Inschriftenkatalog: Mainz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 1: Mainz (2011)

SN1, Nr. 36 Dom, Sakristeihof 1322

Beschreibung

Grabplatte eines Unbekannten. Die Platte stammt aus St. Mauritius und gelangte Anfang des 19. Jahrhunderts zusammen mit einigen anderen Grabplatten in den Mainzer Dom.1) Im Jahr 1806 sah Johann Lindenschmit, Medailleur und Münzgraveur, den Stein in der Memorie, wo er eine Zeichnung von ihm anfertigte.2) Von dort gelangte die Platte in den Südflügel des Kreuzgangs3) und 1969 schließlich in den Sakristeihof4), wo sie sich noch heute befindet. Die rote, stark verwitterte Sandsteinplatte wird von einer zwischen Linien verlaufenden Umschrift (A) gerahmt, deren Anfang durch ein Kreuz oben in der Mitte markiert wird. Nahezu die gesamte obere Hälfte der Grabplatte füllt ein flachreliefierter Wappenschild aus. Darüber befindet sich eine dreizeilige Inschrift (B), die jedoch ebenso wie die Umschrift aufgrund der starken Verwitterung und der Ausbrüche des Steines kaum lesbar ist; am unteren Rand ist die Inschrift ganz verschwunden. Vereinzelt lassen sich halbkugelig vertiefte Punkte als Worttrenner erkennen.

Maße: H. 205; B. 117; Bu. 9 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Thomas G. Tempel [1/1]

  1. A

    + ▪ RECTOR / ▪ SANCTORVM ▪ PATERa) ▪ ALME ▪ MO[N.. / – – – / ...D]OD[– – –] SEMPVR[G]ASb) ▪ [...]IO/NES

  2. B

    + ANNO ▪ D(OMI)NI ▪ MCCC / XXII XIIIIc) ▪ K(A)L(ENDAS) ▪ AP(RILIS) / ▪ O(BIIT) ▪ C[A.RO.A(.)D(.) ▪ U(...)]d)

Übersetzung:

(A) Anführer der Heiligen, segenspendender Vater, .... (B) Im Jahr des Herrn 1322, am 14. Tag vor den Kalenden des April (19. März) starb ...

Versmaß: Hexameter(?)

Wappen:
Löwenhäupter, Linie zum Rosenbaum?5)

Kommentar

Dem Wappen nach gehörte der Verstorbene dem Mainzer Patriziergeschlecht der Löwenhäupter an. Die einzelnen Linien lassen sich durch unterschiedliche Wappen6) differenzieren. Da das Wappen auf der Grabplatte einen Mittelbalken aufweist, dürfte der Verstorbene der Familie zum Rosenbaum angehört haben.7) Leider lässt der mangelhafte Buchstabenbefund keine abschließende Identifizierung des Verstorbenen zu. Die Buchstabenfolge CAPROTA(N)D(VS) und ähnliche konnten nicht verifiziert werden; möglich wäre sogar ein Frauenname und nachfolgendes U[IRG...], wenngleich das wegen einer möglichen maskulinen Endung davor nicht wahrscheinlich ist.

Zwar versuchte Klingelschmitt die Platte dem Richter und Schultheiß Crafto zum Rosenbaum zuzuweisen8), jedoch übersah er, dass für Crafto eine andere Grabplatte9) im Kloster Dalen/Dalheim existierte, nach deren Inschrift er schon am 26. April 1320 verstarb. Arens löste den Namen des auf der Grabplatte Verewigten als Canonicus Konradus auf, was mit dem Buchstabenbefund und Formularen der Zeit jedoch nicht in Einklang zu bringen ist. Ebenso unsicher ist es, ob es sich bei dem Verstorbenen um einen Kanoniker des Mauritiusstifts gehandelt hat oder um einen Laien, dem aufgrund einer Stiftung die Bestattung in der Stiftskirche bzw. ihrem Kreuzgang gestattet worden war. Ungewöhnlich ist die Anordnung des Anno-Domini-Formulars als dreizeilige Inschrift über dem Wappen, ebenso der gebetsartige Text der Umschrift.10) Dieser Text gehört zur Grabinschrift; damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Verstorbene Geistlicher war; bisher konnte allerdings kein Kleriker in den Familien der Löwenhäupter zu Beginn des 14. Jahrhunderts nachgewiesen werden.

Textkritischer Apparat

  1. PACEM Kautzsch.
  2. Sic! Keine Worttrennung vorhanden.
  3. XII Kautzsch.
  4. Fehlt Kautzsch; canonicus Konradus Arens aus CAO KO(N)RAD9.

Anmerkungen

  1. DI 2, Mainz (1958) [57].
  2. Lindenschmit kopierte die Inschrift des Steines jedoch nur unvollständig und verzichtete auf die Umschrift. Stadtarchiv Mainz, Sign. 1455A.
  3. Vgl. Kautzsch/Neeb.
  4. Arens, Neue Forschungen (1975) 138.
  5. Zwei der Löwenhäupter sind oberhalb, das dritte ist unterhalb eines Mittelbalkens angeordnet.
  6. (1) Wappen mit drei Löwenhäuptern ohne Beizeichen, (2) Wappen mit drei Löwenhäuptern und Mittelbalken, (3) Wappen mit drei Löwenhäuptern und mittlerem Sparren; vgl. hierzu Flug, Löwenhäupter (2004) 32f.
  7. Die meisten Wappen dieser Familie trugen in der Mitte des Balkens einen Stern. Möglicherweise wies auch das Wappen auf der Grabplatte ursprünglich einen solchen auf, der heute aufgrund der fortgeschrittenen Verwitterung nicht mehr erkennbar ist. Vgl. hierzu Flug, Löwenhäupter (2004) 53, Anm. 258.
  8. Klingelschmitt, Führer (1925) 22f.
  9. DI 2, Mainz (1958) Nr. 700.
  10. Laut Arens könnte es sich hierbei um ein Bruchstück eines Hymnus oder einer Antiphon zu Ehren des Kirchenpatrons Mauritius handeln; mit dem RECTOR SANCTORVM PATER ALME sind aber Gott bzw. Christus angesprochen.

Nachweise

  1. Lindenschmit (1806), Stadtarchiv Mainz, Sign. 1455A (Zeichnung) (A).
  2. Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 455 (A, B).
  3. Klingelschmitt, Führer (1925) 22 (erw.).
  4. DI 2, Mainz (1958) Nr. 35 (A, B).

Zitierhinweis:
DIO 1, Mainz, SN1, Nr. 36 (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke, Susanne Kern), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di002mz00k0003604.