Inschriftenkatalog: Mainz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 1: Mainz (2011)

SN1, Nr. 14† Dom, Gotthard-Kapelle 1138

Beschreibung

Weiheinschrift des Hauptaltars in der Gotthard-Kapelle. Neben dem Hauptaltar, der sich im Untergeschoss der doppelgeschossigen Kapelle befand, war auf der Epistelseite (rechts, im Süden) eine von einer Glasplatte bedeckte Schrift angebracht.1) Diese Schrift hatte sich bis ins 18. Jahrhundert erhalten, so dass sie von Bourdon, Gudenus und anderen noch gesehen wurde. Die Beschreibungen sind bei allen insofern vage, als das Material des Trägers nicht genannt wird. Arens schloss aus dem schützenden Glas auf eine ähnliche Situation wie bei dem Hauptaltar der Liebfrauenkirche von Oberwesel, hinter dem eine Weihenotiz (1331) auf Pergament unter Glas in die Wand eingelassen ist. Nur Schannat reihte den Text unter Steininschriften ein, tat das aber so summarisch, dass ihm schon Arens keine scharfe Beobachtung zutraute. Es spricht also einiges dafür, dass ein Pergamentstück unter Glas bis ins 18. Jahrhundert beim Altar sichtbar war. Das kann aber nicht der originale Zustand nach der Weihehandlung von 1138 gewesen sein, sondern dürfte aus einer Untersuchung des Altars resultieren, bei der man das Pergament entnahm und nahebei geschützt anbrachte. Es könnte sich sogar um die Abschrift eines ursprünglich in Stein gehauenen Textes gehandelt haben, da er, abgesehen von einigen Schreibeigenheiten der Überlieferer, keine Hinweise auf eine späte Entstehung zeigt. Inschriften in Stein waren im 11. und 12. Jahrhundert die üblichen Mittel, Weihehandlungen und gegebenenfalls die niedergelegten Reliquien zu dokumentieren.

Nach Bourdon, Epitaphia (1727).

  1. Anno dominicae incarnationis MCXXXVIII indict(ione) XV. II. kal(endas) iulii consecratum est hoc altare a venerabili Buggone Wormatiensi episcopo in honorem Domini nostri Iesu Christi et eius gloriosae genitricis perpetuae virginis Mariae et sancti Pauli apostoli Laurentii martyrisa) etb) beatorum apostolorum confessorum etb) Martinic) et Gothardi omniumque sanctorum

Übersetzung:

Im Jahre 1138 seit der Fleischwerdung des Herrn, im Jahr mit der Indiktion 15, am 2. Tag vor den Kalenden des Juli (= 30. Juni) wurde dieser Altar von dem ehrwürdigen Wormser Bischof Buggo zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus und seiner glorreichen, allzeit jungfräulichen Mutter Maria, des heiligen Apostels Paulus, des Märtyrers Laurentius, der heiligen Apostel und Bekenner, des hl. Martin und des hl. Godehard und aller Heiligen geweiht.

Kommentar

Der Altar wurde vom Wormser Bischof Buggo (Burchard II.) von Ahorn (1120?–1149) geweiht, weil Adalbert II. nach seiner Weihe am 29. Mai 1138 in Bamberg anscheinend längere Zeit von Mainz abwesend war. Zudem mag ihm nach seiner Erhebung Buggo von Worms als einstiger Vertrauter seines Onkels, des Kapellengründers Adalbert I. (Nr. 13), als für die Weihehandlung besonders geeigneter Bischof erschienen sein. Möglicherweise stand man auch unter Zeitdruck, da Adalbert I. bereits in seiner noch ungeweihten Kapelle bestattet worden war.2) Hauptpatron wurde der im Jahr 1131 kanonisierte Hildesheimer Bischof Godehard (1022–1038), dessen Reliquien Adalbert I. spätestens 1133 erhalten hatte3); diese werden allerdings erst in den späteren Reliquienverzeichnissen erwähnt.4) Die Dedikation auch an Laurentius rührt anscheinend von dem Engagement und einer Reliquienschenkung Buggos her, in dessen Wormser Dom der Westchor Laurentius geweiht war. Der Text beschränkt sich auf die Dedikation und gibt anders als sonst üblich keinen eigenen Reliquienkatalog an.

Für die Baugeschichte des Mainzer Domes stellt die Inschrift eines der wenigen festen Daten überhaupt dar, denn die Weihe der Gotthard-Kapelle markiert zugleich das Ende der Bauphase am Langhaus.5) Die Gotthard-Kapelle, die wahrscheinlich ursprünglich zur bischöflichen Pfalz überleitete, entstand als bischöfliche Hauskapelle nach dem Vorbild der doppelgeschossigen Speyrer St. Emmeran- und St. Katharinenkapelle und lehnte sich an die alte Nordwand des nördlichen Querarmes an.6)

Textkritischer Apparat

  1. So schon Arens gegen Bourdon, da dessen Lesung martyrum wohl falsch aufgelöst ist aus mart.; so gekürzt auch bei Würdtwein.
  2. et ...et fehlt Gudenus und Würdtwein.
  3. So Gudenus und Würdtwein, denen Arens folgt, gegen martyrum bei Bourdon, dem Schannat folgt.

Anmerkungen

  1. Altare sine inscriptione. Sed in muro vicino a cornu epistolae sub vitro conservatorio scriptum translucet. Bourdon.
  2. Seinem Onkel Adalbert I. verdankte Adalbert II. schon früh Bepfründungen mit Propsteien in Mainz und Erfurt. Auch hatte ihm der Onkel den Weg zur Nachfolge geebnet, die in der reichspolitischen Konstellation des Jahres 1138 verwirklicht werden konnte, war doch seine Schwester mit Friedrich von Staufen, dem Bruder des neuen Königs Konrad III., verheiratet.
  3. Gierlich, Grabstätten (1990) 176, Anm. 130.
  4. Vgl. hierzu Jürgensmeier, Reliquien (1986) 41.
  5. Es muss an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Gewölbe des Langhauses 1138 noch nicht ausgeführt waren; vgl. hierzu von Winterfeld, Langhaus (1986) 21ff.
  6. Das Querhaus sprang ursprünglich wesentlich weiter aus der Flucht des Langhauses hervor und wurde erst um 1200, als man die Querarme einwölbte, zu einem nahezu quadratischen Grundriss verkürzt; vgl. von Winterfeld, Gotthard-Kapelle (1997/2003) 17–31.

Nachweise

  1. Bourdon, Epitaphia (1727) 57.
  2. Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis (1734) 353.
  3. Gudenus, Codex diplomaticus II (1747) 732.
  4. Würdtwein, Diplomataria Maguntina II (1789) 542 (unvollst.).
  5. Bär, Diplomatische Geschichte I (1855) 121.
  6. Kraus, Christliche Inschriften II (1894) Nr. 242.
  7. DI 2, Mainz (1958) Nr. 13.

Zitierhinweis:
DIO 1, Mainz, SN1, Nr. 14† (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke, Susanne Kern), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di002mz00k0001404.