Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)
Nr. 29 Kloster Lüne 1440
Beschreibung
Grabplatte des Propstes Conrad Tzerstede, im westlichen Kreuzgangflügel im vierten Joch von Süden entlang der Außenwand in den Fußboden eingelassen. Die Kopfseite weist nach Süden. Selenit.
Die Platte lag ursprünglich nahe dem Hochaltar in der Klosterkirche1). Am Rand ist, oben links beginnend, zwischen zwei Ritzlinien als Zeile eine Umschrift eingehauen. Die vier durch Zeilenüberschneidung entstandenen Eckfelder enthalten vegetabiles Ornament, das Mittelfeld der Platte ist frei. Reste hellerfarbigen Materials in den Vertiefungen der oberen und rechten Schriftzeile scheinen darauf hinzudeuten, daß die Schrift durch Füllung der Buchstabenumrisse hervorgehoben war. Die Platte, in ihrer Ausführung derjenigen für den Propst Bodenstede (Nr. 28) eng verwandt, ist besonders an der linken Seite beschädigt und stellenweise abgetreten.
Maße: H.: 288,0 cm; B.: 153,0 cm; Bu.: 11,2 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
[a]n[n]o – [d]omini · m · ccc[c · q]u/adragesimo · in · die · p(er)petve · et · felicitatis · martiru(m) · o/bijt · dominus · cunrad(us) · / [...r....]a) [· p(rae)p]osit(us) · hui(us) · mo[n]aste[ri ·]b) c(uius) · a(n)i(m)a [ · rqe]c) sca[t] · i(n) · pace
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1440, am Tage der Märtyrerinnen Perpetua und Felicitas, starb Herr Conrad [Tzerstede], Propst dieses Klosters, dessen Seele ruhen möge in Frieden.
Datum: 1440, März 7.
Textkritischer Apparat
- Die Stelle ist weitgehend zerstört. Vom ersten Buchstaben ist die Oberlänge einer Haste erhalten, darauf folgen zwei kurze, parallel verlaufende Vertikalhasten auf Zeilenfuß und -mitte, bei denen es sich um die Reste eines z handeln kann. Dem schließt sich der untere Teil einer unten nach rechts gebrochenen Haste an. Auf das r folgen die unteren Teile von fünf Hasten. Sie müssen zu der von Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 402, überlieferten Buchstabengruppe tede gehören. Sollte das de in Ligatur gestanden haben, sind die fünf Hasten zu stede zu ergänzen.
- Erhalten ist der untere Teil zweier Hasten. Für die Buchstabenfolge -rii erscheint der Platz nicht ausreichend; vielleicht -rj?
- Die Stelle ist überwiegend zerstört. Zu Beginn erscheint nurmehr als schwacher Umriß eine Haste, danach folgt Raum für einen Buchstaben mit zwei Hasten, von denen die rechte anscheinend unter die Zeile gereicht hat. Dieser Befund führte zu der Rekonstruktion rq. Das folgende e ist sehr viel eindeutiger zu erkennen.
Anmerkungen
- Im Kirchenschiff lokalisiert bei Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 402; Mithoff, S. 128, spricht von einer beschädigten Grabplatte in der Nähe des Altars.
- Die Stammtafel bei Büttner, s. p., führt ihn nicht auf, wohl aber Witzendorff, Stammtafeln, S. 135. Danach war Conrad ein Sohn des 1426 verstorbenen Johann Tzerstede. – Nolte, S. 93, äußert sich unbestimmt.
- Nolte, S. 92; danach das Folgende. Vgl. auch Scheibe, Marktkirche, S. 31, ohne Erwähnung der Lüner Präpositur. – Nach Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 653, wurde Tzerstede im Jahre 1433 zum Propst des Klosters Lüne gewählt.
- Meyer (Hg.), Chronik, S. 51: Anno 1441. Item dominus Conradus Tzarstede, prawest to Lune, starf.
- Einige Wochen nach Tzerstedes Tod, am 23. April 1440, bestätigte Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg die testamentarische Bücherschenkung venerabilis viri digne memorie Cunradi Sarsteden prepositi in Lune et rectoris ecclesie nostre parrochialis sanctorum Jacobi et Georgii Hanoverensis; Faksimile der Urkunde bei: Busch, Bibliotheken, S. 173. – Die Bücher aus der Schenkung Tzerstedes bildeten die Grundausstattung der Ratsbibliothek in Hannover. Grotefend, Verzeichnis, weist drei Handschriften nach, die durch einen entsprechenden Vermerk als ehemaliger Besitz Tzerstedes gekennzeichnet sind: S. 3, Nr. 9 (Bernardini de Parentinis tractatus de officio missae et totius canonis expositio, laut Schreibervermerk 1416 entstanden); S. 4, Nr. 13 (theologische Sammelhandschrift, teilweise 1394 geschrieben); S. 6, Nr. 19 (theologische Sammelhandschrift, 1420 in Hildesheim geschrieben).
- Gebhardi (wie Anm. 1; vgl. Anm. a).
- Die Jahreszahl bei Scheibe (wie Anm. 3) ergibt sich daraus, daß eine in Hannover befindliche Grabplatte, die dieses Todesjahr gibt, irrtümlich auf Tzerstede bezogen wird. Ihre Inschrift kann nicht mehr intakt gewesen sein. Dennoch behauptet Scheibe: „Sein Epitaph [!] steht zurzeit auf dem westlichen Flur im Kestner-Museum. ... Die Mitte der Platte zeigt einen Kelch. Den Namen und das Sterbejahr [!] liest man am Rande des Steines.“ – Später wurde dieser Irrtum fortgeschrieben und durch ein Versehen oder einen Druckfehler völlig entstellt: bei Nöldeke (Bearb.), Stadt Hannover, Teil 1, S. 101, heißt es bei der Inventarisierung von Grabdenkmälern, die aus der Marktkirche stammen: „Grabplatte des Predigers Serstede, gest. 1483 [!], im Kestnermuseum.“ – Nolte, S. 92, Anm. 2: „Zerstörte Grabplatte Tzerstedes“.
Nachweise
- Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 402.
- Mithoff, S. 128 (nur bis felicitatis).
Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 29 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0002908.
Kommentar
Conrad entstammte vermutlich der Lüneburger Familie Tzerstede2). Vor seiner Wahl zum Propst des Klosters im Jahre 1432 oder 1433 war er Rektor der (Markt-)Kirche St. Jacobi und Georgii in Hannover3). Entgegen der Angabe in der Schomaker’schen Chronik, Tzerstede sei 1441 verstorben, vermittelt die Inschrift das zutreffende Todesdatum4). In seiner kurzen Amtszeit setzte Conrad Tzerstede die Erwerbspolitik seiner Vorgänger Bodenstede und Weygergang fort, so daß das Kloster bei seinem Tode über hohe Geldsummen verfügen konnte.
Auch Tzerstede besaß eine bedeutende Bibliothek mit Werken theologischen und juristischen Inhalts, vermachte sie aber nicht dem Kloster Lüne, sondern der Marktkirche in Hannover, deren Rektorat er neben der Präpositur beibehalten hatte5). Seine Sepultur erhielt er jedoch in der Lüner Klosterkirche, wie die hier zu behandelnde Grabplatte beweist: Ludwig Albrecht Gebhardi fand sie im Kirchenschiff vor und war wegen ihres besseren Erhaltungszustandes in der Lage, den Familiennamen der Inschrift sicherer zu bestimmen, als es heute möglich ist: die Buchstaben -tede waren noch deutlich zu lesen6). Damit sind keine Zweifel an der Zuweisung dieser Platte möglich. Deshalb ist die Bemerkung Scheibes, Tzerstede sei 1438 verstorben, ebenso unrichtig wie Noltes Hinweis, die Grabplatte des Propstes sei zerstört7).