. Wetter, Geschichte und Beschreibung (1835) 108 (A).
  7. Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 238 (A, B).
  8. Sartorius, Inschriften (ca. 1928) 2 (Übers.).
  9. DI 2, Mainz (1958) Nr. 33 mit Nachzeichnung (A, B).
  10. Kniffler, Grabdenkmäler (1978) 11f. (A, B) mit Abb. 4.
  11. Kessel, Memorialfunktionen (1994) 34 (unvollst.) mit Abb. 3.
  12. Kessel, Sepulkralpolitik (1997) (erw.).
  13. Arens/Binding, Dom zu Mainz (1998) 86 (A, B) mit Abb. 29.
  14. Scholz, Totengedenken (1999) 46 (A, B).
  15. Hehl, Goldenes Mainz (1999) 856 (erw.).
  16. Hehl, Erzbischöfe von Mainz (2000) 101 (erw.).
  17. Schmid, Romfahrt (2000) 84f. mit Anm. 108 (unvollst.).
  18. Heinz/Rothbrust/Schmid, Grabdenkmäler (2004) 154f. (erw.) Anm. 8 (unvollst.).
  19. Puth, Visualizing (2007) 100 und Anm. 43 (unvollst.).
  20. Blänsdorf, Siste viator (2008) 46f., Nr. 33 (A, B).
  21. Blänsdorf, Siste viator (2. Aufl. 2009) 46f., Nr. 33 (A, B).
  22. Blänsdorf, Mainzer lateinische Inschriften (2009) 44f. (A, B).

Zitierhinweis:
DIO 1, Mainz, SN1, Nr. 39 (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke, Susanne Kern), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di002mz00k0003900.