Inschriftenkatalog: Mainz

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 1: Mainz (2011)

SN1, Nr. 7 Dom, Memorie 10.–1. H. 11. Jh.

Beschreibung

Grabplatte des Udelo als Zweitverwendung für einen Thron an der Westwand der Memorie. Sitzplatte, Rückenlehne und Seitenwangen sind vollständig aus Kalkstein gearbeitet. Der Thron steht auf einem steinernen Podest, das sich beidseitig als Bank entlang der Westwand fortsetzt. Deshalb geht man mehrheitlich davon aus, dass der Raum der Memorie ursprünglich als Kapitelsaal des Domkapitels genutzt wurde.1)

Das Kantenprofil der schrägen Wangenteile endet beidseitig nach oben hin in Medaillons, die an den Außenseiten reliefierte Ornamente, bestehend aus miteinander verschlungenen geometrischen Formen, aufweisen. Die Medaillons auf den Innenseiten zeigen rechts als Relief einen Teufel (?), links als Ritzzeichnung einen Löwen. Nach unten endet das Profil der Wangen in Löwenklauen. Die vertikal verlaufenden unteren Kanten sind gekehlt profiliert und enden oben und unten in eingerolltem Blattwerk. An der Südseite befindet sich eine heute auf dem Kopf stehende kurze Inschrift; ob sie vollständig erhalten oder sogar beidseitig beschnitten ist, steht nicht fest. Die Steinflächen sind so abgeschliffen, dass sich nur der unterste Bereich der Kerbe der Buchstaben erhalten hat. Auch die nördliche Wange zeigt an der Außenseite Reste einer Inschrift, die jedoch aufgrund des massiven Abschliffs nicht mehr lesbar ist.

Maße: H. 141; B. 60; Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Thomas G. Tempel [1/3]

  1. VDELOa)

Kommentar

Die auf der Südseite des Thrones erhaltene Inschrift VDELO interpretiert Arens als Name einer auf einer Grabplatte verewigten Person. Er datiert die Inschrift vorsichtig ins 11. Jahrhundert, ohne sich jedoch näher festzulegen.2) Körber lässt eine Datierung der Inschrift offen, stellt sie jedoch unter die römischen Inschriften seines Kataloges. Auch eine Deutung der Inschrift hält er aufgrund des geringen Buchstabenbestands für ausgeschlossen.3) Mehrheitlich wird angenommen, dass es sich um einen römischen Inschriftenstein handelt.4) Das stimmt wohl nicht, da die Anbringung eines isolierten Namens, ggf. sogar mit Tagesangabe, auf großen Platten ein hochmittelalterliches Phänomen ist. Außerdem weisen die uneinheitliche Proportion der Buchstaben (breites E und V, schmales L und O) ebenfalls in diese Zeit. Angesichts der exakten Strichführung wären bei einer römischen Inschrift Bögen aus dem Kreis konstruiert und besäßen die Balken des E eine wahrnehmbare Differenzierung ihrer Längen. Die Bogenverstärkung mit linksschräger Schattenachse ist dann ein Relikt klassizierender Bestrebungen der hochkarolingischen Zeit, das bis ins 11. Jahrhundert gepflegt wurde, seltener bis ins 12. Jahrhundert.

Da man nicht weiß, woher der Stein für die Zweitverwendung stammt, kann man seifne Datierung nicht an die Baugeschichte des Domes binden. Seine Schrift steht zwischen spätkarolingischer Kapitalis und der mit Fremdformen stärker durchsetzten Kapitalis der typologisch ähnlichen Steine für Ruthard und Godebold (Nr. 9, 10). Der Stein wäre demnach zwischen dem 10. und der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts zu datieren. Diesem Ansatz entspricht auch der Name Udelo〈 *Ud-alo bzw.〈 *Udal-o, ggf. ergänzbar zu den Namen Udelolf oder Udelold/t.5)

Textkritischer Apparat

  1. Vorne stand wegen der unbeschädigten Fläche kaum ein weiterer Buchstabe; rechts können Teile des Namens fehlen, ggf. sogar ein Tag; siehe folgende Nummern. Zwei halbkreisförmige Bogenverstärkungen knapp unter dem oberen Buchstabenrand des V könnten als ein- bzw. übergeschriebenes O verstanden werden; es wäre allerdings verhältnismäßig groß.

Anmerkungen

  1. Zur ursprünglichen Bestimmung der Memorie vgl. Arens, Neue Forschungen (1975) 132; von Winterfeld, Kaiserdome (1993) 161f.; Schwoch, Locus Memoriae (2008) 79ff.
  2. Arens, Neue Forschungen (1975) 132.
  3. Körber, Neue Inschriften (1905) 412 Nr. 49.
  4. Körber, Neue Inschriften (1905) 412 Nr. 49; Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 385; Lenhart, Memorie (1962) 115; Jung, Mainzer Dom (1975) 127; Schwoch, Locus Memoriae (2008) 97.
  5. Freundlicher Hinweis zur Ableitung von Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken, vom 30. 11. 2009.

Nachweise

  1. Körber, Neue Inschriften (1905) 412 Nr. 49 mit Nachzeichnung.
  2. Kautzsch/Neeb, Dom zu Mainz (1919) 385 (erw.).
  3. Arens, Mainzer Inschriften II (1985) 291.
  4. Lenhart, Memorie (1962) 115 (erw.) – Arens, Neue Forschungen (1975) 132.
  5. Jung, Mainzer Dom (1975) 127 (erw.).
  6. Schwoch, Locus Memoriae (2008) 97 (erw.).

Zitierhinweis:
DIO 1, Mainz, SN1, Nr. 7 (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke, Susanne Kern), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di002mz00k0000701.